Russische Botschaft in Washington
Reuters/Joshua Roberts
Bidens „Mörder“-Interview

Russland warnt vor Kollaps der Beziehungen

Dem Verhältnis zwischen den USA und Russland droht eine drastische Verschlechterung. Hintergrund ist ein Interview des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Er hatte in einem am Mittwoch ausgestrahlten Gespräch die Frage bejaht, ob er den russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen Mörder halte. Die russische Botschaft in Washington drohte nun mit einem Kollaps der Beziehungen. Putin selbst wünschte Biden „Gesundheit“.

„Was die Äußerungen meines amerikanischen Kollegen angeht, so sind wir wirklich, wie er sagte, persönlich miteinander bekannt: Was ich ihm antworten würde? Ich würde ihm sagen: Bleiben Sie gesund! Ich wünsche ihm Gesundheit“, sagte Putin am Donnerstag. Seine Wünsche für Biden seien „ohne Ironie und ohne Scherz“, so Putin bei einer Videokonferenz mit Bürgerinnen und Bürgern auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim anlässlich des siebenten Jahrestages der Einverleibung durch Russland.

Deutlicher wurden andere russische Funktionsträger. „Gewisse unüberlegte Erklärungen hochrangiger US-Beamter haben die bereits übermäßig konfrontativen Beziehungen an den Rand des Zusammenbruchs gebracht“, so die Botschaft. Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, werde am Samstag zu Konsultationen nach Moskau zurückkehren. Der letzte Rückruf eines russischen Botschafters aus Washington liegt mehr als 20 Jahre zurück.

Während seines Aufenthalts in Russland solle darüber beraten werden, wie „die Beziehungen zwischen Russland und den USA, die sich in einer Krise befinden, verbessert werden können“. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte Bidens Äußerungen am Donnerstag „sehr schlimm“. Es sei „eindeutig“, dass Biden „die Beziehungen zu unserem Land nicht zurück auf Kurs bringen“ wolle. „Wir werden von hier aus weitermachen.“ Das russische Parlament forderte eine Entschuldigung.

Biden: Putin wird „einen Preis bezahlen“

In einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview mit dem Sender ABC News war Biden gefragt worden, ob er Putin für einen „Mörder“ (im Original: „killer“) halte. Der US-Präsident sagte daraufhin: „Das tue ich.“ Biden selbst nahm das Wort „killer“ nicht in den Mund und machte auch nicht deutlich, worauf er sich mit seiner zustimmenden Äußerung konkret bezog.

Wladimir Putin und Joe Biden 2011
Reuters/Alexander Natruskin
„Ich kenne Sie, und Sie kennen mich“: Biden und Putin 2011. Putin war Premier, Biden Vizepräsident.

Mit Blick auf mutmaßliche Versuche Russlands, Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr zu nehmen, sagte Biden, Putin werde dafür „einen Preis bezahlen“. In einem Telefonat Ende Jänner habe er Putin mit Blick auf eine mögliche Einmischung Moskaus bereits gesagt: „Ich kenne Sie, und Sie kennen mich. Wenn ich feststelle, dass das geschehen ist, dann seien Sie vorbereitet.“

Bericht sieht Wahleinmischung Russlands

Nach Ansicht der US-Geheimdienste hatte sich Russland bei der Wahl im November für den damaligen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzt und sich bemüht, Biden zu schaden. Moskau habe den Ausgang der Wahl beeinflussen und Unfrieden im Land säen wollen, hieß es in einem neuen Bericht. Moskau habe „die öffentliche Wahrnehmung der Kandidaten in den USA beeinflussen“ wollen.

Russland soll US-Wahl beeinflusst haben

Russland habe versucht, die Präsidentschaftswahl in den USA im November 2020 zu beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der US-Geheimdienste.

Langfristiges Ziel sei es, „das Vertrauen in das US-Wahlsystem zu untergraben und die gesellschaftliche Spaltung der Menschen in Amerika zu verstärken“. Putin und seine Regierung hätten die Maßnahmen „genehmigt und durchgeführt“. Russland habe sich dabei auf Desinformation konzentriert.

Verbündete in der Ukraine

Eine der wichtigsten Strategien sei es gewesen, Biden und seiner Familie im Zusammenhang mit der Ukraine Korruption vorzuwerfen. Russlands Agenten hätten dafür auch gezielt Amerikaner angesprochen, die Verbindungen zu Trumps Regierung hatten, um ein Einleiten von Untersuchungen gegen Biden zu fordern. Auch Trump warf Biden und dessen Sohn Hunter mehrfach vor, sich bereichert zu haben.

Joe und Jill Biden mit Kindern Ashley und Hunter Biden
AP/Pool Photo/Saul Loeb
Hunter Biden (r.): Er geriet als Aufsichtsrat eines ukrainischen Konzerns in die Schlagzeilen

Hunter Biden hatte zwischen 2014 und 2019 einen lukrativen Posten im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma. Sein Vater war bis Ende 2016 als Vizepräsident federführend für die US-Politik gegenüber der Ukraine zuständig. Trump wiederum wird vorgeworfen, die Ukraine 2019 unter Druck gesetzt zu haben, um Ermittlungen gegen Biden zu erwirken. Trump habe seinem politischen Rivalen schaden wollen, so Kritiker. Trumps Vorgehen führte zur Einleitung des ersten Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn. Der Senat sprach ihn aber mit der Mehrheit der Republikaner frei.

Der Kreml wies auch die Vorwürfe zur Wahleinmischung am Mittwoch vehement zurück. Der Bericht sei zudem „falsch, absolut unbegründet und haltlos“, sagte Kreml-Sprecher Peskow. Russland habe sich weder in die US-Wahlen 2020 noch in die davor eingemischt.

EU pflichtet Biden bei

Biden bekam am Donnerstagnachmittag Unterstützung von der EU: „Es gibt leider eine lange Liste gescheiterter und erfolgreicher Mordanschläge gegen kritische und unabhängige Persönlichkeiten in Russland, darunter Politiker und Journalisten“, sagte die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Viele Fälle würden nicht untersucht, blieben ungelöst, und die Täter würden nicht zur Rechenschaft gezogen.

In zwei Fällen habe die EU Sanktionen gegen Beteiligte des russischen Militärs, des Geheimdienstes und des Forschungsinstituts für organische Chemie und Technologie verhängt. Zudem hätten russische Behörden illegale Handlungen gegenüber der Ukraine unternommen und spielten in anderen Konflikten eine Rolle. „Sie wissen, dass Wladimir Putin als Präsident der Russischen Föderation letztlich Verantwortung für die russischen Behörden, Politik und Handlungen trägt“, sagte die Sprecherin.