Symbolbild zu Europäischem Impfpass
picturedesk.com/Frank Hoermann
Mit Impfung und Tests

EU will „Grünen Pass“ am 1. Juni einführen

Der Wunsch nach Reisen im Sommer ist groß. Die EU will das mit einem digitalen europäischen Impfausweis, dem „Digitalen Grünen Nachweis“, erleichtern. Geht es nach dem Wunsch der EU-Kommission, soll der Ausweis bis 1. Juni fertig sein. Das ist allerdings ein optimistischer Zeitplan. Österreich will zudem schon im April mit der Umsetzung beginnen.

Angelehnt ist der geplante EU-Ausweis an den „Grünen Pass“ für Geimpfte und Genesene in Israel. Nur mit diesem digitalen Pass darf man etwa in Lokalen in Innenräumen sitzen. Die EU will aber nicht nur Impfungen dokumentieren, sondern auch die Ergebnisse von zugelassenen PCR- und Schnelltests sowie überstandene CoV-Infektionen.

„Mit diesem digitalen Zertifikat wollen wir unseren Mitgliedsstaaten helfen, verantwortungsvoll und sicher die Freizügigkeit wiederherzustellen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch bei der Vorstellung des Plans in Brüssel. Alle 27 EU-Staaten sollten diese Bescheinigung gegenseitig anerkennen. Zudem schlage die Kommission gemeinsame Schritte für eine sichere und dauerhafte Öffnung nach den Lockdowns in der EU vor. Der „Grüne Pass“ soll beim EU-Gipfel in der kommenden Woche diskutiert werden.

Keine persönlichen Daten auf Plattform

Die EU-Kommission will eine technische Plattform entwickeln, damit die Zertifikate in allen EU-Staaten überprüft und anerkannt werden können. Auf dieser Plattform sollen aber keine persönlichen Daten hinterlegt oder ausgetauscht werden, wie die Behörde weiter mitteilte.

„Wir holen uns unsere europäische Lebensweise zurück“, zeigte sich EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas schon vor der offiziellen Vorstellung gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) von dem Projekt überzeugt. Das müsse aber sicher erfolgen. Der Ausweis soll laut EU-Kommission in Papierform und digital ausgestellt werden und auf Mobilgeräten vorgezeigt werden können. Ein QR-Code und eine digitale Signatur sollen die Echtheit der Dokumente garantieren. Diese sollen in der jeweiligen Landessprache und auf Englisch ausgestellt werden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Reuters/Johanna Geron
Kommissionspräsidentin von der Leyen präsentierte die Pläne für den „Grünen Pass“

Pass statt Quarantäne

Durch die Aufnahme von Testergebnissen und von Immunisierungen will die EU Diskriminierungen vermeiden, sollte jemand noch keine Impfung erhalten haben. Mit dem Zertifikat solle jedenfalls die Bewegungsfreiheit wieder ermöglicht und die Folgen der Restriktionen der Mitgliedsstaaten gemildert werden, sagte Justizkommissar Didier Reynders. Im Entwurf wird zudem betont, dass das Zertifikat keine „Voraussetzung für die Ausübung der Freizügigkeit sein“ solle.

Im Prinzip sollen EU-Staaten selbst entscheiden, welche Vorteile beim Reisen mit dem Zertifikat gewährt werden. Mit dem Pass könnten etwa Länder auf bestehende Test- und Quarantänepflichten verzichten. Wenn aber bei Bürgern mit Zertifikat dennoch weiter Quarantäne und Tests verlangt werden, müsse das der EU-Kommission und den anderen EU-Staaten angezeigt und erklärt werden. Bei einer Vereinheitlichung hätte eine Blockade durch die Mitgliedsstaaten gedroht, sagte Reynders.

Kein Konsens in EU-27

Denn es gibt keinen Konsens in den EU-Staaten, welche Freiheiten mit dem Pass ermöglicht werden sollen. Österreich und andere stark vom Tourismus abhängige Länder wie Griechenland und Spanien drängen darauf, Reiseerleichterungen damit zu verbinden. Deutschland und Frankreich hatten sich gegen Erleichterungen für Geimpfte ausgesprochen, solange noch wenige Menschen Chancen auf die schützende Impfung haben.

Bisher sind laut Zahlen des European Centre for Disease Prevention and Control weniger als fünf Prozent der EU-Bürger und -Bürgerinnen vollimmunisiert. Die EU hofft, diese Zahl bis Ende des Sommers auf 70 Prozent zu erhöhen.

Ein heikler Aspekt sind auch Impfstoffe aus China und Russland, die bisher nicht von der Europäischen Arzneimittelbehörde(EMA) zugelassen wurden, aber etwa in Ungarn eingesetzt werden. Die Kommission schlägt hier vor, dass Vakzine ohne EMA-Zulassung akzeptiert werden können, aber nicht müssen.

Offene Fragen

Die Kommission will nun eine EU-Verordnung vorschlagen – ein direkt anzuwendendes EU-Gesetz, das die nationalen Behörden verpflichten würde, ihren Bürgern und Bürgerinnen dieses Dokument auf Anfrage auszustellen. Skeptisch sind einige EU-Staaten nach Angaben von Diplomaten auch gegenüber dem Ansatz der Kommission, einen gesetzlichen Rahmen auf EU-Ebene zu beschließen – unter anderem, weil das lange dauern könnte.

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder erwartet etwa beim Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten schwierige Verhandlungen. Zudem sei der Zeitplan angesichts der Lieferverzögerungen und Unsicherheiten mit AstraZeneca „fast absurd“: „Bevor nicht alle Menschen die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen, darf es keine Vorteile für Geimpfte geben.“ NEOS-EU-Politikerin Claudia Gamon bezeichnete das gemeinsame europäische Vorgehen als „sinnvoll“. Wenn jeder Staat seine eigenen Nachweise mache, sei das Chaos in der Urlaubssaison programmiert.

Laut Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) soll es keine zentralisierte Datenbank auf EU-Ebene geben. Daten würden aus nationalen Datenbanken gelesen und sonst nirgends gespeichert. Zudem soll der Pass nur die wichtigsten und CoV-relevanten personenbezogenen Daten enthalten wie die Identifizierung der Person, den verwendeten Impfstoff und Ort sowie Datum der Impfung bzw. Testung.

Lange Verfahrensdauer

Schinas verwies auf die Notwendigkeit, EU-weit koordiniert vorzugehen: „Wenn wir das nicht gemeinsam einführen mit einem gesetzlich bindenden Instrument und interoperabel, wird die Privatwirtschaft Lösungen entwickeln und sie uns überstülpen.“ Fest steht aber, dass das Verfahren mehrere Monate dauern wird. Denn die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament müssen jeweils ihre Position festlegen und dann untereinander den letztgültigen Gesetzestext aushandeln. Auch ein beschleunigtes Verfahren könnte Monate dauern.

Die Kommission zeigte sich dennoch optimistisch, das Gesetz bis zum Sommer zu verabschieden. Hätte sich die Kommission statt für eine bindende Verordnung für eine unverbindliche Empfehlung entschieden, hätte sie sich den langwierigen Prozess ersparen können. Justizkommissar Reynders argumentierte die Entscheidung der EU-Kommission für den bindenden Weg mit der oft mangelnden Bereitschaft der Mitgliedsstaaten, die EU-Empfehlungen umzusetzen.

„Schrittweise“ Umsetzung in Österreich ab April

Österreich will eine noch schnellere Umsetzung und nicht auf die EU warten. Darauf habe man sich im Ministerrat verständigt, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch. Er sieht dabei aber auch eine „Vorarbeit für die europäische Gesamtumsetzung“. Mitte April soll die operative Umsetzung in Österreich beginnen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will am Donnerstag dem Gesundheitsausschuss einen Vorschlag unterbreiten. Es gehe vor allem um Rechtsfragen und die technische Umsetzung.

„Grüner Impfpass“ in Österreich ab April

De EU-Kommission stellte ihr Konzept für einen „Grünen Impfpass“ ab dem Sommer vor, in dem neben Impfungen auch überstandene Infektionen und Tests vermerkt werden sollen. In Österreich soll der „Grüne Pass“ im April starten.

Österreich will den Pass in mehreren Stufen starten. Mitte April soll der digitale Pass für jeden, der getestet ist, eingeführt werden, präzisierte Kurz nach dem Ministerrat. Dadurch sollen die bisherigen Testnachweise auf Papier auf elektronische Nachweise per QR-Code umgestellt werden. Damit werde die Kontrolle bei Eintrittstests etwa für körpernahe Dienstleistungen und für andere Branchen nach weiteren Öffnungen erleichtert. Erst danach sollen – wie auf EU-Ebene geplant – „schrittweise auch Genesene und im Idealfall Geimpfte ergänzt werden“, so Kurz. Die FPÖ sieht in dem „Grünen Pass“ den „Einstieg für den Entzug der Grundrechte“.