Kreml-Gegner Nawalny in Russland im Straflager

Rund eineinhalb Monate nach einem international heftig kritisierten Gerichtsurteil ist der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in ein russisches Straflager gebracht worden. Er werde in der Strafkolonie Nr. 2 in der Kleinstadt Pokrow im Gebiet Wladimir rund 100 Kilometer östlich von Moskau festgehalten, schrieb Nawalny gestern auf Instagram.

Russisches Straflager im russischen Pokrow
Reuters/Tatyana Makeyeva

Foto mit kahlgeschorenem Kopf

Dazu postete er ein Foto, das ihn mit kahlgeschorenem Kopf zeigt. Obwohl er den zahlreichen Medienberichten über Folter in dem Lager Glauben schenke, habe er bisher keine Gewalt beobachten können, schrieb der 44-Jährige. Er selbst stehe unter permanenter Überwachung, überall hingen Kameras. „Aber wenn man es mit Humor nimmt, ist es möglich zu leben.“

„Ich muss zugeben, dass das russische Gefängnissystem in der Lage war, mich zu überraschen“, so Nawalny. „Ich hatte keine Ahnung, dass es möglich ist, ein echtes Konzentrationslager 100 Kilometer von Moskau entfernt einzurichten.“ Nachts werde er jede Stunde von einem Wärter geweckt, der ein Foto von ihm mache und weitergebe, dass der Sträfling noch in seiner Zelle sei. „Ich glaube, jemand hat (George, Anm.) Orwells ‚1984‘ gelesen und gesagt: ‚Ja, cool. Lasst uns das machen. Erziehung durch Entmenschlichung‘“, fügte Nawalny hinzu.

Ende vergangener Woche war bekanntgeworden, dass Nawalny aus einem Untersuchungsgefängnis weggebracht worden war. Seitdem beklagten Unterstützer und Familie, dass tagelang jedes Lebenszeichen von ihm gefehlt habe.

„Nowaja Gaseta“ beklagt „Chemieangriff“ auf Redaktion

Unterdessen ist heute nach eigener Darstellung ein „Chemieangriff“ auf das Redaktionsgebäude der russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ verübt worden. Das kremlkritische Medium schrieb auf seiner Website von einem „anhaltenden, scharfen chemischen Geruch“ in seinen Räumlichkeiten in der Hauptstadt Moskau. Vertreter von Zivilschutz, Innenministerium und dem Inlandsgeheimdienst FSB für Untersuchungen seien an Ort und Stelle. Bisher ist unklar, um welche Substanz es sich handelte.

Journalisten der „Nowaja Gaseta“ wurden in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Angriffen. Für besonderes Aufsehen sorgte 2006 der Fall der Reporterin Anna Politkowskaja, die in ihrem Haus in Moskau erschossen wurde. Nach langen Ermittlungen wurden 2014 mehrere Männer aus der Nordkaukasus-Republik Tschetschenien verurteilt. Politkowskajas Familie und Ex-Kollegen vermuten ein politisches Motiv und fordern eine Suche nach den Hintermännern.