AstraZeneca-Impfstoff
Reuters/Massimo Pinca
AstraZeneca

Von der Leyen droht mit Exportverbot

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erneut scharfe Kritik an den Lieferausfällen von AstraZeneca geübt und dem Unternehmen die Rute ins Fenster gestellt: „Wir haben die Möglichkeit, einen geplanten Export zu verbieten“, sagte von der Leyen in einem Interview. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sucht indes eine gemeinsame Linie der EU-Urlaubsländer beim „Grünen Pass“.

Auf dem nächsten EU-Gipfel will die Kommissionspräsidentin Exportkontrollen beschlossen sehen: „Die Botschaft an das Unternehmen ist klar: Zuerst halten Sie Ihren Vertrag ein, bevor Sie exportieren“, sagte sie der „Presse“ und anderen europäischen Zeitungen.

Die Kommissionspräsidentin sprach von einem „drastischen“ Lieferversagen AstraZenecas und warf dem britisch-schwedischen Unternehmen vor, im ersten Quartal nur 30 Prozent der vereinbarten Menge an die EU geliefert zu haben. Im Vertrag sei zudem klar geregelt, dass die EU Impfstoff aus Fabriken in der EU und in Großbritannien erhalte.

„Von den Briten haben wir aber nichts bekommen, während wir ihnen Impfstoff liefern“, beklagte von der Leyen. Sie sprach von einem „förmlichen Mahnschreiben“, das die Kommission in dieser Sache an AstraZeneca geschickt habe.

„Brauchen bessere Balance“

Es gebe eine Reihe offener Punkte mit Blick auf den Liefervertrag, die jetzt geklärt werden müssten. Die Kommissionspräsidentin beklagte zudem in scharfem Ton ein insgesamt deutliches Ungleichgewicht zwischen den Lieferungen von europäischen Pharmafabriken an die EU einerseits und den Export in Drittländer andererseits.

„Wir brauchen dringend eine bessere Balance zwischen den Lieferungen an die Europäer und den Exporten: Jeder Tag und jede Woche zählt, an dem wir in Europa das Virus schneller stoppen und unsere Wirtschaft wieder öffnen können“, sagte sie. „Es geht um das Leben der Menschen, um ihre Existenz, ihre Gesundheit und auch darum, wie unsere Volkswirtschaft aus der Pandemie herausstartet.“

Mehr als 40 Mio. Dosen aus EU exportiert

Die Hersteller in Europa hätten seit Anfang Februar mindestens 41 Millionen Impfdosen in 33 Länder exportiert, sagte von der Leyen. Sie fügte hinzu: „Ich kann europäischen Bürgern nicht erklären, warum wir Millionen Impfstoffdosen in Länder exportieren, die selbst Impfstoff produzieren – und von denen nichts zurück kommt. Und ich kann schwer Exporte erklären in Länder, die eine viel höhere Impfrate und deutlich weniger Infektionen haben als die EU.“

Europa sei in der Welt eine der Regionen, die am meisten exportierten, sagte die Kommissionspräsidentin. „Wir sind offen, aber das muss verhältnismäßig sein und auf Gegenseitigkeit beruhen.“ Die EU lade nun zu Gesprächen ein. „Was wir dagegen unternehmen können, werden die Regierungschefs im Rat diskutieren“, sagte sie. „Den Unternehmen sagen wir: Je besser sie ihren Vertrag erfüllen und je schneller sie liefern, desto eher können wir Ausfuhren in alle Welt akzeptieren.“

„Empfehlung“ von der Leyens zu Zusatzdosen

Bezüglich der angekündigten Zusatzdosen von Biontech und Pfizer hielt sich von der Leyen bedeckt. Die Frage, ob Österreich rund 400.000 zusätzliche Dosen aus einer vorgezogenen Lieferung von zehn Millionen Dosen aus dieser Produktion bekomme, beantwortete von der Leyen im Gespräch mit der „Presse“ nicht. Sie habe ausverhandelt, dass zehn Millionen Dosen Biontech und Pfizer vom Herbst ins zweite Quartal vorgezogen werden, sagte von der Leyen.

„Meine Empfehlung ist nun, das zu verwenden, um die Lücke zu füllen. Das wäre genug, um die Verteilung wieder auszugleichen. Dafür müssten allerdings andere Mitgliedstaaten auf ihren im Dezember schon fixierten Anteil an diesen zehn Millionen Dosen verzichten. Das ist angesichts des europaweiten Mangels an Vakzinen höchst fraglich. Im Steuerungskomitee der 27 Regierungen wird über diese Frage noch gestritten werden.“

Ursula von der Leyen
AP/Francois Walschaerts
Die Impfstoffverteilung „pro Kopf“ sei der „fairste Zugang“, so von der Leyen – die EU-Staaten hätten aber einen anderen Weg gewählt

Von der Leyen gab sich laut „Presse“ wenig erfreut, aber betont diplomatisch zu der scharfen Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der EU-Impfstrategie, welche die Kommission geplant und in Form der Rahmenverträge mit sechs Herstellern umgesetzt hatte. „Um Missverständnisse auszuräumen: Die Europäische Kommission hat von Anfang an vorgeschlagen, dass die Impfstoffe in den Verträgen auf Pro-Kopf-Basis verteilt werden. Wir denken, dass das der fairste Zugang ist“, so von der Leyen. „Die Mitgliedstaaten haben einen anderen Zugang gewählt. Sie wollten manchmal den Anteil an dem einen Impfstoff senken und den an einem anderen erhöhen. Darum wurde der Verteilungsmechanismus zwischen allen Mitgliedstaaten von ihnen allein beschlossen.“

Edtstadler: „Verhandlungen laufen gut“

Kurz hatte am Mittwoch erklärt, dass die EU einer Lösung angesichts der Abweichungen vom Bevölkerungsschlüssel bei den CoV-Impfstofflieferungen nahe sei. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich unterdessen angesichts der Gespräche für eine gerechte Impfstoffverteilung innerhalb der EU optimistisch. „Die Verhandlungen auf EU-Ebene verlaufen bisher gut und ich bin optimistisch, dass wir in den kommenden Wochen eine gerechte Lösung finden werden“, teilte Edtstadler der APA mit.

Köstinger: Gipfel zu „Grünem Pass“

Indes bemüht sich Tourismusministerin Köstinger um eine gemeinsame Linie der EU-Urlaubsländer beim „Grünen Pass“, der Reisefreiheit im Sommer ermöglichen soll. Bei einem Gipfel mit zwölf weiteren Staaten, darunter Deutschland und die Mittelmeer-Länder, solle eine „gemeinsame Vorgehensweise“ beraten werden, teilte Köstinger der APA mit.

Konkret sollen Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Kroatien, Portugal, Bulgarien, Malta, Zypern, die Slowakei und Dänemark an dem von Köstinger ausgerichteten Treffen teilnehmen. Bereits am Montag wolle sie in der Frage auch den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Margaritis Schinas, in Brüssel treffen.

Die EU-Kommission will, dass der Ausweis mit 1. Juni einsatzbereit ist. Er soll bescheinigen, dass eine Person gegen das Coronavirus geimpft, negativ getestet oder von einer Covid-19-Erkrankung genesen ist. Österreich will schon im April einen eigenen „Grünen Pass“ vorlegen, der Tests bescheinigen soll.