Leerer Schanigarten in Köln
AP/Martin Meissner
Inzidenz über 100

Deutschland vor längerem Lockdown

Auch in Deutschland wird am Montag über die Coronavirus-Situation beraten – am Sonntag sind die Zeichen auf Verlängerung der Maßnahmen gestanden. Zuerst meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) eine 7-Tage-Inzidenz von über 100. Wenig später wurde ein Entwurf aus dem deutschen Kanzleramt bekannt, der eine Verlängerung des Lockdowns bis in den April vorsieht. Die regional vorgesehene „Notbremse“ wird damit bundesweit zum Thema.

Die Beschlussvorlage für die am Montag stattfindenden Beratungen zwischen Bund und Ländern, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, sieht eine Fortsetzung des Lockdowns vor. Ein Datum für das Ende der Maßnahmen ist darin noch nicht enthalten. Der Entwurf wird jedenfalls noch mit den Ländern abgestimmt, am Montag will die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder Beschlüsse fassen.

Generelle neue Öffnungsschritte sieht der Entwurf nicht vor – er verweist vielmehr auf das „wiederum starke Infektionsgeschehen und eine exponentielle Dynamik“. Allerdings solle es Ländern und Regionen ermöglicht werden, „zeitlich befristete Modellprojekte“ zu starten, um „mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen“.

Notbremse ab regionaler Inzidenz von 100

Am Sonntag wurde im Hinblick auf eine Notbremse zumindest ein symbolischer Schwellenwert erreicht: Das RKI vermeldete eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner von 103,9 – damit lag der Wert erstmals wieder über 100. Für Regionen, die über diesem Wert liegen, wurde im März eigentlich das Inkrafttreten eines Notbremse-Mechanismus fixiert. Zum Vergleich: In Österreich liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 236,4 (Stand: Sonntag, 14.00 Uhr).

Merkel hatte bereits vor dem Wochenende gesagt: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir ohne diese Notbremse auskommen, aber das wird nicht möglich sein, wenn ich mir die Entwicklung der letzten Tage anschaue.“ Die Notbremse sieht vor, Öffnungen zurückzunehmen, wenn die 7-Tage-Inzidenz in einer Region oder einem Land an drei aufeinander folgenden Tagen auf über 100 steigt. Einige Bundesländer hatten diese Marke bereits in den vergangenen Tagen überschritten. Das führte etwa in Hamburg bereits dazu, dass seit Samstag wieder härtere Coronavirus-Maßnahmen gelten. Erst vor zwei Wochen waren in Deutschland leichte Lockerungen in Kraft getreten.

Deutsche Kanzlerin Angela Merkel
APA/AFP/Markus Schreiber
Deutschlands Kanzlerin Merkel sagt, man werde nicht ohne Notbremse auskommen

Die Notbremse ist an konkrete Folgen gebunden: Einrichtungen wie Museen und Zoos müssten wieder schließen. Geschäfte müssten ihre Öffnungen im „Click & Meet“-Betrieb aufgeben. Private Treffen müssten wieder auf den eigenen Haushalt und eine weitere Person beschränkt werden. In vielen Regionen müsste die Notbremse längst gezogen werden, weil die Inzidenz über 100 gestiegen ist.

Unterschiedliche Signale aus den Ländern

Unterstützung für die Notbremse kam aus Bayern: Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte, die Notbremse müsse überall in Deutschland gleich und konsequent angewendet werden. „Sonst wird sie ein zahnloser Tiger, und die Sicherungswirkung verpufft“, so Söder in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Öffnungsschritten erteilte Söder eine Absage. „Wer jetzt die falschen Schritte geht, riskiert, dass aus der dritten Welle eine Dauerwelle wird“, sagte er. Auch Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Bürger eher auf Verschärfungen eingestimmt. Sein Thüringer Kollege Bodo Ramelow (Linke) hält Öffnungen ebenfalls nicht für geboten. Thüringen hat bundesweit den höchsten Inzidenzwert.

Leeres Shoppingzentrum in Dresden
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Öffnungsschritte könnten mit der „Notbremse“ zurückgenommen werden

In anderen Ländern hält man aber zumindest kleine Öffnungsschritte für möglich. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff sagte der „Welt am Sonntag“: „Im Hinblick auf die Osterferien könnte für Landeskinder autarker Urlaub möglich sein – also innerhalb der Grenzen Sachsen-Anhalts, etwa im Harz.“ Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte der Zeitung, man müsse Möglichkeiten schaffen, „dass die Menschen in den anstehenden Osterferien bei uns wandern und in einem Gartenlokal einkehren können, statt nach Mallorca zu fliegen und am Ballermann zu feiern“.

Verpflichtende Tests in Firmen, Quarantäne nach Reise

In dem am Sonntag kursierenden Papier heißt es unterdessen, dass Firmen stärker in die Pflicht genommen werden sollen. Wo die Arbeit im Homeoffice nicht möglich sei, müssten Tests von den Unternehmen angeboten werden, heißt es im Beschlussentwurf. „Diese sollen pro Woche das Angebot von mindestens zwei Schnelltests umfassen.“

Auch für Auslandsreisende sollen die Regeln verschärft werden. Quarantäne und Tests sollen verpflichtend sein: „Reisen, insbesondere Urlaubsreisen ins Ausland müssen daher unabhängig von Inzidenzen im Zielland mit einer epidemiologisch gebotenen Quarantäne und einer Testpflicht vor Rückreise und bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verbunden sein.“

Wenig Zustimmung in der Bevölkerung für Verschärfungen

Eine Mehrheit der Deutschen ist laut einer Umfrage allerdings gegen Verschärfungen des Lockdowns. Für eine erneute Ausweitung von Kontakteinschränkungen sprachen sich nur noch 30 Prozent aus, wie die Erhebung des Instituts YouGov im Auftrag der dpa ergab. Dagegen sind 23 Prozent für eine Beibehaltung der vorerst bis 28. März geltenden aktuellen Maßnahmen, 22 Prozent sind sogar für Lockerungen. 15 Prozent befürworten ein Ende aller Einschränkungen.

Pilotprojekte wurden weitergeführt

Noch am Wochenende wurden unterdessen einige Pilotprojekte weitergeführt, um sich an das frühere Alltagsleben heranzutasten. Beim Fußball waren bei der Drittligapartie Hansa Rostock gegen den Halleschen FC am Samstag 777 Zuschauer zugelassen. Rostock weist sehr niedrige Inzidenzwerte auf.

Auch die Berliner Philharmoniker spielten erstmals seit Monaten wieder vor einem größeren Publikum, zugelassen waren rund 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie mussten sich vorab auf das Coronavirus testen lassen. Die Karten seien innerhalb von drei Minuten verkauft gewesen, sagte Intendantin Andrea Zietzschmann.