„Ibiza“: Ex-ÖVP-Chef Mitterlehner schildert „Roadshows“

Im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss ist heute der frühere ÖVP-Parteichef und Vizekanzler (2014 bis 2017) Reinhold Mitterlehner befragt worden. Er gab einen Einblick in den Machtwechsel in der ÖVP hin zu Türkis und die Suche von Unterstützerinnen und Unterstützern im Wahlkampf des späteren Kanzlers Sebastian Kurz.

An Gesetzeskauf von Spendern wollte der Ex-ÖVP-Chef aber nicht glauben, so „blöd“ sei niemand. Vielmehr beschrieb er „Roadshows“ für das Auftreiben von Spendern, das Entstehen eines „Biotops“ und einer „bestimmten Stimmung“, sich dadurch bei Politikern ein offenes Ohr zu verschaffen.

Generell kritisieren wollte er das Spendentum jedoch nicht – schließlich würden manche auch einfach für eine politische Agenda Geld geben. Klar sei aber auch: Das aktuelle Programm fokussiere sich auf „die Besitzenden“, das Christlich-Soziale sei „in den Hintergrund gerückt“.

„Projekt Ballhausplatz“ in „klassischer Umsetzung“

Ob von der ÖVP Spenden entgegengenommen worden seien oder damit verbunden möglicherweise Gegenleistungen erfolgten, könne er aus direkter Wahrnehmung nicht beantworten, so Mitterlehner – schließlich habe er die Partei seit Mai 2017, dem Zeitpunkt seines Rücktritts, nicht mehr betreten. „Wie und ob Spenden (in der Partei, Anm.) abgewickelt“ worden seien bzw. sich die Finanzierung geändert habe, dazu habe er „keine Wahrnehmungen“, wie er auf mehrfache Fragen in diese Richtung sagte – er könne „nur mutmaßen, und Mutmaßungen sind nicht Gegenstand des Ausschusses“, so Mitterlehner.

Reinhold Mittlerlehner beim „Ibiza“-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer

Endsprechende Berichte in Medien habe er sehr wohl wahrgenommen, als „Privatperson“ habe er sich da Gedanken gemacht. Das „Projekt Ballhausplatz“ sage ihm „sehr wohl etwas“, er habe das in seinem Buch dokumentiert. Er habe die Geschichtsschreibung nicht den jetzt mächtigen Personen überlassen, sondern habe die Ereignisse dokumentieren wollen. „Es hat dieses Projekt in der klassischen Umsetzung gegeben“, so Mitterlehner.

„Roadshow“ und „Biotop der Qualifizierten“

Der ehemalige ÖVP-Chef führte seine Eindrücke dazu recht umfänglich aus: Die „Spenderlisten“ (diese seien ihm erst im Zuge der späteren Recherche zu seinem Buch bekanntgeworden) aus 2017 hätten ihre Wurzeln 2016 gehabt. Schon 2014, nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef Michael Spindelegger, habe Kurz innerhalb der Partei als Hoffnungsträger gegolten, damals habe der aber seine Zeit noch nicht für gekommen gesehen. Er habe ihn, Mitterlehner, gebeten, das zu tun, er habe also übernommen.

Als Kurz 2016 gefürchtet habe, dass SPÖ-Kanzler Christian Kern und er, Mitterlehner, länger im Amt bleiben könnten, habe man begonnen zu desavouieren. Es habe Gespräche mit anderen Parteien gegeben, und Kurz habe eine „Roadshow“ gemacht, auch, um Spenden aufzutreiben.

Es sei darum gegangen, „ein Biotop der Qualifizierten“ entstehen zu lassen, so Mitterlehner. Doch wollte Mitterlehner nicht daran glauben, dass unter seinem Nachfolger Kurz Gesetze „gekauft“ worden sein könnten: So „blöd“, dass jemand nachweislich Gesetze „kaufe“ sei man aber weder in Europa, noch in Bananenstaaten, sagte er.

„Erste Wahrnehmung“ im Schloss Reifnitz im August 2016

Auch wurde Mitterlehner nach „Spenden-Rallys“ gefragt, von denen er in seinem Buch schreibt. Die entsprechenden Veranstaltungen seien freilich nicht als „Spenden-Rallys“ bezeichnet gewesen („Da wären weniger Leute gekommen“) – das Wording habe „Unternehmergespräche“ gelautet.

Im August 2016 habe er sie das erste Mal wahrgenommen – Mitterlehner erzählte von einem Event im Kärntner Schloss Reifnitz, da habe der Manager Siegfried Wolf andere Unternehmer eingeladen. Dort sei es auch um Spenden gegangen.

„Die haben nicht für mein Programm bezahlt“

Es sei jedem bewusst gewesen, „worum es hier geht“, so Mitterlehner – die Leute hätten „natürlich nicht für mein Programm bezahlt“. Es habe auch andere Events dieser Art gegeben, mit unterschiedlichen Gastgebern, etwa Unternehmen und einer Bank. Er wolle diese Personen aber nicht in die Öffentlichkeit ziehen, so Mitterlehner ("Ich kann mich nicht erinnern und Laptop habe ich auch keinen“). Er habe kein Interesse, Detektiv zu spielen und alte Unterlagen herauszukramen oder jemanden zu outen, sagte der frühere ÖVP-Chef sinngemäß.

Mitterlehner: Unter ihm „kein Cent eingegangen“

Ab Ende Jänner 2017 sei klar gewesen, dass er nicht mehr Spitzenkandidat sein werde. Es sei nicht darum gegangen, dass er abmontiert werden solle, sondern „eher immer um das eine: dass sich jemand positionieren wollte“, wie Mitterlehner es formulierte. Unter seiner Obmannschaft seien solche Events jedenfalls nicht betreut worden, bis zu seinem Ausscheiden sei auch „kein Cent eingegangen“, das gespendete Geld habe wohl irgendwo anders verbucht werden müssen, so Mitterlehner sinngemäß.

Auch wurde Mitterlehner gefragt, ob ihm Kurz den Job als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) angeboten habe. Mitterlehner sprach über eine „politische Verwendungszusage“, die es dafür gegeben habe. Dann sei es anders gekommen („Heute bin ich froh darüber“) – OeNB-Präsident wurde dann Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.