Eine Person steht mir einer Packung Astra Zeneca Impfstoff vor einem Medikamentenkühlschrank.
Reuters
AstraZeneca

Weitere Länder setzen Impfung aus

Mehr und mehr Länder setzen die Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca aus. So hatten am Montag unter anderem Deutschland, Frankreich und Italien die Impfung vorerst gestoppt, nachdem es Berichte über Fälle von sehr seltenen Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegeben hatte. Am Dienstag folgten Zypern, Luxemburg, Schweden und Lettland.

In Österreich wird der Impfstoff hingegen weiter verimpft, die Verwendung einer bestimmten Charge wurde wie zuvor auch in Italien gestoppt. Weitere Länder mit Impfstopp sind etwa Spanien, Portugal, Irland, Bulgarien, Dänemark, Norwegen und die Niederlande. Der Ball liegt nun bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). Die Behörde prüft die Fälle, betonte aber bereits, dass die Impfungen fortgesetzt werden könnten.

Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass das Mittel ein ernstes Gesundheitsrisiko darstelle, sagte der Chef der EMA-Abteilung für Impfstrategien, Marco Cavaleri, am Montag bei einer Anhörung im EU-Parlament. „Wir sehen kein Problem darin, die Impfkampagne mit diesem Impfstoff fortzusetzen.“ Am Dienstag soll ein Sicherheitsbericht der EMA zu AstraZeneca veröffentlicht werden. Am Donnerstag ist eine Sondersitzung zu dem Impfstoff geplant. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berät am Dienstag. Ob es einen Zusammenhang zwischen beobachteten Todesfällen und dem Impfstoff gibt, ist noch unklar – mehr dazu in science.ORF.at.

Karte mit Ländern, die Impfung mit AstraZeneca-Vakzin aussetzen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Zypern will indes wegen der Aussetzung des AstraZeneca-Impfstoffs 50.000 Dosen des russischen Präparats „Sputnik V“ kaufen. „Dies (den Kauf) werden wir machen, sobald die Impfstoffe aus Russland von der Europäischen Gesundheitsbehörde genehmigt sind“, sagte Regierungssprecher Kyriakos Koushios im zypriotischen Rundfunk (RIK). In Großbritannien, das unabhängig von der EU sein Impfprogramm organisiert, gehen die Impfungen indes weiter.

Italien sieht politische Entscheidung

Das Pharmaunternehmen AstraZeneca wollte in einer Aussendung am Montagnachmittag vor dem Hintergrund der jüngsten Berichte im Zusammenhang mit thrombotischen Ereignissen deutlich machen, „dass der Covid-19-Impfstoff gemäß eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen sicher ist“. „Die Sicherheit ist von höchster Bedeutung, und das Unternehmen überwacht kontinuierlich die Sicherheit seines Impfstoffes“, hieß es.

Auch die italienische Arzneimittelaufsicht AIFA stufte den Impfstoff als sicher ein. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko sei „weitgehend positiv“, sagte AIFA-Direktor Nicola Magrini der Zeitung „La Repubblica“. Die Entscheidung mehrerer Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien, das Impfen mit dem Vakzin auszusetzen, sei politisch gewesen. Die AIFA werde zwei, drei Tage benötigen, um alle erforderlichen Daten zu sammeln. Sobald alle Zweifel ausgeräumt seien, „können wir schneller weitermachen als zuvor“.

Todesfälle in Italien werden untersucht

In Italien laufen allerdings Ermittlungen zu Todesfällen in zeitlicher Nähe zu CoV-Impfungen auf Hochtouren. Die italienische Justiz ermittelt nach mindestens sechs Todesfällen, die mit einer AstraZeneca-Impfung zusammenhängen könnten. Am Montag wurde eine 54-Jährige auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Neapel eingeliefert, nachdem sie vergangene Woche mit einer Dosis aus der AstraZeneca-Charge ABV5811 geimpft worden war, die in Italien am Sonntag eingezogen wurde. Die Frau, die vor der Impfung gesund war, schwebe in Lebensgefahr, berichteten italienische Medien.

Die Gewerkschaftsverbände der Carabinieri meldeten eine beträchtliche Zahl von Berichten über schwere Reaktionen nach Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff unter den Sicherheitskräften. Die Gewerkschaften forderten genaue Kontrollen bei der Fortsetzung der Impfkampagne mit dem Vakzin.

Die Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Lagonegro beschloss die Sicherstellung der Leiche eines 62-jährigen Polizisten, der wenige Stunden nach einer Impfung mit dem Biontech-Pfizer-Vakzin verstorben war. Die Ermittler wollen feststellen, ob ein Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Todesfall besteht, berichteten italienische Medien am Dienstag. Die italienische Regierung befürchtet, dass die Impfkampagne wegen des Stopps der Immunisierung mit AstraZeneca-Vakzinen stark verlangsamt werden könnte. Dabei hatte die Regierung erst am Samstag ihren neuen Impfplan vorgestellt, der die Verdreifachung der Impfungen von täglich 170.000 auf 500.000 vorsieht.

Österreich impft weiter mit AstraZeneca

Österreich wird weiter mit dem Vakzin von AstraZeneca impfen. Eine entsprechende vorläufige Empfehlung sprach am Montagabend das Nationale Impfgremium aus. Allerdings wurde auch klargestellt, dass noch Daten fehlten. Daher könne man keine „abschließende Empfehlung“ abgeben, hieß es in einer Aussendung des Gremiums, das nach dem Impfstopp mehrerer EU-Staaten getagt hatte.

Die bis jetzt eingelangten Meldungen vermuteter Nebenwirkungen diverser europäischer Länder seien derzeit noch inkomplett und schwer vergleichbar, sodass sich keine zusammenfassende Aussage oder eindeutigen Schlüsse tätigen ließen, schrieb das Gremium. Am Dienstag würden jedoch neue Daten der EMA vorgelegt, die als Entscheidungsgrundlage für das weitere Prozedere dienen sollten. Das Impfgremium wird danach auch wieder debattieren.

Impfexpertin zur Entscheidung des Nationalen Impfgremiums

Das Nationale Impfgremium empfiehlt wie der Gesundheitsminister, auf die Entscheidung der EMA zu warten. Dazu im Studio: Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium.

Stand Montagabend sah die Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium, Maria Paulke-Korinek, keinen Grund, die anstehenden Impfungen abzusagen. Für sie hat der Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Freilich schränkte die Spitzenbeamtin in der ZIB2 ein, dass man im Nationalen Impfgremium nur die österreichischen Daten zur Verfügung habe. Die EMA sammle und evaluiere alle europäischen Daten. Daher sei es „wirklich notwendig“, auf diese Informationen zu warten.

Anschober will „gesamteuropäisches Vorgehen“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach sich zuvor für ein „gesamteuropäisches Vorgehen“ aus. Anschober forderte eine „raschestmögliche, klare Stellungnahme von den europäischen Behörden für ein gemeinsames gesamteuropäisches Vorgehen“. Es brauche jetzt eine klare Entscheidung und Empfehlung der EMA für die Mitgliedsstaaten. „Wir haben uns bei den Impfungen auf ein gemeinsames europäisches Vorgehen geeinigt. Nationale Einzelgänge sind in diesem Zusammenhang weder effektiv noch vertrauensbildend“, so der Minister.

„Wenn derart weitreichende Entscheidungen getroffen werden, müssen diese durch fundierte Daten und Fakten eindeutig belegt sein und am besten durch die dafür zuständige EMA empfohlen werden", sagte Anschober zudem. Derzeit gebe es keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von AstraZeneca und den aktuell diskutierten gesundheitlichen Ereignissen, „die auch bei ungeimpften Personen auftreten können“, so Anschober. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer forderte unterdessen erneut den „sofortigen Stopp“ der AstraZeneca-Impfungen. Nach den „immer häufiger auftretenden Komplikationen“ müsse Österreich nachziehen.