Ungarischer Premierminister Victor Orban
APA/AFP/Emmanuel Dunand
Austrittsschreiben

FIDESZ vollzieht Bruch mit EVP

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat mit seiner nationalkonservativen FIDESZ-Partei den Bruch mit der Europäischen Volkspartei (EVP) vollzogen. Das geht aus einem am Donnerstag verbreiteten Schreiben des internationalen FIDESZ-Sekretariats an den Generalsekretär der christdemokratischen Parteienfamilie, den Spanier Antonio Lopez-Isturiz White, hervor.

Wie es in der von der ungarischen Familienministerin und FIDESZ-Vizepräsidentin Katalin Novak auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Erklärung des internationalen FIDESZ-Sekretariats heißt, will die Partei nicht länger Teil des europäischen Verbunds es sein, zu dem auch die ÖVP gehört. Die ungarische EVP-Delegation war mit 13 Abgeordneten die viertgrößte innerhalb der EVP-Fraktion. Mit nun 175 Abgeordneten bleiben die Konservativen stärkste Kraft im EU-Parlament.

Vor zwei Wochen war die FIDESZ bereits aus der EVP-Fraktion im EU-Parlament ausgetreten und war damit einem möglichen Ausschluss zuvorgekommen. Dass Orbans Partei auch mit der EVP als Partei brechen würde, galt seit dem Fraktionsaustritt als Formsache. Novak kommentierte das Schreiben über Twitter mit den Worten: „Es ist Zeit, Tschüss zu sagen.“

EVP-Präsident Donald Tusk reagierte erleichtert, hätte diesen Schritt aber gerne schon viel früher gesehen. Tusk drängt schon lange auf den Rauswurf der FIDESZ, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Er schrieb nun auf Twitter: „FIDESZ hat die Christdemokratie verlassen. In Wahrheit ist sie vor vielen Jahren gegangen.“

Seit Jahren schwelender Streit

Die Beendigung der FIDESZ-Mitgliedschaft in der EVP und in deren Fraktion folgte auf jahrelangen Streit in der Parteienfamilie. Auf Parteiebene war die Mitgliedschaft von FIDESZ in der EVP bereits seit 2019 suspendiert. Schon damals waren mutmaßliche Verstöße Ungarns gegen EU-Grundwerte sowie Verbalattacken von FIDESZ-Politikern gegen den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker dafür ausschlaggebend gewesen.

Orban steht wegen seines Plans einer „illiberalen“ Demokratie in der Kritik. Unter anderem geht es um seine Flüchtlings-, Medien-, Hochschul- und Justizpolitik. Wegen der hier georteten Einschränkung demokratischer Grundrechte in Ungarn fordern einige EVP-Parteien bereits seit Jahren den Rauswurf der FIDESZ-Partei. Gegen Ungarn läuft unter anderem ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge.

„Großes Geschacher rechts der Mitte“

Ende vergangenen Jahres war die Lage erneut eskaliert, als Ungarn gemeinsam mit Polen wochenlang die Annahme des nächsten mehrjährigen europäischen Haushalts und des Coronavirus-Hilfsfonds blockierte. In der Folge leiteten orbankritische EVP-Europaabgeordnete eine Änderung der Geschäftsordnung in die Wege, um ganze Delegationen aus der Fraktion suspendieren und auch ausschließen zu können.

Unklar ist noch, ob sich die FIDESZ-Abgeordneten einer anderen Fraktion anschließen oder fraktionslos bleiben. Umworben wurden die Ungarn unter anderem von der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), die einen Beitritt zur rechtspopulistischen Fraktion Identität und Demokratie anbot. Auch eine Zusammenarbeit mit der rechtskonservativen EKR-Fraktion um die polnischen Regierungspartei PiS wäre denkbar.

Beim Onlineportal Euractiv ist im Zusammenhang mit dem FIDESZ-Austritt aus der EVP nun von einem „großen Geschacher rechts der Mitte“ die Rede. Der FIDESZ-Austritt könnte demzufolge auch „die Büchse der Pandora im Europäischen Parlament geöffnet haben: Mehrere konservative und rechte Kräfte scheinen jedenfalls bereit und gewillt zu sein, die politische Landschaft rechts der Mitte neu zu gestalten.“