Außenansicht der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam
Reuters/Piroschka Van De Wouw
Entscheidung folgt Donnerstag

EMA weiterhin von AstraZeneca überzeugt

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat bisher keine Hinweise darauf, dass der CoV-Impfstoff von AstraZeneca eine Blutgerinnung verursacht. Die Zahl der aufgetretenen Fälle sei nicht höher als in der Gesamtbevölkerung. Man sei vom Nutzen des Vakzins nach wie vor „zutiefst überzeugt“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Dienstag.

Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen wird für Donnerstagnachmittag erwartet. Cooke zufolge würden Fachleute am Dienstag zu Beratungen zusammenkommen. Bis Donnerstag würden die Zwischenfälle, die Mitgliedsstaaten gemeldet hatten, genau überprüft und evaluiert. „Wir brauchen erst Fakten, bevor wir zu einer Entscheidung kommen“, so Cooke. Aktuell gebe es allerdings keinen Hinweis auf einen Zusammenhang der Blutgerinnsel mit dem Impfstoff, sagte Cooke mehrfach. Die Vorteile des Mittels überwögen die Risiken.

Die EMA schaut sich bei ihrer Untersuchung des AstraZeneca-Impfstoffs auch an, ob nur einzelne Chargen problematisch sind. Das sei Teil der Prüfung, so Cooke. Sie sagte, dass eine Situation wie diese nicht unerwartet sei. Wenn man Millionen Menschen impfe, sei es unausweichlich, dass man seltene oder ernsthafte Vorkommnisse von Erkrankungen habe, die nach der Impfung auftreten. Die EMA prüfe nun, ob das tatsächlich eine Nebenwirkung sei oder Zufall.

Sie zeigte sich allerdings besorgt, dass das Vertrauen in die Impfstoffe abnehme. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berät am Dienstag. Ob es einen Zusammenhang zwischen beobachteten Todesfällen und dem Impfstoff gibt, ist noch unklar – mehr dazu in science.ORF.at.

Weitere Länder setzen Impfungen aus

Zuvor setzten mehr und mehr Länder die Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca aus. So hatten am Montag unter anderem Deutschland, Frankreich und Italien die Impfung vorerst gestoppt, nachdem es Berichte über Fälle von sehr seltenen Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegeben hatte. Am Dienstag folgten Zypern, Luxemburg, Schweden, Litauen und Lettland.

In Österreich wird der Impfstoff hingegen weiter verimpft, die Verwendung einer bestimmten Charge wurde wie zuvor auch in Italien gestoppt. Weitere Länder mit Impfstopp sind etwa Spanien, Portugal, Irland, Bulgarien, Dänemark, Norwegen und die Niederlande.

Italien sieht politische Entscheidung

Das Pharmaunternehmen AstraZeneca wollte in einer Aussendung am Montagnachmittag vor dem Hintergrund der jüngsten Berichte im Zusammenhang mit thrombotischen Ereignissen deutlich machen, „dass der Covid-19-Impfstoff gemäß eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen sicher ist“. „Die Sicherheit ist von höchster Bedeutung, und das Unternehmen überwacht kontinuierlich die Sicherheit seines Impfstoffes“, hieß es.

Auch die italienische Arzneimittelaufsicht AIFA stufte den Impfstoff als sicher ein. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko sei „weitgehend positiv“, sagte AIFA-Direktor Nicola Magrini der Zeitung „La Repubblica“. Die Entscheidung mehrerer Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien, das Impfen mit dem Vakzin auszusetzen, sei politisch gewesen. Die AIFA werde zwei, drei Tage benötigen, um alle erforderlichen Daten zu sammeln. Sobald alle Zweifel ausgeräumt seien, „können wir schneller weitermachen als zuvor“.

In Italien laufen allerdings Ermittlungen zu Todesfällen in zeitlicher Nähe zu CoV-Impfungen auf Hochtouren. Die italienische Justiz ermittelt nach mindestens sechs Todesfällen, die mit einer AstraZeneca-Impfung zusammenhängen könnten.

Österreich impft weiter mit AstraZeneca

Österreich wird weiter mit dem Vakzin von AstraZeneca impfen. Eine entsprechende vorläufige Empfehlung sprach am Montagabend das Nationale Impfgremium aus. Allerdings wurde auch klargestellt, dass noch Daten fehlten. Daher könne man keine „abschließende Empfehlung“ abgeben, hieß es in einer Aussendung des Gremiums, das nach dem Impfstopp mehrerer EU-Staaten getagt hatte.

Die bis jetzt eingelangten Meldungen vermuteter Nebenwirkungen diverser europäischer Länder seien derzeit noch inkomplett und schwer vergleichbar, sodass sich keine zusammenfassende Aussage oder eindeutigen Schlüsse tätigen ließen, schrieb das Gremium. Das Impfgremium wollte nach Vorlage eines für Dienstag erwarteten EMA-Berichts auch wieder debattieren. Bei der Pressekonferenz der EMA am Dienstagnachmittag wurde der Bericht allerdings nicht vorgelegt.

Impfexpertin zur Entscheidung des Nationalen Impfgremiums

Das Nationale Impfgremium empfiehlt wie der Gesundheitsminister, auf die Entscheidung der EMA zu warten. Dazu im Studio: Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium.

Stand Montagabend sah die Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium, Maria Paulke-Korinek, keinen Grund, die anstehenden Impfungen abzusagen. Für sie hat der Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Freilich schränkte die Spitzenbeamtin in der ZIB2 ein, dass man im Nationalen Impfgremium nur die österreichischen Daten zur Verfügung habe. Die EMA sammle und evaluiere alle europäischen Daten. Daher sei es „wirklich notwendig“, auf diese Informationen zu warten.

Anschober will „gesamteuropäisches“ Vorgehen

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sah am Dienstag bei einer Pressekonferenz die Lösung weiterhin auf „gesamteuropäischer Ebene“. Anschober sah seine Rolle nicht in jener als „Impfwissenschaftler“, sondern als Politiker, der Empfehlungen der jeweiligen Experten umsetzt. Im Fall von AstraZeneca sei dies das österreichische Impfgremium, dessen Fachwissen er „zu hundert Prozent“ vertraue.

Entscheidend ist aber Anschober zufolge die Bewertung von AstraZeneca durch die EMA. Von der EU-Behörde stamme die Prüfung der Marktzulassung und bei ihr liefen auch alle Informationen über Nebenwirkungen zusammen. Insgesamt wurden bisher EU-weit rund 6,9 Millionen Menschen mit AstraZeneca geimpft, in Österreich waren es etwa 220.000. Diese Zahlen müsse man dem Minister zufolge „in Relation mit den Nebenwirkungen“ sehen.

Kurz stützt Entscheidung des Impfgremiums

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stellte sich hinter die Entscheidung des Impfgremiums. „Wir vertrauen hier auf unsere Expertinnen und Experten, die hier eine klare Entscheidung getroffen haben, alle zugelassenen Impfstoffe auch weiterhin zu verwenden“, sagte Kurz am Dienstag in einer Pressekonferenz in Wien. Ähnlich wie Anschober drängte er auf eine europäische Lösung.

FPÖ-Chef Norbert Hofer forderte unterdessen erneut den „sofortigen Stopp“ der AstraZeneca-Impfungen. Nach den „immer häufiger auftretenden Komplikationen“ müsse Österreich nachziehen.