Gast in vorarlberger Cafe
APA/EXPA/Johann Groder
Vor CoV-Beratungen

„Notbremse“ statt neuer Öffnungen

Bei der Bekämpfung der Pandemie zeichnet sich in Österreich ein regionales Vorgehen ab. Allzu große Lockerungen dürfte es bei dem am Montag im Bundeskanzleramt geplanten CoV-Gipfel nicht geben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach sich angesichts der zunehmend schlechten Lage auf den Intensivstationen für eine „Notbremse“ in besonders stark betroffenen Regionen aus.

Die Politik müsse am Montag „alle erforderlichen Maßnahmen setzen, damit es nirgendwo zum Kollaps in den Intensivstationen kommt“, sagte Anschober. Ursprünglich hatte die Regierung angepeilt, ab 27. März den Gastronomiebetrieb im Freien wieder zu erlauben. Derzeit sind nur in Vorarlberg – das deutlich niedrigere Infektionszahlen aufweist als der Rest des Landes – erste Lockerungen in Kraft.

Angesichts der aktuellen Situation bremste Anschober die Erwartungshaltung aber deutlich. Die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner lag am Sonntag laut AGES bei 236,4. In Wien und Salzburg liegt sie mittlerweile über 300. Hinzu kommt vor allem im Osten Österreichs ein dramatischer Anstieg bei den Patientinnen und Patienten, die wegen einer Coronavirus-Infektion auf der Intensivstation behandelt werden müssen. In der Bundeshauptstadt liegt dieser Wert bereits fast so hoch wie auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im Herbst.

Anschober: Mut zur regionalen „Notbremse“

„Die Situation in vielen Intensivstationen wird dramatisch, wenn nicht sehr rasch in den hauptbetroffenen Regionen starke und effektive Gegenmaßnahmen gesetzt werden“, so Anschober in einer Aussendung am Sonntag. „Wir müssen den Mut haben, in einzelnen besonders stark betroffenen Regionen die Notbremse zu ziehen.“

Der Minister verwies auf die vor allem in Ostösterreich schwierige Lage, bedingt durch die dort besonders starke Dominanz der Virusvariante B.1.1.7. Die Infektionszahlen und auch die Belastungszahlen in den Intensivstationen seien regional „extrem unterschiedlich“. „Daher wird es morgen maßgeschneidert sehr unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Regionen brauchen.“ In einzelnen Regionen erinnere die Lage nicht nur an den Herbst, sondern sie „könnte sogar dramatischer werden, wenn kein ausreichendes Gegensteuern beschlossen werden würde“.

Intensivmediziner: Lage „zunehmend dramatisch“

Eine eindringliche Warnung kam am Sonntag auch vom Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Klaus Markstaller: Die Lage sei „zunehmend dramatisch“, sagte er in einer Aussendung. In einigen Regionen, besonders im Osten, seien die Intensivstationen bereits weitgehend oder sogar vollständig ausgelastet.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) plädierte am Wochenende ebenfalls für ein differenziertes Vorgehen: Den Weg der Regionalisierung bei Öffnungsschritten „wollen wir fortsetzen“, sagte er. Gleichzeitig untermauerte er neuerlich seine Überzeugung, dass Österreich im Sommer zur „Normalität“ zurückkehren könne. „Bis Ende Juni stehen acht Millionen Impfdosen zur Verfügung“, somit könnten alle impfbereiten Österreicher bis dahin zumindest eine Impfung erhalten, so seine Prognose.

Fachleute für längere Osterferien

Konkrete Details über mögliche Lockerungen oder Verschärfungen sickerten vor den Gesprächsrunden am Montag nicht durch. In Medien wurde über eine „Dreiteilung“ des Landes spekuliert – aufgeteilt in die unterschiedlich betroffenen Regionen.

Im Raum stand auch eine Verlängerung der Osterferien. Mehrere Fachleute – etwa der Komplexitätsforscher Peter Klimek und der Epidemiologe Gerald Gartlehner – hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen. Ablehnung kam vom Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen. Man sei es den Schülern schuldig, sobald wie möglich – „nötigenfalls regional differenziert“ – in den Normalbetrieb zurückzukehren, hieß es.

Ebenfalls vorgeschlagen wurde von Fachleuten – neben Gartlehner auch von der Virologin Dorothee von Laer von der Meduni Innsbruck –, Homeoffice verpflichtend zu machen. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) lehnte das mit Verweis auf die „Lebensrealitäten der Durchschnittsbevölkerung“ jedoch klar ab: „Für viele bedeutet Homeoffice, in der Küche arbeiten zu müssen – mit drei schulpflichtigen Kindern.“

Länder für Gastroöffnung im Freien

Wie auch weitere Landesvertreter plädierte Hacker am Sonntag ungeachtet der Infektionslage für eine Öffnung der Gastronomie im Freien: „Wir können von der Bevölkerung nicht verlangen, monatelang eingesperrt zu bleiben, wir müssen ihr Möglichkeiten bieten, sich unter freiem Himmel zu treffen“, sagte er gegenüber der „Presse“. „Ich bleibe dabei und halte es für machbar, Schanigärten ab Ende März zu öffnen“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kaum Hoffnung auf Lockerungen

Aufgrund der hohen Infektionszahlen sind große Lockerungsschritte derzeit nicht zu erwarten. Sogar die Gastronomie hat die Hoffnung auf eine baldige Öffnung der Schanigärten mittlerweile fast wieder aufgegeben.

Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte, dass sich die Menschen in Tirol „nach Lockerungen sehnen“ würden. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanne Mikl-Leitner (ÖVP) sprach sich dafür aus, „soziale Kontakte geregelt zuzulassen, etwa im Wirtshaus“. Und auch im Büro von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) verwies man am Wochenende auf dessen Position, wonach er Treffen draußen statt drinnen, „besser kontrolliert als unkontrolliert“, bevorzuge.

Forderungen und Appelle der Opposition

Die roten Landesvertreter standen damit im Widerspruch zur SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner: „Weitere Lockerungen halte ich für ausgeschlossen. Das wäre Öl ins Feuer gießen“, sagte sie und warnte vor einem „Kollaps der Intensivstationen“.

Auch FPÖ und NEOS forderten rasches Handeln, wenn auch mit anderem Fokus: FPÖ-Chef Norbert Hofer zeigte sich für „jede Form der Zusammenarbeit“ bereit, „die Österreich schneller aus der Krise führen kann“, lehnte einen Lockdown aber weiterhin ab. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger plädierte für „rascher Impfen und Testen“ und „differenziertere Maßnahmen“ als bisher.

Regeln für die Osterfeiertage

Thema dürfte am Montag auch die Frage nach den Regeln für die Osterfeiertage werden. Im Gesundheitsministerium denkt man an eine Lockerung der Besuchsregeln, wie aus dem am Freitag öffentlich gewordenen Sitzungsprotokoll der Kommission hervorgeht.

Orientieren will man sich dabei an jenen Regeln, die zu Weihnachten vorgeschrieben waren. Damals waren die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen komplett aufgehoben, zudem durften sich bis zu zehn Personen aus bis zu zehn verschiedenen Haushalten treffen. Derzeit sind wieder nur Treffen von maximal vier Personen aus zwei unterschiedlichen Haushalten plus minderjährigen Kindern gestattet.