Schwangere Frau sitzt am Boden im Wohnzimmer und liest ein Buch
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CoV-Impfung

„An die Schwangeren denkt niemand“

Die derzeit in Österreich verfügbaren Coronavirus-Impfstoffe werden grundsätzlich nicht für schwangere Frauen empfohlen. Der Grund ist schnell erklärt: Es gibt so gut wie keine klinischen Tests mit Schwangeren und Stillenden und somit auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für diese Personengruppe. Doch könnten gerade werdende Mütter von einer Impfung sehr profitieren, meinen Expertinnen und Experten.

Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) bestätigt in einer öffentlichen Stellungnahme Anfang des Jahres, „dass eine Infektion in der Schwangerschaft häufiger als bei nicht schwangeren Frauen schwere Verläufe zeigt“. Die Notwendigkeit einer stationären Behandlung sei bei ungefähr 15 Prozent der schwer an CoV erkrankten Schwangeren gegeben, eine intensivmedizinische Behandlung bei 5,7 Prozent der Erkrankten. Das Risiko einer Frühgeburt liegt bei an CoV-erkrankten Schwangeren der OEGGG zufolge bei 17 Prozent.

„An die schwangeren Frauen denkt niemand“, beklagt Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gender-Medizin an der MedUni Wien, die Situation für werdende Mütter in der Coronavirus-Krise. Sie betont gegenüber ORF.at, dass der Mangel an klinischen Tests an Schwangeren und Stillenden keineswegs bedeutet, sie seien durch eine Impfung gefährdet. Das Gegenteil könnte sogar der Fall sein.

Frau sitzt in einer Apotheke und bekommt nach einer Impfung ein Pflaster auf den Oberarm
Reuters/Hannah Beier
In den USA werden Schwangere teilweise bereits mit Biontech/Pfizer geimpft

„Schwangere mit Covid-19 haben ein deutlich höheres Risiko für Schwangerschaftskomplikationen – bis hin zu einer höheren Sterblichkeit von Mutter und Kind“, so Kautzky-Willer weiter. „Insofern wäre es wichtig, diese Frauen zu impfen.“ Sie fügt hinzu: „Idealerweise würde natürlich vor einer Schwangerschaft geimpft werden.“ Doch sei die Verunsicherung oftmals groß. Das beginne schon damit, dass viele nicht wüssten, wie sie wegen des Coronavirus mit ihrem Kinderwunsch umgehen sollen, so die Gender-Medizinerin. „Junge Frauen werden ja womöglich noch länger nicht (zur Impfung, Anm.) drankommen“, meint die Expertin.

Derzeit kein Babyboom

Der angekündigte Babyboom, den einige wegen der CoV-Lockdowns heraufbeschworen hatten, scheint übrigens derzeit nicht einzutreten. Erste Indikatoren deuten sogar darauf hin, dass die Geburtenrate in Österreich zum Jahreswechsel leicht gedämpft war. Allerdings unterliegen Geburtenzahlen größeren Schwankungen, sodass man erst später Rückschlüsse von der Pandemie auf die Fortpflanzungsfreudigkeit der Österreicherinnen und Österreicher wird ziehen können.

ORF.at hat mit zwei schwangeren Frauen gesprochen. Die Überlegung, ob der Zeitpunkt der richtige sei, während der Coronavirus-Krise ein Kind zu kriegen, sei bei ihnen durchaus da gewesen, so die Frauen unisono. „Vor allem, weil die Situation gerade am Anfang so schlimm war. Die Väter durften ja gar nicht in den Kreißsaal. Weil das mein erstes Kind war, hatte ich schon Angst, ob die Situation nicht vielleicht wieder so wird“, so eine 32-jährige Jungmutter zu ORF.at. Eine 33-Jährige, die bereits ihr zweites Kind erwartet, sorgte sich darüber weniger: „Es muss eh die Mutter das Kind auf die Welt bringen.“ Die Sorge sei bei ihr eher jene gewesen, sich vor der Geburt anzustecken.

Vorerkrankung kann für Impfung sprechen

Das Gesundheitsministerium äußert sich auf seiner Website dahingehend, dass „nur begrenzte Erfahrungen“ bei der CoV-Impfung von Schwangeren zur Verfügung stehen würden. Jedoch: „Die Verabreichung von mRNA-Impfstoffen in der Schwangerschaft sollte in Betracht gezogen werden, wenn der potenzielle Nutzen die möglichen Risiken für Mutter und Fötus überwiegt.“ Bedeutet: Schwangere und auch Stillende müssen die Situation für sich bzw. mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin selbst bewerten.

Auch die OEGGG bestätigt, dass eine Impfung während der Schwangerschaft dann sinnvoll sein könnte, wenn das persönliche Risikoprofil der Frau auch abgesehen von der Schwangerschaft hoch sei. Als Beispiele für Erkrankungen nennt die Gesellschaft etwa arterielle Hypertonie, Adipositas, Diabetes Mellitus Typ eins und Typ zwei, schwere Asthma- und Atemwegserkrankungen, chronische Autoimmunerkrankungen sowie schwere kardiovaskuläre Erkrankungen. Ein Angebot für eine Impfung haben die von ORF.at interviewten Frauen trotz Voranmeldung in Niederösterreich und Wien von den Behörden keine bekommen. Sie leiden unter keinen der genannten Erkrankungen.

Wer sich jedoch sehr wohl impfen lassen sollte, so empfiehlt es die OEGGG und so sieht es auch der Impfplan der Regierung vor, sind Menschen, die im selben Haushalt mit einer Schwangeren leben, um das Ansteckungsrisiko der werdenden Mutter zu minimieren. Entsprechende Möglichkeiten werden von den meisten Landesregierungen per Mail verschickt, sofern man sich für eine Impfung vorangemeldet hat. Je nach Blickwinkel werden Schwangere also durchaus zur Risikogruppe in der Pandemie gezählt.

Empfehlung für Frauen mit Kinderwunsch und Stillende

Die OEGGG betont, dass es keinen Hinweis gebe, „dass die mRNACOVID-19 Impfung eine negative Auswirkung auf die weibliche Fertilität haben könnte“. Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek sagte dazu kürzlich im NDR-Podcast, etwaige „Fehlinformationskampagnen“ in diese Richtung würden das Vertrauen in die Impfstoffe untergraben. Unfruchtbarkeit wegen einer CoV-Impfung ergebe biologisch keinen Sinn, so Ciesek, die sich weiters für eine Impfung von Schwangeren ausspricht. „Die Erkrankung ist prinzipiell gefährlicher für Schwangere als die Impfung.“

Eine Impfung bei einer nicht bekannten Schwangerschaft stelle außerdem keinen Grund für einen Schwangerschaftsabbruch dar, heißt es von der OEGGG. In den Studien der Impfstoffentwicklung befanden sich laut OEGGG auch Frauen, die unwissentlich schwanger waren oder kurz nach der Impfung schwanger wurden. Es seien keine negativen Auswirkungen bei den Müttern und Kindern bekannt.

Die Gesellschaft empfiehlt überdies ausdrücklich eine CoV-Impfung für Frauen mit Kinderwunsch. „Es wird derzeit vorsichtshalber empfohlen, die Impfung ca. einen Monat vor einer geplanten Schwangerschaft durchführen zu lassen (zweite Dosis sollte zu diesem Zeitpunkt verabreicht worden sein)“, heißt es in der Stellungnahme. Weiters „soll und kann (eine mRNA-Impfung, Anm.) stillenden Frauen empfohlen werden und stellt keinen Grund dar, die Stillzeit vorzeitig zu beenden“, so die OEGGG. „Durch die Impfung gebildete Antikörper gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2, welche durch die Muttermilch auf das Neugeborene übertragen werden, sind als potenziell schützend anzusehen.“

Biontech/Pfizer untersucht Wirkung bei Schwangeren

Unterdessen startete das Pharmaunternehmen Pfizer und sein Partner Biontech im Februar eine klinische Studie, um ihren Impfstoff bei Schwangeren zu testen. Dabei werden rund 4.000 schwangere Frauen unter anderem in den USA, Großbritannien, Spanien, Brasilien und Südafrika geimpft. Erste Teilnehmerinnen seien in den USA bereits geimpft worden.

Es sei an der Zeit, „den nächsten Schritt zu gehen und unser klinisches Programm auf weitere gefährdete Bevölkerungsgruppen wie schwangere Frauen zu erweitern“, sagte Biontech-Mitgründerin Özlem Türeci. „Schwangere Frauen haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen und einen schweren Covid-19-Verlauf“, erklärte William Gruber, Vizeentwicklungsleiter bei Pfizer. „Es ist daher sehr wichtig, dass wir einen sicheren und effektiven Covid-19-Impfstoff für diese Bevölkerungsgruppe entwickeln.“ Die Studie soll auch die Sicherheit der Kinder der schwangeren Frauen untersuchen sowie die Übertragung potenziell schützender Antikörper auf den Nachwuchs.

Einer Studie aus Israel zufolge könnte eine Impfung von Schwangeren jedenfalls auch ein Schutz für Neugeborene sein. Die in israelischen Medien verbreitete Untersuchung des Hadassah-University Medical Center von Anfang Februar umfasste 20 Schwangere, die im dritten Trimester das Vakzin von Biontech/Pfizer erhalten hätten. Bei ihnen und ihren Neugeborenen seien später Antikörper festgestellt worden. Die Studie wurde noch nicht für eine Veröffentlichung in der Fachpresse geprüft. Die Autorinnen und Autoren selbst verwiesen auf die kleine Fallzahl, die weitere Forschung erforderlich mache.