Eine Frau mit ihrem Kind am Arm in einem Camp für Geflüchtete in der Provinz Cabo Delgado im Norden von Mosambik
Reuters/Rui Mutemba/save the Children
Mosambik

Gnadenloser Kampf um gasreiche Region

Wie die Hilfsorganisation Save the Children am Dienstag berichtet hat, dürften gewaltsame Auseinandersetzungen in Mosambik ein erschreckendes Ausmaß erreicht haben. Laut der NGO werden Kinder in der gasreichen Provinz Cabo Delgado von einer dschihadistischen Gruppe entführt und enthauptet. Das Land im südöstlichen Afrika bat um internationale Hilfe, um der Gewalt Herr zu werden. Amnesty International sah zuletzt Menschenrechtsverletzungen durch alle Beteiligten.

In dem Bericht schrieb die in Großbritannien ansässige NGO Save the Children, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten mit vertriebenen Familien gesprochen, die „entsetzliche Szenen“ des Mordens beschrieben, darunter Mütter, deren junge Söhne getötet worden seien. In einem Fall habe sich eine Mutter hilflos mit ihren drei anderen Kindern versteckt, während ihr Zwölfjähriger von islamistischen Aufständischen ermordet worden sei.

„Wir haben versucht, in den Wald zu fliehen, aber sie haben meinen ältesten Sohn mitgenommen und ihn enthauptet“, wird die 28-jährige Frau zitiert. „Wir konnten nichts tun, weil wir sonst auch getötet worden wären.“ Eine andere Mutter erzählte Save the Children, ihr Sohn sei gerade elf Jahre alt gewesen, als er von bewaffneten Männern getötet worden sei. Auch auf YouTube finden sich zahlreiche Videos aus der Region, die einerseits von Militärs, andererseits von den Aufständischen stammen dürften.

Vertriebene Frauen und Kinder im Dezember des Vorjahres in Mosambik
APA/AFP/Alfredo Zuniga
Save the Children warnt, dass insbesondere Familien und Kinder in großer Gefahr seien

Chance Briggs, Landesdirektor von Save the Children in Mosambik, sagte, dass die Berichte über Angriffe auf Kinder „uns bis ins Mark erschüttern“. „Die Gewalt muss aufhören, und die vertriebenen Familien müssen dabei unterstützt werden, sich zurechtzufinden und vom Trauma zu erholen“, so Briggs weiter. Die UNO beschrieb die Aktionen der Militanten als „unbeschreiblich grausam“. Eine Stellungnahme der Regierung zu den Tötungen von Kindern gibt es nicht.

Verbindung zu IS

Mosambiks nördlichste Provinz Cabo Delgado wird seit 2017 von islamistischen Terroristen heimgesucht. Sie werden seit 2018 mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Verbindung gebracht. ORF.at-Recherchen zufolge wird die Gruppe im Volksmund unter anderem al-Schabab genannt, hat aber nicht unmittelbar mit der gleichnamigen islamistischen Bewegung in Somalia zu tun. Die USA erklärten die mosambikanische Dschihadistengruppe vergangene Woche wegen ihrer Verbindung zum IS offiziell zu einer ausländischen Terrororganisation. Der IS beanspruchte seinen ersten Angriff in Cabo Delgado im Juni 2019.

Enthauptungen scheinen seit Beginn des Aufstandes ein grauenhaftes Markenzeichen der Terroristen zu sein. 2020 begannen sie ganze Städte in Cabo Delgado militärisch zu erobern. Die Brutalität setzte sich parallel fort, unter anderem mit Massentötungen, darunter der Ermordung von 52 Menschen im Dorf Xitaxi im April 2020. Im vergangenen November berichteten staatliche Medien, dass mehr als 50 Menschen auf einem Fußballplatz in der Provinz enthauptet worden seien.

Amnesty: Südafrikanische Militärfirma involviert

Insgesamt sind seit 2017 nach Angaben des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), einer Organisation, die politische Gewalt verfolgt, fast 2.700 Menschen durch die Gewalt im nördlichen Mosambik gestorben. Fast 670.000 seien vertrieben worden, so Save the Children.

Amnesty International stellte Anfang März fest, dass sowohl vonseiten der Terrormiliz als auch vonseiten der Regierung Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen unter anderem an Zivilpersonen begangen würden. Die Regierung in der Hauptstadt Maputo bestreitet das.

Zelte für Flüchtlinge in Napala Agrarian Center of Metuge District in Cabo Delgado im nördlichen Mosambik Ende Februar 2021
APA/AFP/Alfredo Zuniga
Tausende Menschen mussten bereits aus Cabo Delago fliehen

Amnesty berichtete außerdem von „wahllosen Angriffen“ der privaten südafrikanischen Militärfirma Dyck Advisory Group (DAG). Nachdem die Sicherheitskräfte eine Reihe von Gefechten mit den Dschihadisten in Cabo Delgado verloren hatten, beauftragte die Regierung die DAG, in ihrem Namen unter Einsatz von Kampfhubschraubern gegen die Miliz vorzugehen. Laut 53 Zeuginnen und Zeugen, die mit Amnesty sprachen, feuerten DAG-Söldner Maschinengewehre aus Hubschraubern ab, warfen wahllos Handgranaten in Menschenmengen und beschossen wiederholt zivile Infrastruktur, darunter Krankenhäuser, Schulen und Häuser.

USA wollen mosambikanische Soldaten ausbilden

Mosambiks Regierung bat nun um internationale Hilfe. Die US-Botschaft in dem Land verkündete am Montag, US-Spezialkräfte würden zwei Monate lang mosambikanische Marinesoldatinnen und -soldaten ausbilden. Außerdem wollen die USA medizinische und kommunikationstechnische Ausrüstung bereitstellen, um Mosambik bei der Bekämpfung des Aufstandes zu helfen.

Soldaten der Armee in Mosambik in Mocimboa da Praia
APA/AFP/Adrien Barbier
Das Militär ist mit der Bekämpfung der Aufständischen überfordert

„Zivilschutz, Menschenrechte und die Einbeziehung der Gemeinschaft sind von zentraler Bedeutung für die US-Zusammenarbeit und sind entscheidend für die effektive Bekämpfung des Islamischen Staates in Mosambik,“ lautete eine Erklärung der US-Botschaft in Maputo.

„Enorme Bodenschätze“

Cabo Delgado ist eine gasreiche Region. Obwohl die Terrormiliz bisher nur selten einen Hinweis auf ihr Motiv für die Gräueltaten gab oder Forderungen stellte, gehen Beobachterinnen und Beobachter davon aus, dass es neben der Errichtung eines „islamischen Staates“ auch um Erdgas und andere Rohstoffe wie Rubine, Graphit und Holz geht.

In einem Video vom letzten Jahr sagte ein Anführer der Kämpfer der BBC zufolge: „Wir besetzen (die Städte), um zu zeigen, dass die aktuelle Regierung ungerecht ist. Sie demütigt die Armen und überlässt den Profit den Bossen.“ Der Mann sprach über den Islam und seinen Wunsch nach einer islamischen Regierung, nicht einer „Regierung der Ungläubigen“, aber er zitierte auch angebliche Missbräuche durch Mosambiks Militär und beschwerte sich wiederholt, dass die Regierung „unfair“ sei.

Koloniale Unabhängigkeit 1975

Mosambik ist das achtärmste Land der Welt. Ab dem 15. Jahrhundert, nachdem der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama auf dem Weg nach Indien die Küste Mosambiks erreicht hatte, eignete sich Portugal das Gebiet nach und nach gewaltsam an. Die Portugiesen suchten nach Gold und anderen Rohstoffen im Landesinneren und betrieben Sklavenhandel. Pemba, die Hauptstadt von Cabo Delgado, wurde zum wichtigen Handelsplatz.

Im 19. Jahrhundert rebellierten die Völker in Pemba gegen die portugiesische Herrschaft, der sie tributpflichtig waren. Erst 1975 wurde Mosambik unabhängig. Seither gab es immer wieder politische Krisen und auch Umweltkatastrophen – zuletzt traf ein Zyklon 2019 das Land schwer, Cabo Delgado war eine der am härtesten getroffenen Regionen.