„ZX8000 Porcelain“ von Adidas
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Kuriose Investments

Superreiche in Sammelwut

Von Pokemon-Karten bis Kryptokunst: Die Pandemie scheint einige Superreiche tief in die Sammelleidenschaft getrieben zu haben. In den letzten Monaten wurde nicht nur ein Auktionsrekord nach dem anderen geknackt, „alternative Anlagen“ wie Sneakers, Panini-Bilder und die virtuelle Kunstsammlung via Blockchain versprechen derzeit bizarre Renditen – entsprechendes Risiko vorprogrammiert.

Astronomische Preise erzielten zuletzt Sportsammelkarten. Diese erreichten während der Pandemie „das Niveau von Warhols“, so zuletzt die „New York Times“. Für 5,1 Millionen Dollar (4,3 Mio. Euro) wurde kürzlich bei PWCC eine Sammelkarte der Baseball-Ikone Mickey Mantle aus dem Jahr 1952 versteigert. Bemerkenswert ist, dass sich deren Wert binnen zwei Jahren nahezu verdoppelt hat.

Die Wertexplosion ist aber keine Ausnahme, viel mehr jagt bei Sammelkarten aktuell ein Rekord den nächsten. Nicht nur historische Stücke erreichen dabei Höchstpreise. Eine seltene Panini-Karte des 22-jährigen NBA-Stars Luka Doncic wurde im Jänner um 4,6 Millionen Dollar (3,9 Mio. Euro) versteigert, eine Sammelkarte von Football-Star Tom Brady erreichte im Jänner 1,1 Millionen Dollar (930.000 Euro).

1952 Topps Mickey Mantle Baseball Sammelkarte
AP/David Zalubowski
Die teuerste Sportsammelkarte der Welt zeigt die Yankees-Legende Mickey Mantle

Teure Schulhofnostalgie

Nun hat jede Generation ihr Schulhofhobby – und so brummt vor allem unter nostalgischen Millenial-Millionären auch der Handel mit Pokemon-Sammelkarten. Boosterpacks aus den frühen Zeiten des Sammelkartenspiels werden auf eBay je nach Edition für Hunderte, wenn nicht gar Zehntausende Euro gehandelt.

Auch bei den Einzelkarten purzelten während der Pandemie die Rekorde. Die japanische „Pikachu Illustrator“-Holo-Promokarte aus dem Jahr 1998 ging kürzlich für 375.000 Dollar (318.000 Euro) über die Theke und knackte damit den Rekord. Ein weiteres Exemplar dieses raren Stückes wird derzeit auf eBay für drei Millionen Dollar feilgeboten.

Bereits im Oktober hatte der US-Rapper Logic eine andere Pokemon-Karte um 220.000 Dollar (186.600 Euro) ersteigert und das emotional begründet: Als Kind habe er die Karten geliebt, sich diese aber nicht leisten können und sogar versucht, Essensmarken gegen sie zu tauschen. Nur zwei Monate später wurde die gleiche Karte erneut verkauft – dieses Mal bereits um 350.100 Dollar (297.000 Euro) und damit einem Plus von sagenhaften 130.100 Dollar (110.500 Euro).

„Manie“ und Hype

Es ist ergo wohl nicht nur Leidenschaft, sondern auch die Aussicht auf derartige Rendite, mit denen die Renaissance des Sammlergeschäfts lockt. Monatelang hätten institutionelle und Kleinanleger die Preise von Aktien, Immobilien und Kryptowährungen hochgetrieben, nun habe die „Manie“ auch die riskantesten und teils auch skurrilsten Märkte erfasst, so die „New York Times“. Das Ganze läuft unter dem Banner „alternativer Anlageklassen“ – und diese umfassen von Sammelkarten über Sneakers bis hin zu Whiskey alles, was zumindest temporär einen Hype auslösen kann.

The  Air Jordan 1 High Sneakers von Michael Jordan
APA/AFP/Timothy A. Clary
Diese Sneakers von Michael Jordan aus dem Jahr 1985 brachten im Mai rund eine halbe Million ein

Übrigens will man auch hier künftig vermehrt Kleinanleger ansprechen. Investitionen in teure Sammlerstücke wie Oldtimer, Uhren und Kunst waren aufgrund fehlender Liquidität bisher eher eine Angelegenheit für sehr reiche Menschen. Mittlerweile bieten allerdings mehrere Portale den Kauf von Anteilen an Sammlerstücken an – man kauft sich beispielsweise ein Hundertstel einer Birkin Bag von Hermes. Mit diesen Anteilen kann dann gehandelt werden wie mit Aktien.

Die große Unbekannte NFT

Für Schlagzeilen und hochgezogene Augenbrauen sorgte zuletzt auch ein Sammlerboom, der erst einmal nach Tech-Voodoo klingt. Die Rede ist von Non-Fungible Tokens (NFTs), die derzeit auf dem Kunstmarkt für Millionendeals sorgt. Die Technologie auf Blockchain-Basis ist die derzeit omnipräsente und doch große Unbekannte im Feuilleton. Dabei steht hinter NFTs ein durchaus greifbares Grundprinzip, das sich auch mit praktischen Beispielen illustrieren lässt.

Man denke dazu erst einmal an ein Bündel Zehn-Euro-Scheine. Jeder dieser Scheine hat den gleichen Wert, erfüllt die gleiche Funktion und lässt sich durch andere Zehn-Euro-Scheine ersetzen. Er ist dadurch fungibel, ebenso wie ein Goldbarren, Aktien oder reguläre Bitcoins. Komplizierter wird die Sache, wenn sich unter den Banknoten der allererste gedruckte Zehn-Euro-Schein der Welt befindet. Dieser ist einzigartig, mit einer immateriellen Bedeutung aufgeladen und gewinnt dadurch an besonderem Wert – und ist damit schon nicht mehr fungibel.

Einzigartigkeit in der Copy&Paste-Ära

Darauf basiert auch das Prinzip des Sammlerwerts. Paradebeispiel ist hier der Kunstmarkt, auf dem ein Picasso-Original mehr Wert ist als idente Kopien des Gemäldes. Nun leben wir in der digitalen Ära von Copy&Paste: Kunstwerke, Musik, Videos und anderer Content lässt sich unbegrenzt und ohne Qualitätsverlust vervielfältigen und teilen. Wie „adelt“ man hierbei einzelne Kreationen – etwa weil sie unmittelbar vom Urheber oder der Urheberin stammen?

Hier kommen die NFTs ins Spiel: Durch sie werden via Blockchain einzigartige und „signierte“ Sammlerstücke zu digitalen Inhalten generiert. Diese repräsentierten die digitalen Kunstwerke oder Inhalte. Am Kunstwerk an sich ändert sich dadurch nichts; viel mehr geht es um den Erwerb eines virtuellen „Eigentums- und Echtheitszertfikats“, dessen Wert theoretisch steigen könnte – oder eben auch nicht. Die zugrundeliegende Blockchain-Technologie verhindert jedenfalls, dass das Sammlerstück vervielfältigt, gefälscht oder repliziert werden kann. Sie ermöglicht außerdem eine lückenlose Verfolgung der Eigentümerverhältnisse.

NFT-Kunst um 70 Mio. Dollar

Diese künstliche Verknappung von digitalen Inhalten scheint auf den ersten Blick bizarr, sie sorgt bei Prominenten und Unternehmern aber für lockere Geldbeutel. Der indische Kryptomultimillionär Vignesh Sundaresan ersteigerte bei Christie’s das NFT-Werk „Everydays: The First 5000 Days“ des Künstlers Beeple für rekordverdächtige 69,3 Millionen Dollar (58,6 Mio. Euro). Bisher schafften es nur David Hockney und Jeff Koons, Werke zu Lebzeiten zu solchen Preisen zu verkaufen.

NFT Collage von Beeple
APA/AFP/Christie’s Auction House
Das 70-Mio.-Dollar NFT-Kunstwerk von Beeple

Absurde Preise erzielte auch ein NFT von Twitter-Chef Jack Dorseys erstem Tweet. Ein Softwareunternehmer aus Malaysia legte dafür 2,9 Millionen Dollar (2,5 Mio. Euro) hin. Und auch der selbst ernannte „Tesla-Technoking“ Elon Musk und seine Frau, die Künstlerin Grimes, gelten als große Freunde von NFTs. Grimes veräußerte bereits NFT-Kunst um sechs Millonen Dollar (5,1 Mio. Dollar), Musk selbst wollte erst einen NFT-Technosong versteigern, entschied sich dann aber doch dagegen. Dieser enthielt die bezeichnende Textzeile „NFT, for your vanity“ (Deutsch: „NFT, für deine Eitelkeit“).

Geld „macht dumme Sachen“

Diese obskure Investmentrallys in „alternative Anlageformen“ reihen sich jedenfalls nahtlos an die boomenden Börsen und den Kryptosiegeszug ein. „Derzeit ist alles aufgestaut, und das Geld kann nirgendwohin, also macht es dumme Sachen“, so der Investor, Unternehmer und Finanzanalyst Howard Lindzon in der „New York Times“. Dazu sieht die Zeitung eine grassierende „Fear of Missing Out“ – also die Angst, eine Renditemöglichkeit wie bei Bitcoin zu versäumen.

Diese aufgeheizte Stimmung verursache durchaus Sorgen – vor allem angesichts der extremen wirtschaftlichen Unsicherheit, der sich stetig vertiefenden Verteilungskluft und einer stark erhöhten Risikobereitschaft vieler Marktteilnehmer. Gerade wegen Letzterer werden auch die „Miniblasen“ rund um Sneakers, Sammelkarten und Co. mit Argusaugen vermessen. Vorsicht sei geboten – vor allem für all jene, die nicht über einen Kontostand von Tesla-Chef Musk verfügen.