Stacheldrahtzaun vor einem Umerziehungslager in Xinjiang
Reuters/Thomas Peter
Umgang mit Uiguren

EU wagt sich über Sanktionen gegen China

Erstmals seit drei Jahrzehnten hat die EU Sanktionen wegen Menschenrechtsverstößen in China verhängt. Die Außenminister beschlossen die Strafmaßnahmen am Montag wegen des Vorgehens gegen die muslimische Minderheit der Uiguren. Es werden vier Partei- und Regionalvertreter sowie eine Organisation aus der Provinz Xinjiang auf die EU-Sanktionsliste gesetzt.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind in Xinjiang mindestens eine Million muslimische Uiguren, Kasachen, Hui und Mitglieder anderer Minoritäten in Hunderten Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen, teilweise auch misshandelt. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die Extremismus in der Region bekämpfen sollen.

Uiguren sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich in Xinjiang von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.

EU-Sanktionen gegen China

Die Europäische Union hat Sanktionen gegen China beschlossen. Die EU reagiert damit auf die Unterdrückung der Uiguren in China.

China reagiert mit Sanktionen

Als Reaktion auf den Schritt der EU kündigte China Sanktionen gegen zehn EU-Vertreter an, darunter den deutschen Politiker Reinhard Butikofer und vier Einrichtungen, die von Peking beschuldigt werden, der Souveränität und den Interessen Chinas in Xinjiang zu schaden. Das chinesische Außenministerium forderte die EU auf, den „Fehler zu korrigieren“ und sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen.

Der chinesische EU-Botschafter Zhang Ming hatte die EU-Pläne schon im Vorfeld scharf kritisiert. „Sanktionen sind konfrontativ“, ließ er mitteilen. Sein Land wolle Dialog, werde aber nicht klein beigeben, wenn andere auf Konfrontation bestehen sollten. „Es ist die Verantwortung der chinesischen Regierung, die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen in China sicherzustellen.“

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Peking „tief besorgt“ über EU-Sanktionen gezeigt, die wegen Cyberangriffen gegen ein Unternehmen und zwei Hacker aus China verhängt wurden. Die Betroffenen haben nach Auffassung der EU weltweit Informationssysteme multinationaler Unternehmen angegriffen.

Studenten protestieren auf dem Tiananmen-Platz, 1989
APA/AFP/Catherine Henriette
Studentenprotest auf dem Tiananmen-Platz im April 1989 – wenig später verübte die Armee ein Massaker

Schallenberg sieht „wichtiges Signal“

Wegen Menschenrechtsverletzungen hatte die EU zuletzt nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 Strafmaßnahmen gegen China verhängt. Sie umfassen unter anderem ein Waffenembargo, das bis heute gilt. Bei der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung waren bei einem Einsatz der Volksbefreiungsarmee gegen friedliche Demonstranten Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt.

Die EU setzt für die Sanktionen einen im Dezember verabschiedeten Rechtsrahmen ein, durch den Menschenrechtsverletzungen weltweit besser geahndet werden sollen. Erstmals hatte die EU Anfang März im Fall des inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny davon Gebrauch gemacht.

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg bezeichnete den Schritt gegen China am Montag als ein „wichtiges Signal“. „Der Einsatz für Menschenrechte kann keinen Lockdown kennen. Mit diesem Menschenrechtssanktionsregime haben wir endlich ein wertegerechtes Werkzeug zur Hand, mit dem wir schneller und flexibler agieren können“, sagte Schallenberg.

Schilderungen einer Betroffenen

Jüngst hatte die in Frankreich lebende Exiluigurin Gulbahar Haitiwaji in einem Buch über ihre Misshandlung als Mitglied der muslimischen Minderheit in ihrer Heimat berichtet. Das Buch mit dem Titel „Rescapee du goulag chinois“ (Überlebende des chinesischen Gulags) erschien im Jänner in Frankreich und wird derzeit ins Englische übersetzt. Haitiwaji schildert darin, wie ihr Arbeitgeber, ein chinesischer Ölkonzern, sie im November 2016 zu einer Dienstreise nach China aufforderte – nach zehnjährigem Aufenthalt in Frankreich.

Bei der Ankunft in China sei ihr der Pass abgenommen worden, und sie sei Anfang 2017 in einem Lager in ihrer Heimatprovinz Xinjiang interniert worden, schreibt Haitiwaji in ihrem Buch. Darin ist von „Indoktrinierung“, „erzwungenen falschen Geständnissen“ und „Strafen“ die Rede. Nach Angaben der Uigurin erlitt sie Hunger und Folter und wurde in einem Scheinprozess zu sieben Jahren „Umerziehung“ verurteilt. Die chinesischen Behörden bestreiten die Darstellung und werfen ihr „Lügen“ vor.

Haitiwaji kam mit Hilfe ihrer in Frankreich lebenden Tochter frei. Diese gab zahlreiche Interviews und machte das französische Außenministerium auf den Fall ihrer Mutter aufmerksam, das in Peking intervenierte. Daraufhin sei sie aus dem Lager zunächst in eine überwachte Wohnung verlegt und dann freigelassen worden, sagt Haitiwaji. Nach fast drei Jahren konnte sie nach Frankreich ausreisen. „Ich habe mich nie politisch engagiert und China nie etwas getan“, sagte sie. „Ich will einfach nur, dass diese Lager schließen. Mit Hilfe der westlichen Welt können wir das erreichen.“