Vor Tränengas flüchtenden Menschen
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Tote und Massenflucht

Militär in Myanmar zunehmend brutaler

Das Militär in Myanmar geht gegen die anhaltenden Proteste gegen den Militärputsch zunehmend gewaltsamer vor. Bei den jüngsten Protesten wurden wieder mehrere Menschen getötet. Die brutale Methode der Armee gegen Kritiker und Kritikerinnen führt mittlerweile auch zu einer Massenflucht aus der größten Stadt des Landes, der Handelsmetropole Yangon, für die in mehreren Stadtteilen das Kriegsrecht erklärt wurde.

Trotz des gewalttätigen Vorgehens der Sicherheitskräfte gingen auch am Samstag zahlreiche Gegnerinnen und Gegner der Militärjunta auf die Straße. In der Ortschaft Mogok eröffnete die Armee das Feuer auf die Protestierenden, mindestens zwei Menschen starben. In der zweitgrößten Stadt Mandalay wurden nach Angaben eines lokalen Nachrichtenportals mehrere Demonstrierende verletzt, als ein Fahrzeug aus ungeklärten Gründen in die Menge fuhr und die Polizei Gummigeschoße einsetzte.

Die landesweiten Proteste finden wegen der zunehmenden Brutalität der Einsatzkräfte in einigen Landesteilen oft nur noch in kleinerem Rahmen statt. Insgesamt kamen in den vergangenen Wochen nach Angaben von Bürgerrechtlern mehr als 230 Menschen bei den Protesten im Zuge des Militärputsches vom 1. Februar ums Leben. Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP zufolge wurden seit dem Umsturz Anfang Februar rund 2.000 Menschen inhaftiert – und nur wenige seither wieder freigelassen.

Polizisten und Militäreinsatzkräfte vor einer Barrikade, einer zielt mit einer Steinschleuder
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Sicherheitskräfte vor einer von Demonstranten errichteten Barrikade in Yangon

Widerstand soll gebrochen werden

Die Berichte über die Grausamkeit und den ausufernden Gewalteinsatz von Polizei und Militär, über Einschüchterung, Folter und Tötungen mehrten sich zuletzt stark. Die Taktiken sind an sich nicht neu. Die für ihre Brutalität berüchtigte Armee im früheren Burma hat sie schon während ihrer fast 50 Jahre dauernden Diktatur regelmäßig erprobt, die erst vor zehn Jahren zaghaften demokratischen Reformen wich. Ziel sei es, die Menschen abzuschrecken und den Widerstand zu brechen, sagte eine frühere Geheimdienstmitarbeiterin, die anonym bleiben wollte, der dpa. Die Botschaft: „Das ist die Behandlung, die jeder erfährt, der sich uns widersetzt.“

Protestierende gehen vor dem Militäreinsatzkräften in Deckung
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Soldaten und Demonstranten stehen einander gegenüber – beide Seiten von Barrikaden geschützt

Amnesty International erklärte zuletzt, die Vorgehensweise des Militärs sei zwar schon bekannt, jedoch sei die Brutalität nie zuvor vor den Augen der Weltöffentlichkeit live übertragen worden. „Das sind nicht die Aktionen von überforderten, einzelnen Offizieren, die schlechte Entscheidungen treffen. Das sind skrupellose Kommandanten, die bereits in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt sind und ihre Truppen und mörderischen Methoden in aller Öffentlichkeit einsetzen“, so Joanne Mariner, Leiterin der Krisenreaktion bei der Organisation.

Große Fluchtbewegung aus Yangon

Das brutale Vorgehen der Junta führt unterdessen zu einer großen Fluchtbewegung aus der Handelsmetropole und ehemaligen Hauptstadt Yangon. Die ständig patrouillierenden Soldaten und Polizisten verbreiteten Angst und Schrecken, zündeten Schutzbarrikaden der Demonstranten an und zerstörten Fahrzeuge, wie Augenzeugen erzählten. Die Stimmung sei angespannt. In sechs Stadtteilen von Yangon verhängte die Junta in dieser Woche das Kriegsrecht. Fast zwei Millionen Menschen unterstehen damit praktisch der direkten Kontrolle des Militärs.

Zwei Polizisten halten einen verletzten Mann fest
Reuters
Ein Putschgegner wird von Sicherheitskräften während einer Protestaktion in Yangon verhaftet

In der an Myanmar angrenzenden thailändischen Provinz Tak bereiteten die Behörden Notunterkünfte für Flüchtlinge aus Myanmar vor. „Falls viele Myanmarer wegen einer dringenden Angelegenheit über die Grenze fliehen, haben wir Maßnahmen getroffen, um sie zu empfangen“, sagte Provinzgouverneur Pongrat Piromat. Seine Provinz sei in der Lage, zwischen 30.000 und 50.000 Menschen aufzunehmen. Etwa 90.000 Flüchtlinge aus Myanmar leben bereits in der durchlässigen Grenzregion, hieß es weiter.

Sprecher von Suu Kyis Partei festgenommen

Die Militärjunta nahm in der Nacht auf Freitag ein weiteres prominentes Mitglied von Aung San Suu Kyis Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD) fest. Es handle sich um den Parteisprecher Kyi Toe, der seit dem Putsch die Medien im Land über die NLD und die Entwicklungen informiert hatte, teilte Phyo Zayar Thaw, ein weiteres bekanntes Mitglied der Partei, auf Facebook mit.

Beobachtern zufolge wird befürchtet, dass Kyi Toe gefoltert werden könnte. In den vergangenen Wochen waren bereits zwei NLD-Mitglieder kurz nach ihrer Inhaftierung gestorben. Die faktische Regierungschefin Suu Kyi, die die Parlamentswahl im November klar gewonnen hatte, wurde in Gewahrsam genommen und wird mehrerer Vergehen beschuldigt.

BBC-Journalist verschleppt

Ein Journalist der britischen BBC in Myanmar wurde nach Angaben des Senders von Unbekannten verschleppt. „Wir sind äußerst besorgt wegen unseres BBC-News-Reporters Aung Thura, der von unbekannten Männern mitgenommen wurde“, teilte die BBC am Freitag auf Twitter mit. Der myanmarische BBC-Mitarbeiter arbeitete für das lokale Programm des Senders. Nach Angaben der myanmarischen Nachrichtenwebsite Mizzima wurde auch einer ihrer Reporter, Than Htike Aung, zusammen mit Thura in Naypyidaw „festgenommen“. Die BBC rief die Behörden in Myanmar auf, dabei zu helfen, den Kontakt zu ihrem vermissten Reporter herzustellen und zu bestätigen, „dass er in Sicherheit ist“.

Der indonesische Präsident Joko Widodo forderte am Freitag ein sofortiges Ende der Gewalt in Myanmar und rief die Regierungen der Region zu einem Gipfeltreffen der Vereinigung Südostasiatischer Staaten (ASEAN) auf. „Ich werde mit dem Sultan von Brunei als Vorsitzendem der ASEAN über die Möglichkeit eines ASEAN-Gipfels sprechen, um die Krise in Myanmar zu erörtern.“ Anfang März gab es bereits ein Onlinetreffen der Außenminister der zehn ASEAN-Staaten zu der Gewalteskalation in Myanmar.