Geschlossene Geschäfte in Griechenland
Reuters/Costas Baltas
Griechische Pläne

Lockerungen inmitten der dritten Welle

In Griechenland sind aktuell die höchsten Coronavirus-Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie zu verzeichnen, das Gesundheitssystem gerät zusehends unter Druck. Paradox mutet vor diesem Hintergrund an, dass die griechische Regierung den geltenden strengen Lockdown schrittweise lockern will.

Hintergrund ist die Vermutung, dass gerade die strengen Maßnahmen zu einem Anstieg der Fälle führen, wie griechische Medien am Donnerstag berichteten. Am Freitag soll deshalb beim wöchentlichen Treffen des Krisenstabs der Regierung über die Abschaffung verschiedener Restriktionen entschieden werden.

In der Kritik steht vor allem die Anweisung, sich nicht weiter als zwei Kilometer vom Wohnort entfernen zu dürfen. „Solche Verbote verschlimmern die Situation, weil sie die Zeit begrenzen, die die Menschen draußen an der frischen Luft verbringen“, sagte Giannis Ioannidis, Epidemiologe an der Universität Stanford, am Donnerstag dem griechischen Fernsehsender Mega. Diese Meinung teilen viele seiner griechischen Kollegen und Kolleginnen: Die Einschränkungen hätten zur Folge, dass die Menschen sich zunehmend privat in Wohnungen träfen und einfache Maßnahmen wie die Abstandsregeln nicht mehr einhielten.

Die Zeitung „Ekathimerini“ (Onlineausgabe) berichtete am Donnerstag, die Regierung in Athen werde vermutlich die nächtliche Ausgangssperre am Wochenende, möglicherweise auch unter der Woche, von derzeit 19.00 auf 21.00 Uhr verkürzen. Auch sollen Friseure und Kosmetiksalons mit Montag wieder öffnen dürfen, zur Ausübung sportlicher Betätigung soll auch das Auto wieder benützt werden dürfen. Bildungsministerin Niki Kerameos erklärte Mitte der Woche zudem, dass es zu den Prioritäten der Regierung gehöre, die Schulen wieder zu öffnen.

„Jeder ist müde“

Die jetzige Kehrtwende hin zu Lockerungen wird von Premier Kyriakos Mitsotakis unterstützt. „Wir müssen ehrlich sein: Jeder ist müde“, sagte er am Dienstagabend dem Sender CNN Greece. „Wir haben die Wirtschaftstätigkeit in den vergangenen vier bis fünf Wochen praktisch verboten, weil wir mit der dritten Welle gerechnet haben, die jetzt im Gange ist.“

Strand in Griechenland
Reuters/Dimitris Rapakousis
Im Mai sollen griechische Strände wieder Urlaubenden offenstehen

Diese Welle wäre ohne Maßnahmen schlimmer ausgefallen, werde aber in den kommenden zwei Wochen abflachen. „Wir müssen klug sein und die Welt wieder aktiv werden lassen, ohne unsere zentrale Strategie im Umgang mit dem Virus zu beeinträchtigen. Das ist das Gleichgewicht, das wir erreichen wollen“, sagte Mitsotakis.

Überlastete Krankenhäuser

Am Mittwoch hatte die griechische Gesundheitsbehörde 3.465 Neuinfektionen binnen 24 Stunden registriert. Die Zahl der zu beatmenden Patienten stieg auf 630. Beide Werte sind die höchsten seit Beginn der Pandemie in Griechenland. Gesundheitsminister Vassilis Kikilias rief Pathologen, Allgemeinmedizinerinnen, Lungenfachleute und Anästhesisten im privaten Sektor auf, ihre Dienste den überlasteten Krankenhäusern des Nationalen Gesundheitssystems zur Verfügung zu stellen.

Die Zeit drängt auch aus wirtschaftlicher Sicht: Griechenland will seine große Tourismusbranche im Mai wieder hochfahren – diese macht etwa ein Fünftel der Wirtschaftsleistung des Landes aus, jeder bzw. jede fünfte Beschäftigte ist in dem Bereich tätig. Von der Entwicklung des Tourismus hängt ab, wie stark sich Griechenland von der Rezession 2020 erholen wird. Das Land hatte sich gerade erst aus der jahrelangen Schuldenkrise befreit, als die Pandemie für einen erneuten Rückschlag sorgte. Die Tourismuseinnahmen gingen im Vorjahr um über 76 Prozent zurück – der größte Einbruch innerhalb der EU.

Lockruf des Fremdenverkehrs

Initiativen zur Ankurbelung des Tourismus sind längst im Gange: Bereits Anfang Februar verständigte sich Griechenland mit Israel darauf, geimpften Bürgern und Bürgerinnen Reisen zwischen den Staaten ohne Auflagen zu gestatten, sobald die Flugbeschränkungen aufgehoben sind. Eine ähnliche Vereinbarung strebt die Regierung in Athen auch mit Großbritannien an. „All you want is Greece“ lautet heuer übrigens der Slogan des Fremdenverkehrs.