Hinweis auf Mundschutzpflicht
ORF.at/Georg Hummer
Vor CoV-Beratungen

Forderungen und Appelle von Opposition

Am Tag vor den Beratungen zur Coronavirus-Situation ruft die Opposition die Regierung eindringlich zum Handeln auf. Während die SPÖ Lockerungen für „ausgeschlossen“ hält, lehnt die FPÖ einen weiteren Lockdown ab. NEOS will unterdessen „differenziertere Maßnahmen“. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach sich für eine „Notbremse“ in stark betroffenen Regionen aus.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach sich gegenüber der APA gegen jegliche Lockerungen aus und warnte vor einem „Kollaps der Intensivstationen“. „Weitere Lockerungen halte ich für ausgeschlossen. Das wäre Öl ins Feuer gießen“, hieß es in einem Statement.

Regionale Maßnahmen seien wichtig, aber sie alleine würden nicht ausreichen, um den Anstieg in ganz Österreich einzubremsen, so die SPÖ-Chefin. Es sei jetzt entscheidend, die sozialen Kontakte zu reduzieren, so Rendi-Wagner.

Rücknahmen von Öffnungen für Rendi-Wagner denkbar

„Nicht ausgeschlossen“ sei es, dass die „verfrühten Öffnungen“ von Anfang Februar, vor denen sie gewarnt habe, von der Regierung zurückgenommen werden müssen. „Keiner will Schließungen, aber noch viel weniger Menschen wollen einen Kollaps der Intensivstationen und eine Gefährdung der Gesundheitsversorgung in Österreich“, sagte die SPÖ-Chefin. „Geht der Anstieg so weiter, erreichen die Intensivstationen in zwei bis drei Wochen ihre Kapazitätsgrenzen.“

Je länger man warte, desto schwieriger und langwieriger werde es gegenzusteuern. „Diese Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Die Regierung sollte ehrlich sein und deutlich sagen, wie schwierig die Situation ist.“

Hofer: Treffen von Menschen „nicht im Schatten“

FPÖ-Bundesparteiobmann Hofer zeigte sich in Vorfeld der Beratungen kooperativ, hielt aber an der bekannten FPÖ-Linie grundsätzlich fest. „Ich stehe für jede Form der Zusammenarbeit zur Verfügung, die Österreich schneller aus der Krise führen kann. Ich befürchte jedoch, dass ein weiterer Lockdown nicht zum erhofften Ergebnis führen wird“, sagte er gegenüber der APA.

Das Zusammentreffen von Menschen außerhalb des Familienverbandes sollte „nicht im Schatten erfolgen“, sondern in erster Linie im öffentlichen Raum. Denn dort gebe es „klare Regeln“ und alle Erfordernisse, „die zur Bekämpfung von Ansteckungen hilfreich sind“.

Hofer sprach auch die hohen Fallzahlen unter Kindern und Jugendlichen an: „Da nach Expertenmeinung die Schulen Treiber für die aktuell hohen Fallzahlen sind, ist unter dieser Annahme der rasche Ankauf von Luftreinigungsgeräten für die Klassenzimmer mit allen Mitteln umzusetzen“, so sein Wunsch. Darüber hinaus sei „jede Anstrengung zu unternehmen, damit die vom Bundeskanzler versprochenen Impfdosen ohne weitere Verzögerung an jene Menschen verabreicht werden können, die sich impfen lassen wollen.“

NEOS will Balance zwischen Gesundheit und Wirtschaft

NEOS forderte die Regierung dazu auf, „ein neues Kapitel im verkorksten Corona-Management“ aufzuschlagen. „‚Alles auf‘ oder ‚Alles zu‘ ist nach einem Jahr jedenfalls nicht mehr der Weg, der dazu führt, dass eine Balance zwischen Gesundheit – auch der psychischen –, Wirtschaft und Gesellschaft gefunden wird“, sagte Parteichefin Meinl-Reisinger in einem Statement zur APA.

„Die aktuellen Entwicklungen bei den Corona-Fallzahlen nehmen wir NEOS sehr ernst, dennoch muss die Regierung nach einem Jahr endlich klügere und differenziertere Maßnahmen finden.“ Man müsse sich wieder bewusst machen, „dass Freiheit kein Gnadenakt ist – sondern Selbstverständlichkeit. Beschränkungen dürfen nie die Norm werden – und Freiheit dann das Privileg.“

Mitarbeiter beim Abfüllen der Spritzen mit Impfstoff
APA/EXPA/Johann Groder
NEOS fordert einen verstärkten Fokus auf Impfungen

Das soll laut Meinl-Reisinger durch „rasches Impfen und Testen“ erreicht werden. Der Fokus beim Impfen müsse auf die „jüngeren Senioren“ ab 65 Jahren gerichtet werden, denn der Großteil der Intensivpatienten zähle zu dieser Gruppe – „die bisher noch zu wenig geimpft ist“. Beim Testen müsse das Ziel sein, dass pro Woche 25 Prozent der Gesamtbevölkerung erreicht wird. Dazu brauche es eine funktionierende Infrastruktur, und es müssten etwa auch PCR-Gurgeltests wie jene der Wiener Initiative „Alles gurgelt“ österreichweit ausgerollt werden.

Anschober: „Notbremse“ in stark betroffenen Regionen

Auch der Gesundheitsminister meldete sich am Sonntag zu Wort – und sprach sich für regional differenzierte Maßnahmen aus. „Die Situation in vielen Intensivstationen wird dramatisch, wenn nicht sehr rasch in den hauptbetroffenen Regionen starke und effektive Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Wir müssen den Mut haben, in einzelnen besonders stark betroffenen Regionen die Notbremse zu ziehen“, schrieb er in einer Aussendung.

Die Politik müsse am Montag „alle erforderlichen Maßnahmen setzen, damit es nirgendwo zum Kollaps in den Intensivstationen kommt“, so der Minister. Anschober verwies auf die vor allem im Osten schwierigere Lage: „Aktuell ist Ostösterreich durch die starke Dominanz der britischen Variante besonders stark betroffen.“ In Niederösterreich etwa sei der Höchststand im vergangenen Herbst bei 115 Patienten gelegen, heute würden 80 Menschen in Intensivstationen betreut. Wien, das immer auch Behandlungszentrum für weite Teile Ostösterreichs sei, melde mittlerweile 152 Covid-19-Patienten in Intensivbehandlung – im Herbst sei der Höchststand bei 162 gelesen, so der Minister.

Verweis auf unterschiedliche Situation in Intensivstationen

„Die Infektionszahlen und auch die Belastungszahlen in den Intensivstationen sind regional extrem unterschiedlich. Daher wird es morgen maßgeschneidert sehr unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Regionen brauchen“, so Anschober weiter. Es dürfe zu keinem Kollaps der Intensivstationen kommen: „Harte Triagen dürfen in Österreich niemals Wirklichkeit werden.“ In einzelnen Regionen erinnere die Lage nicht nur an den Herbst, sondern sie „könnte sogar dramatischer werden, wenn kein ausreichendes Gegensteuern beschlossen werden würde“.

Auch verwies der Minister auf „die aktuelle Diskussion in Deutschland, das ebenfalls Zuwächse aufweist, aber im Bundesschnitt nicht einmal die Hälfte der 7-Tage-Inzidenz Österreichs aufweist“. Dennoch würden dort nun „vielfach wegen der Zuwächse Verschärfungen eingefordert, über die morgen entschieden werden soll“.

Auch Kurz für regionale Schritte

Schon am Samstag hatte sich Anschober zurückhaltend geäußert, was Öffnungsschritte anbelangt. Aktuell sei keine Phase, wo es „um große Lockerungen geht“, sagte Anschober am Samstag im Gespräch mit Ö1. Gefragt, ob er sich mit seiner Haltung am Montag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die Vertreter der Länder durchsetzen werde, sagte Anschober, er rechne nicht mit Widerstand: „Ich gehe davon aus, dass diese Zahlen, die wir da vorlegen müssen, schon überzeugen werden.“

Auch Bundeskanzler Kurz nannte regionale Differenzierungen zuletzt als Option. Bei einem Liveinterview im Rahmen des Parteitags der ÖVP Vorarlberg sagte er, man wolle den Weg der Regionalisierung bei den Öffnungsschritten fortsetzen. Ziel sei es, so viel Freiheit wie möglich zu gewähren und so wenige Einschränkungen wie nötig vorzunehmen.

Geöffneter Gastronomiebetrieb in Vorarlberg
APA/EXPS/Johann Groder
In Vorarlberg durfte die Gastronomie unter strengen Auflagen wieder aufsperren

Die Ampelkommission trat zuletzt zwar für weitere Restriktionen ein, wenn sich die Zahl der Coronavirus-Infektionen weiter „unkontrolliert“ erhöhe. Allerdings wurde in einer Stellungnahme der Kommission am Donnerstagabend auch auf die Option regionaler Maßnahmen hingewiesen.

Bundesländer hoffen weiter auf Gastroöffnung

In den Bundesländern wurden unterdessen die Rufe nach Öffnungsschritten zunehmend lauter. So hieß es etwa von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), dass sich die Menschen in Tirol „nach Lockerungen sehnen“. Wie die „Presse“ am Samstag berichtete, hofft man auch in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich auf eine „kontrollierte Öffnung“ vor allem in der Gastronomie. Es sei besser, „soziale Kontakte geregelt zuzulassen, etwa im Wirtshaus, als ungeregelt in der Garage oder im privaten Bereich“, zitierte die Zeitung etwa Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

Osterfeiertage womöglich mit Weihnachtsregeln

Eine Frage für die Gespräche am Montag werden auch die Osterfeiertage. Für diese denkt man im Gesundheitsministerium auch an eine Lockerung der Besuchsregeln, wie aus dem am Freitag öffentlich gewordenen Sitzungsprotokoll der Kommission hervorgeht. Orientieren will man sich dabei an jenen Regeln, die zu Weihnachten vorgeschrieben waren.

Im Raum steht aber zugleich, die Osterferien in manchen Regionen zu verlängern. Zahlreiche Expertinnen und Experten, darunter der Komplexitätsforscher Peter Klimek und der Epidemiologe Gerald Gartlehner hatten sich zuletzt für eine derartige Vorgangsweise ausgesprochen.