Ausreisekontrollen in Wiener Neustadt
APA/Robert Jäger
Coronavirus-Gipfel

Kaum Lockerungen zu erwarten

Die Bundesregierung entscheidet am Montag über das weitere Vorgehen in der CoV-Krise. Fix scheint, dass auf dem Gipfel im Bundeskanzleramt eine weitere Regionalisierung der Maßnahmen beschlossen wird. Große Lockerungen sind angesichts der teils dramatischen Lage auf den Intensivstationen nicht zu erwarten. Im Raum stehen eine Testpflicht im Handel und eine Rückkehr zu Distance-Learning.

Die Bundesregierung empfängt am Montagvormittag – wie schon von früheren Runden bekannt – die beratenden Fachleute am Ballhausplatz. Um 11.30 Uhr werden die Vertreter der Opposition per Videokonferenz dazugeschaltet. Um 13.00 Uhr gehen die Beratungen mit den Landeshauptleuten weiter, die persönlich nach Wien kommen. Danach dürfte es wohl eine Pressekonferenz geben.

Die Politik müsse „alle erforderlichen Maßnahmen setzen, damit es nirgendwo zum Kollaps in den Intensivstationen kommt“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Sonntag. Ursprünglich hatte die Regierung angepeilt, ab 27. März den Gastronomiebetrieb im Freien wieder zu erlauben. Derzeit sind nur in Vorarlberg – das deutlich niedrigere Infektionszahlen aufweist als der Rest des Landes – erste Lockerungen in Kraft. Für Wien, Niederösterreich und das Burgenland könnte es angesichts des Infektionsgeschehens nun sogar Verschärfungen geben.

Angesichts der aktuellen Situation bremste Anschober die Erwartungshaltung deutlich. Die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner lag am Sonntag laut AGES bei 236,4. In Wien und Salzburg lag sie über 300. Hinzu kommt vor allem im Osten Österreichs ein dramatischer Anstieg der Zahl von Patientinnen und Patienten, die wegen einer Coronavirus-Infektion auf der Intensivstation behandelt werden müssen. In der Bundeshauptstadt ist dieser Wert bereits fast so hoch wie am Höhepunkt der zweiten Welle im Herbst.

Anschober: Mut zur regionalen „Notbremse“

„Die Situation in vielen Intensivstationen wird dramatisch, wenn nicht sehr rasch in den hauptbetroffenen Regionen starke und effektive Gegenmaßnahmen gesetzt werden“, so Anschober in einer Aussendung am Sonntag. „Wir müssen den Mut haben, in einzelnen besonders stark betroffenen Regionen die Notbremse zu ziehen.“

Der Minister verwies auf die vor allem in Ostösterreich schwierige Lage, bedingt durch die dort besonders starke Dominanz der Virusvariante B.1.1.7. Die Infektionszahlen und auch die Belastungszahlen in den Intensivstationen seien regional „extrem unterschiedlich“. „Daher wird es morgen maßgeschneidert sehr unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Regionen brauchen.“ In einzelnen Regionen erinnere die Lage nicht nur an den Herbst, sondern sie „könnte sogar dramatischer werden, wenn kein ausreichendes Gegensteuern beschlossen werden würde“.

Intensivmediziner: Lage „zunehmend dramatisch“

Eine eindringliche Warnung kam am Sonntag auch vom Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Klaus Markstaller: Die Lage sei „zunehmend dramatisch“, sagte er in einer Aussendung. In einigen Regionen, besonders im Osten, seien die Intensivstationen bereits weitgehend oder sogar vollständig ausgelastet.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) plädierte am Wochenende für ein differenziertes Vorgehen: Den Weg der Regionalisierung bei Öffnungsschritten „wollen wir fortsetzen“, sagte er. Gleichzeitig untermauerte er neuerlich seine Überzeugung, dass Österreich im Sommer zur „Normalität“ zurückkehren könne. „Bis Ende Juni stehen acht Millionen Impfdosen zur Verfügung“, somit könnten alle impfbereiten Österreicher bis dahin zumindest eine Impfung erhalten, so seine Prognose.

Handel gegen Testpflicht

Details möglicher Lockerungen oder Verschärfungen sickerten vor den Gesprächsrunden am Montag nicht durch. In Medien wurde über eine „Dreiteilung“ des Landes spekuliert – aufgeteilt in die unterschiedlich betroffenen Regionen. Berichte gab es am Montag auch über eine mögliche Testpflicht für den Handel, wie man sie schon von den persönlichen Dienstleistern kennt. Ausgenommen sollen Geschäfte für den täglichen Bedarf sein.

Die Branche ist dagegen. Zutrittstests im Non-Food-Handel wären „die ultimative Bestrafung“ und seien wissenschaftlich nicht haltbar, so der Handelsverband am Montag mit Verweis auf AGES-Clusteranalysen. Die meisten Infektionen fänden im Haushalt und in der Freizeit statt. Durch eine Testpflicht würde der Non-Food-Handel zwei Drittel der Umsätze verlieren, sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Fachleute für längere Osterferien

Im Raum standen auch eine Rückkehr der Schülerinnen und Schüler zu komplettem Distance-Learning und eine Verlängerung der Osterferien. Mehrere Fachleute – etwa der Komplexitätsforscher Peter Klimek und der Epidemiologe Gerald Gartlehner – hatten sich zuletzt für längere Ferien ausgesprochen. Ablehnung kam vom Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen. Man sei es den Schülern schuldig, so bald wie möglich – „nötigenfalls regional differenziert“ – in den Normalbetrieb zurückzukehren, hieß es.

Ebenfalls vorgeschlagen wurde von Fachleuten – neben Gartlehner auch von der Virologin Dorothee von Laer von der Meduni Innsbruck –, Homeoffice verpflichtend zu machen. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) lehnte das mit Verweis auf die „Lebensrealitäten der Durchschnittsbevölkerung“ jedoch klar ab: „Für viele bedeutet Homeoffice, in der Küche arbeiten zu müssen – mit drei schulpflichtigen Kindern.“

Länder für Gastroöffnung im Freien

Wie auch weitere Landesvertreter plädierte Hacker am Sonntag ungeachtet der Infektionslage für eine Öffnung der Gastronomie im Freien: „Wir können von der Bevölkerung nicht verlangen, monatelang eingesperrt zu bleiben, wir müssen ihr Möglichkeiten bieten, sich unter freiem Himmel zu treffen“, sagte er gegenüber der „Presse“. „Ich bleibe dabei und halte es für machbar, Schanigärten ab Ende März zu öffnen“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Regierung berät über nächste Schritte

Am Montag finden Beratungen der Bundesregierung mit Fachleuten und Landeshauptleuten über die nächsten Schritte in der Pandemie statt. Angesichts der steigenden Zahlen auf Intensivstationen verstärkt Gesundheitsminister Anschober (Grünen) seine Ablehnung gegen Lockerungen. Man müsse in stark betroffenen Regionen die Notbremse ziehen.

Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte, dass sich die Menschen in Tirol „nach Lockerungen sehnen“ würden. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach sich dafür aus, „soziale Kontakte geregelt zuzulassen, etwa im Wirtshaus“. Auch im Büro von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) verwies man am Wochenende auf dessen Position, wonach er Treffen draußen statt drinnen, „besser kontrolliert als unkontrolliert“, bevorzuge.

Forderungen und Appelle der Opposition

Die roten Landesvertreter standen damit im Widerspruch zur SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner: „Weitere Lockerungen halte ich für ausgeschlossen. Das wäre Öl ins Feuer gießen“, sagte sie und warnte vor einem „Kollaps der Intensivstationen“.

Auch FPÖ und NEOS forderten rasches Handeln, wenn auch mit anderem Fokus: FPÖ-Chef Norbert Hofer zeigte sich für „jede Form der Zusammenarbeit“ bereit, „die Österreich schneller aus der Krise führen kann“, lehnte einen Lockdown aber weiterhin ab. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger plädierte für „rascher Impfen und Testen“ und „differenziertere Maßnahmen“ als bisher.

Regeln für Osterfeiertage

Thema dürfte am Montag auch die Frage nach den Regeln für die Osterfeiertage werden. Im Gesundheitsministerium denkt man an eine Lockerung der Besuchsregeln, wie aus dem am Freitag öffentlich gewordenen Sitzungsprotokoll der Kommission hervorgeht.

Orientieren will man sich dabei an jenen Regeln, die zu Weihnachten vorgeschrieben waren. Damals waren die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen komplett aufgehoben, zudem durften sich bis zu zehn Personen aus bis zu zehn verschiedenen Haushalten treffen. Derzeit sind wieder nur Treffen von maximal vier Personen aus zwei unterschiedlichen Haushalten plus minderjährigen Kindern gestattet.