Herbert Kickl vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Kickl im „Ibiza“-Ausschuss

„Problembär“, „Schock“ und „Retourkutsche“

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ist dem „Ibiza“-U-Ausschuss am Mittwoch Rede und Antwort gestanden. Geladen wurde Kickl von der ÖVP, er ortete darin eine „Retourkutsche“. Wortreich berichtete er über seine Eindrücke von der gemeinsamen Amtsperiode – im Fokus der Befragungen standen zudem FPÖ-nahe Vereine, das „Ibiza-Video“ und seine Rolle als „Problembär“ in der Koalition.

Zur Aussage von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache („Novomatic zahlt alle“) sagte Kickl, dass es sich wohl um „alle anderen“ handeln müsse, weil der FPÖ nichts gezahlt worden sei. Mit der Übernahme durch den nunmehrigen Parteichef Norbert Hofer seien die FPÖ-nahen Vereine von einem Wirtschaftsprüfer überprüft worden, das habe ergeben, dass es „keine finanziellen Zuwendungen“ gegeben habe, so Kickl.

Auf Fragen der ÖVP berichtete Kickl von „Reibungspunkten“ mit Strache. Es habe Dinge gegeben, da sei man immer anderer Meinung gewesen, etwa habe er nie die Russland-Nähe Straches verstanden. Auch dessen Ibiza-Aufenthalte seien ein solcher „Reibungspunkt“ gewesen, das habe „nicht zur Partei der kleinen Leute gepasst“. Er sei wohl der „schärfste Kritiker“ Straches gewesen, der letztlich für „Protzerei und Prahlerei den Preis bezahlt“ habe, so Kickl.

Harscher Umgang zwischen Ex-Koalitionären

Zwischen der ÖVP und Kickl ging es im Ausschuss harscher zu: Auf die Frage von ÖVP-Mandatar Christian Stocker, ob er Konstruktionen für Spenden am Rechnungshof vorbei kenne, sagte Kickl: „Ja, Spenden-Schreddern.“ Er spielte damit auf die Stückelung von Spenden an, sodass sie nicht dem Rechnungshof gemeldet werden müssen – freilich nicht ohne die Erwähnung einer prominenten ÖVP-Spenderin und die Praxis, aufgrund der Meldeschwelle in Tranchen zu spenden.

Herbert Kickl vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Kickls Befragung verlief seinerseits äußerst wortreich

Kickl hielt zudem fest, dass ein FPÖ-Generalsekretär (der er zur Zeit der Videoaufnahme war) nicht mit dem finanziellen Gebaren der Partei zu tun gehabt habe. Er verwies auf die öffentliche Einsehbarkeit der Spendenlisten der FPÖ – seinem Wissen zufolge hätten die Spenden 2017 null Euro betragen. Stocker wollte wissen, ob die ÖVP-FPÖ-„Sechserrunde“ Personalia besprach – ja, was die Notenbank (OeNB) betreffe. Da stellte die FPÖ dann den Gouverneur (Robert Holzmann), die ÖVP den Präsidenten (Harald Mahrer).

Kickl: Nichts mit Vereinen am Hut

Gefragt nach dem FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ sagte Kickl, dass die Idee zur Gründung 2015 entstanden sei, er sei bei den Anfangsgesprächen dabei gewesen – danach habe er nichts mehr mit dem Verein zu tun gehabt und keine Wahrnehmungen dazu. Der Verein hätte ein bürgerlicher „Thinktank“ werden sollen, so Kickl. Dass dieser Verein Spenden annahm, habe er nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ aus den Medien erfahren.

Er selbst habe nur in einem einzigen Verein ein Mandat, nämlich im Freiheitlichen Bildungsinstitut, führte er auf NEOS-Nachfragen zu einer Mail zu „Austria in Motion“ aus, in der sich Kickl in CC befinde. Eine mögliche Erklärung sei, dass Strache per Mail praktisch nicht erreichbar gewesen sei – deswegen sei womöglich er, Kickl, in den Verteiler aufgenommen worden. Eine Zuwendung an die Partei habe es ohnehin zu keiner Zeit gegeben, so Kickl, der wiederum auf die Wirtschaftsprüfung der Vereine verwies.

Von Video in „Schockzustand“ versetzt

Vom „Ibiza-Video“ selbst habe er am Tag der Veröffentlichung erfahren, so Kickl. Mit Fragen von Medien sei er am Tag davor konfrontiert worden, da sei zu einem Strache-Aufenthalt in Ibiza gefragt worden, ohne Kontext. Beim „Ibiza-Video“ habe er einen „Schockzustand“ gehabt, die Bilder seien „erdrückend“ gewesen, so der FPÖ-Klubchef. Hätte er von dem Video bereits zur Zeit der Regierungsbildung gewusst, hätte er von ebendieser „abgeraten“, so Kickl.

Herbert Kickl vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Kickl bei der Ankunft vor dem U-Ausschuss-Lokal

Knopfkamera im Hotel

Generell stelle sich die Frage, ob es „anderes erpresserisches Material“ gegen andere Mitglieder der Regierung gebe, so Kickl. Für Verblüffung sorgte Kickl bei den Abgeordneten mit der Schilderung eines Vorfalls in Tirol in seiner Zeit als Innenminister. Bei einem Sportevent, das er als zuständiger Ressortchef besucht hatte, war er in Galtür in einem Hotel untergebracht. Bei der seinem Zimmer gegenüberliegenden Tür sei ihm dann eine kleine Knopfkamera aufgefallen.

Wie sich herausstellte, war diese vom Tiroler Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) installiert worden. Nach seiner Rückkehr habe er den damaligen Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, beauftragt, das zu hinterfragen. Die Antwort aus Tirol sei gewesen, dass das üblich sei, die Videos aber ohnedies unmittelbar danach gelöscht würden.

„Ich bin ja kein Wanderpokal“

Vor dem Ende der Koalition sei es darum gegangen, rund um das „Ibiza-Video“ alles unter Kontrolle der Volkspartei zu halten, so Kickl sinngemäß. Der Kanzler sei sehr gelassen gewesen, „mich hätte es auf den Sitzer g’haut“, so Kickl. Er erzählte vom Plan, die Koalition fortzusetzen, indem Strache zurücktritt und Hofer als Vizekanzler folgt. Die ÖVP-Forderung, er müsse als Innenminister zurücktreten, sei dann „plötzlich gekommen“.

Man habe ihm, Kickl, angeboten, er solle doch Sozialminister werden, das habe er abgelehnt („Ich bin ja kein Wanderpokal“). Kickl beschrieb einen Druckaufbau der ÖVP in diese Richtung und „Erpressungsanrufe“ bei Hofer. Auf einem Pizzakarton habe man bei der FPÖ die Uhrzeiten der Anrufe notiert, „als zeitgeschichtliches Dokument“, so Kickl. In der Folge habe er sich dann zum Rücktritt bereit erklärt: „Das macht man mit mir nicht. Wenn die Zeit vorbei ist, ist sie vorbei.“

Sidlo? – „Kenne ich bis heute nicht“

Auch über Postenbesetzungen wurde er im Ausschuss befragt: Peter Sidlo – der ehemalige FPÖ-Bezirksrat war ja vorübergehend in den Vorstand der Casinos Austria bestellt worden – habe er nicht gekannt und kenne ihn bis heute nicht. Er, Kickl, sei in keiner fixen Chatgruppe gewesen, vielleicht habe er einzelne SMS dazu bekommen, dann habe er sich gefragt: „Was soll ich damit?“ Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus kenne er ebenfalls weniger, als manche glauben würden.

„Als Problembär empfunden“

Überhaupt konnte sich Kickl seine Ladung nicht erklären – „es schaut so aus, als ob man nicht gewusst habe, dass ich Innenminister war“, der nichts mit Koordinierung zu tun gehabt habe, so Kickl. Er sei sehr beschäftigt gewesen im Innenressort, mit den Ausschussthemen habe er nichts zu tun gehabt. Er mutmaßte, dass es sich um eine „Retourkutsche der ÖVP“ handeln könnte. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker gab Kickl die Gelegenheit, die Koalitionsverhandlungen und Zeit der Regierung, in der er sich zunehmend „als Problembär“ empfunden habe, aufzuarbeiten.

Glücksspiel als „Restlverwertung“

Recht ausführlich erzählte Kickl von den Regierungsverhandlungen, die die ÖVP rasch habe zu Ende bringen wollen. Glücksspiel sei damals kein Thema gewesen, vielmehr sei es „Restlverwertung“ gewesen, dass es zu Herbert Fuchs (FPÖ) als Staatssekretär gewandert sei. In Sachen Budget sei aufseiten der ÖVP der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, federführend gewesen, für die FPÖ Arnold Schiefer.

Die Verhandlungen seien fast gescheitert, so Kickl, weil die ÖVP gefordert habe, dass es im Innenressort keine Personalveränderungen geben dürfe. Grundsätzlich sei die ÖVP in den Verhandlungen sehr arbeitgeberfreundlich gewesen – Stichwort Zwölfstundentag –, die Ressortaufteilung sei aber erst zum Schluss ein Thema gewesen, so Kickl.

Aufpasserin und „Restaußenministerium“

Nicht so stark sei das Interesse der FPÖ am Gesundheitsministerium gewesen, das sei dem Sozialministerium zugeschlagen worden, weil die ÖVP nicht zu viele Ressorts wollte, gab Kickl an. Karoline Edtstadler (ÖVP) sei seine Aufpasserin gewesen, sie sei für den Themenbereich Korruption zuständig gewesen. Die von der FPÖ nominierte Karin Kneissl habe auch nur ein „Restaußenministerium“ erhalten, nachdem die Europaagenden herausgelöst worden seien.

Deals abseits des Regierungsprogramms?

Die Grünen fragten zu „Vereinbarungen“ mit der ÖVP. Die Steuerungsgruppe habe sich „mit den großen Themen“ befasst, ein großes Thema sei für die FPÖ etwa die „Abschaffung“ der GIS-Gebühr gewesen – das sei aber nicht im Regierungsprogramm gestanden, weil die ÖVP bei dem Thema eher zögerlich gewesen sei. Die FPÖ habe die Abschaffung verlangt, ohne Kompensation durch neue Steuern, erklärte Kickl.

Geplant sei auch eine Enquete zur Zukunft des ORF gewesen, weitere Details seien in der Mediengruppe besprochen worden. Es habe da aber „Unstimmigkeiten“ gegeben, die ÖVP habe das schließlich „auf die lange Bank schieben wollen“. Zum in einem der Kurz-Strache-Chats angesprochenen „Sideletter“ zur ORF-Reform sagte Kickl, er würde das als „einen Anhang, einen Beilagenapparat zu Regierungsverhandlungen“ bezeichnen.

Was in diesem Zusammenhang „jeden Einzelnen von uns“ gefährden hätte können, wie es in einer Chatnachricht heißt, müsse man Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fragen, der das geschrieben habe, so Kickl auf Fragen der SPÖ. Was sich hinter dem vermuteten Angstszenario verbergen könnte, vermochte Kickl nicht anzugeben.