EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton
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EU-Kommissar

„Absolut kein Bedarf“ an „Sputnik V“

In der EU könne bis Mitte Juli eine Herdenimmunität gegen SARS-CoV-2 erreicht werden. Das sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Sonntag in einem Interview. Zwischen März und Juni werde die EU zwischen 300 und 350 Millionen Impfdosen an die Mitgliedsstaaten liefern. Die EU habe „absolut keinen Bedarf“ am russischen Vakzin „Sputnik V“.

Der Binnenmarktkommissar stellte ein ständig wachsendes Volumen der Lieferungen von 60 Millionen Dosen im März auf 100 Millionen im April und 120 Millionen im Mai in Aussicht. Inzwischen werde in 55 Werken in Europa Coronavirus-Impfstoff hergestellt. „Die Impfstoffe kommen, sie werden da sein“, sagte der Franzose.

Man könne bis Mitte Juli eine EU-weite Immunisierung mit Vakzinen aus europäischer Produktion erreichen, so Breton gegenüber dem Sender TF1, „Sputnik V“ brauche es daher nicht. Der russische Impfstoff, der bereits in einigen Ländern weltweit verabreicht wird und in Studien bisher sehr gute Wirksamkeit zeigte – mehr dazu in science.ORF.at –, ist bisher nicht von der EU-Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen. Auf Basis nationalen Vorgehens nutzen zumindest Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Italien ihn bereits oder wollen ihn nutzen.

„Sputnik V“-Produktionsstätte in Italien

Auch Österreich hatte mehrere Kontakte mit Russland, bei denen es um eine mögliche Lieferung des russischen Coronavirus-Impfstoffs und eine etwaige Produktion in Österreich ging. In Rom soll das russische Vakzin in dem auf Infektionskrankheiten spezialisierten Krankenhaus „Lazzaro Spallanzani“ in einigen Tagen getestet werden.

In Italien ist noch vor der EU-Zulassung des russischen Impfstoffs der Bau der ersten europäischen Produktionsstätte des Vakzins geplant. In Ungarn wird bereits mit dem russischen Vakzin geimpft. In der Slowakei führte ein Streit über die Anschaffung von „Sputnik V“ zum Fall der Regierung. Zugleich hat der bisherige Prozess auf EU-Ebene zur Versorgung der EU-Länder mit Impfstoff – Ankauf, Verteilmechanismus und Lieferschwierigkeiten der Pharmafirmen – Kritik auf sich gezogen, u. a. vonseiten Österreichs.

Kommissionschefin droht AstraZeneca

Die Impfkampagne kommt in den meisten EU-Ländern nur schleppend voran. Einer der Gründe dafür ist die mangelnde Verfügbarkeit großer Impfstoffmengen. Vor diesem Hintergrund übte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Wochenende erneut scharfe Kritik an den Lieferausfällen von AstraZeneca und stellte dem Unternehmen die Rute ins Fenster: „Wir haben die Möglichkeit, einen geplanten Export zu verbieten“, sagte von der Leyen.

„Das ist die Botschaft an AstraZeneca: Du erfüllst erst deinen Vertrag gegenüber Europa, bevor du beginnst, in andere Länder zu liefern“, sagte die Deutsche. Die Kommissionspräsidentin warf dem Unternehmen vor, im ersten Quartal nur 30 Prozent der vereinbarten Menge an die EU geliefert zu haben.

Britische Regierung warnt vor Exportverbot

Die britische Regierung warnte die EU vor einem Exportverbot für den CoV-Impfstoff von AstraZeneca. Ein Ausfuhrverbot für in der EU produziertes Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers wäre „kontraproduktiv“, da die Produktion von Impfstoffen nur über Zusammenarbeit gelinge, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace dem Sender Sky News. Wallace warnte Brüssel in diesem Zusammenhang auch vor einem weltweiten Imageverlust.

„Wenn Verträge und Verpflichtungen gebrochen werden, dann ist das eine sehr schädliche Sache für einen Handelsblock, der stolz ist auf Rechtsstaatlichkeit“, sagte Wallace. Ein Exportstopp für Impfstoffe würde die Möglichkeiten für die europäische Impfkampagne schmälern, zudem seien andere Staaten weltweit von Einschränkungen betroffen. Das würde einen „Reputationsschaden“ der EU nach sich ziehen.