Antonella Mei-Pochtler beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Kurz-Beraterin erklärt „Think Austria“

Es waren Einblicke von zwei Seiten, die die Auskunftspersonen im „Ibiza“-U-Ausschuss am Dienstag gegeben haben – im Fokus stand der Vorgang des Wandels der schwarzen zur türkisen ÖVP. Ex-Parteichef Reinhold Mitterlehner beschrieb ein „Biotop“ aus Spendenakquirieren und einer Kultur, sich dadurch bei Politikern ein offenes Ohr zu verschaffen. Ein ganz anderes Bild zeichnete daraufhin die Strategieberaterin von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Antonella Mei-Pochtler.

Quasi als Gegenschnitt zu Mitterlehner ging es bei Mei-Pochtler um die Innensicht der türkisen ÖVP, zu der sich der ehemalige ÖVP-Chef Mitterlehner unter Verweis auf sein Ausscheiden aus dem politischen Geschehen nicht äußern konnte bzw. wollte. Mei-Pochtler wurde hingegen konkret zu ihrer Tätigkeit im Kanzleramt befragt, schließlich ist ihre Stabstelle – der Thinktank „Think Austria“ – dem Kanzleramt direkt unterstellt.

Anfangs zeigte sich Mei-Pochtler – bis Ende 2017 war sie Geschäftsführerin bei der Boston Consulting Group – über die Ladung in den U-Ausschuss noch „einigermaßen erstaunt“ – schließlich sei sie in die „Causa Ibiza“ nicht involviert. Ungeachtet dessen war das Interesse des Ausschusses groß, der starke Fokus lag auf ihrer Tätigkeit im Kanzleramt bei „Think Austria“ – die Stelle sei dort im März 2018 eingerichtet worden und bestehe aus fünf Personen, wie Mei-Pochtler ausführte.

„Projekt Ballhausplatz“ bekannt? – „Nur aus Medien“

Es handle sich um eine Strategieberatung für Kurz, vor allem in Vorbereitung auf seine internationalen Reisen, so Mei-Pochtler. Dabei gehe es um die Aufbereitung von „Querschnittsthemen“ und „internationale Analysen“. Derartige Strategieeinheiten gebe es in vielen anderen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Singapur – auch diese Beispiele habe man sich angesehen, so Mei-Pochtler.

Vor dieser Thinktank-Tätigkeit habe sie den Wahlkampf für Kurz betreut – im Frühjahr 2017. Zum Thema Spenden konnte Mei-Pochtler generell keine Angaben machen („Nie etwas mit Spenden am Hut gehabt“), das „Projekt Ballhausplatz“ – also jene inoffizielle Wahlkampfstrategie, die Kurz 2017 ins Kanzleramt verhalf – kenne sie aus den Medien („Zu keinem Zeitpunkt Gesprächsthema“).

Antonella Mei-Pochtler beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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Mei-Pochtler (r.) bei ihrer Ankunft vor dem U-Ausschuss-Lokal

Bei Koalitionsverhandlungen dabei

In die Koalitionsverhandlungen (ÖVP-FPÖ) war Mei-Pochtler über die Themen Standort und Entbürokratisierung involviert (für die Partei – bei der Politischen Akademie – hatte sie bereits davor Konzepte erstellt). Dabei sei es „vor allem“ um Themen zur Wettbewerbsfähigkeit allgemeiner Natur wie etwa die Senkung der Abgabenlast oder Entbürokratisierung gegangen. Anliegen von Unternehmen seien dabei kein Thema gewesen. Von Postenbesetzungen habe sie nur aus den Medien erfahren („Zu keinem Zeitpunkt involviert“) – auch zu jener von Thomas Schmid in die ÖBAG konnte sie nichts sagen („Keine Wahrnehmungen“).

„Roadshows“? – „Keine Wahrnehmung“

Auch wurde Mei-Pochtler zu Terminen gefragt, sie habe sehr viele „Abendessen“ mit Unternehmern gehabt – allerdings sei Kurz bei keinem dieser Essen dabei gewesen. Zu Spendenveranstaltungen (Mitterlehner hatte von „Roadshows" gesprochen“), konnte Mei-Pochtler nichts erzählen. Bei den Gesprächen zu „Standort und Wettbewerbsfähigkeit“ der ÖVP-Parteiakademie sei es nie um Spenden gegangen, so Mei-Pochtler. Sie habe dort keinen Vertrag gehabt und ehrenamtlich gearbeitet.

Bei „Think Austria“ könne sich theoretisch „jeder Bürger“ einbringen, was allein durch die vielen (9.530, Anm.) E-Mails belegt sei. Kaum eingebracht habe sich der ehemaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, wie Mei-Pochtler auf Fragen der Grünen sagte. Überhaupt habe sie Strache kaum gesehen („nur ein Gespräch gehabt“). Da sei Thema gewesen, dass die FPÖ auch einen Thinktank gründen wolle – was daraus geworden sei, könne sie nicht sagen, so Mei-Pochtler.

„Richtiger Mix“ an Personen

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer fragte zum „Sounding Board“ von „Think Austria“ – dieses bestand aus insgesamt zwölf Personen, etwa Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, Ex-Wirecard-Chef Markus Braun und der Leiterin der Salzburger Festspiele, Helga Rabl-Stadler. Bei der Auswahl sei auf den „richtigen Mix“ geachtet worden, sie und ihr Stellvertreter bei „Think Austria“ hätten die Personen ausgewählt, die Letztentscheidung habe Kurz gehabt.

Die SPÖ wies darauf hin, dass die Hälfte der Personen auch in geleakten Dokumenten des „Projekts Ballhausplatz“ namentlich genannt worden seien. Thema bei Krainers Befragung war auch die im März 2018 gegründete „Antonella Mei-Pochtler Advisory GmbH“. Dass Gelder von Behörden oder öffentlichen Betrieben an die Firma geflossen seien, schloss Mei-Pochtler aus – ebenso, dass „ÖVP-Großspender“ die Beratungsagentur beauftragt haben könnten.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Krainer befragte Mei-Pochtler sehr ausführlich

Treffen mit Ex-Wirecard-Chef Braun?

Gefragt zu einer E-Mail von Kurz an Braun, wonach Mei-Pochtler ebendiesen empfohlen habe, verwies sie auf die Unternehmer-„Frühstücke“, die man veranstaltet habe. Zu dem von Krainer vorgebrachten Zusammenhang zu Spendentätigkeiten konnte Mei-Pochtler nichts sagen. Im Wesentlichen habe sie Leute aus dem Ausland gebracht, zu denen sie Kontakt gehabt habe, so Mei-Pochtler.

Krainer ging es explizit um einen Termin mit Braun, Mei-Pochtler konnte nicht ausschließen, dass es zu einem Gespräch zwischen Braun und einem Mitarbeiter von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gekommen sei – Erinnerung hatte Mei-Pochtler daran keine. Das „Sounding Board“ habe dreimal getagt, dem geplanten vierten Treffen sei dann aber das „Ibiza-Video“ in die Quere gekommen. Neu war für Mei-Pochtler laut eigener Aussage, dass Wirecard-Chef Braun an die Partei gespendet hatte.

Die Frage, ob sie Braun auch außerhalb von „Think Austria“ getroffen habe, beantwortete Mei-Pochtler nicht eindeutig – sie habe Einladungen von Braun bekommen, die sie aber meist nicht angenommen habe. Krainer wollte wissen, ob die Auskunftsperson Braun auch privat eingeladen habe und dann über Berufliches gesprochen wurde. Mit Verweis auf die Privatsphäre war dazu – auch unter Vorlage eines Dokuments mit einem Kalendereintrag Brauns – nichts zu erfahren.

„Kontakt zu 95 Thinktanks aufgenommen“

Die FPÖ fragte Mei-Pochtler nach ihren Auslandsreisen mit Kurz, worauf sie ausführte, dass sie das Programm vorbereitet habe. „Mit Verlaub, was unterscheidet Ihre Aufgabe zu der von einem Kabinettsmitarbeiter in dem Konnex?", wollte Mandatar Martin Graf wissen. Man habe Kontakt zu 95 Thinktanks aufgenommen“, so Mei-Pochtler. Das Kabinett habe nicht die Möglichkeit, mit diesen Stellen in Kontakt zu sein, abgesehen von den sprachlichen Erfordernissen; manche sprächen etwa nur Französisch.

Generell sei es ein wichtiges Thema für „Think Austria“ gewesen, wie Österreich „in Rankings performt“, so Mei-Pochtler. Man habe sichergestellt, dass man da besser würde, Österreich habe sich auch wirklich verbessert. Dazu verwies die Auskunftsperson wiederum auf besagte zwölf Vertreterinnen und Vertreter des „Sounding Board“. Es gehe um „langfristige Wettbewerbsfähigkeit“ und „Stärkung des Standorts“.

„Wenige Laptops“ im Kanzleramt

NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter kam gegen Ende der Befragung noch einmal auf die vielen Mails (besagte 9.530) zu sprechen. In der Zeit der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein (zwischen den Kurz-Amtsperioden) sei die große Mailbox aufrechterhalten worden – auf diese Mails gebe es daher heute auch noch immer Zugriff. Ob etwas geschreddert wurde, konnte Mei-Pochtler nicht sagen.

Helmut Brandstätter (NEOS) beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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NEOS-Mandatar Brandstätter im „Ibiza“-Ausschuss

Sie habe ihren Kanzleramtslaptop und ihr Handy abgegeben, und die Daten seien gelöscht worden – als sie zurückgekommen sei (die Stelle wurde ja umgehend wiedereingerichtet), habe es neue Laptops, neue Handys gegeben. Ob es Drucker im Kanzleramt gab? Das hoffe sie doch sehr, so Mei-Pochtler, sie selbst arbeite eher digital – grundsätzlich seien ihr im Kanzleramt nur wenige Laptops untergekommen.

„Macht man das im echten Leben?“

Zu den Mails fragte die FPÖ noch einmal nach („Macht man das im echten Leben, dass man alle Daten vernichtet und dann keine mehr hat – auch wenn man weiß, dass man nachher wahrscheinlich wiederkommen wird?“). Mei-Pochtler sagte, sich an die Vorgaben im Kanzleramt gehalten zu haben. Nur die Mailbox für „Think Austria“ für deren ausländische Kontakte sei noch zwei, drei Monatenach Auflösung der Stabstelle weitergelaufen, das sei so vereinbart worden – weder sie noch Kurz hätten aber Zugriff darauf gehabt.