Pressekonferenz zu Corona-Maßnahmen
APA/Helmut Fohringer
Vorerst keine Änderungen

Neue Maßnahmen für Ostregion geplant

Für zukünftige Öffnungsschritte in Österreich soll nicht nur auf die Inzidenz, sondern auch auf die Impfrate und die Lage in den Spitälern und besonders auf den Intensivstationen abgestellt werden. Das sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Montag. Den Weg der Regionalisierung werde man fortsetzen: Wien, Niederösterreich und das Burgenland sollen mit den Gesundheitsministerium neue Maßnahmen planen. Einstweilen bleibt aber alles, wie es ist: Die Gastroöffnung ist damit vom Tisch.

Der Regierungschef begründete das Ausbleiben von Öffnungen etwa der Gastgärten damit, dass die Experten entsprechende Einschätzungen abgegeben hätten. Nur in Vorarlberg wird man den Pilotversuch fortführen. Wo nach Ostern die Lage auf den Intensivstationen stabil ist, wird es ebenfalls zu Lockerungen kommen. Auf ein genaues Datum wollte sich Kurz auf Nachfrage nicht festlegen.

Auf der anderen Seite müssen in Regionen, wo die Fallzahlen über 400 pro 100.000 Einwohner liegen, Sofortmaßnahmen gesetzt werden. Diese würden auf die jeweilige Region „maßgeschneidert“, so Kurz. Ausgebaut werden die Tests, und zwar derart, dass nun in den Teststraßen auch Eigentests unter Aufsicht durchgeführt werden, womit die Kapazitäten weiter erhöht werden sollen.

Nicht nur Inzidenzen als Entscheidungsgrundlage

Insbesondere aufgrund des Testens sei es möglich gewesen, dass die Ansteckungszahlen in einer abgeschwächten und linearen Form wachsen – und nicht in explosionsartigem Ausmaß. Der Kanzler betonte einmal mehr, dass in Österreich mit FFP2-Masken zum Selbstkostenpreis und Gratistests ein Angebot bestehe, wie es das in kaum einem anderen Land gebe.

Regierung setzt auf regionale Maßnahmen

Vier Stunden verhandelten Bund und Länder am Montagnachmittag über Lockerungen und Verschärfungen. Ergebnis: Es bleibt vor allem bei regionalen Maßnahmen. Bei künftigen Entscheidungen wird neben den Infektionszahlen auch auf den Impffortschritt und die Situation in den Spitälern geschaut.

Allerdings soll die Infektionszahl an sich nicht mehr das alleinige Entscheidungskriterium für künftige Öffnungsschritte sein. So müssten auch die Lage auf den Intensivstationen und die Impfrate einbezogen werden. In Sachen Impfen versicherte Kurz, dass vor dem Sommer jeder willige Österreicher zumindest eine erste Teilimpfung erhalten wird. Im April wird der Fokus auf den über 65-Jährigen liegen, im Mai auf den über 50-Jährigen, ab Juni kommen dann die Jüngeren an die Reihe.

Keine Sonderregeln zu Ostern

Für die Osterferien ist übrigens im Gegensatz zu ursprünglichen Überlegungen keine Sonderregel wie zu Weihnachten angedacht, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ausführte. Das heißt, die Kontaktbeschränkungen bleiben im derzeitigen Ausmaß bestehen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Helmut Fohringer
Anschober bei der Pressekonferenz

Anschober begründete die angespannte Situation mit der Ausbreitung der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Variante B.1.1.7. 74 Prozent aller Infektionen seien mittlerweile auf die Mutation zurückzuführen. Bei ihr liege auch die Reproduktionszahl weit höher als bei der ursprünglichen Virusversion, sie liege bei 1,18. 100 Infizierte stecken derzeit also 118 Menschen an. Und mit dieser Variante steige auch das Risiko, auf einer Intensivstation behandelt werden zu müssen. Das liege bei 1,3 Prozent, verglichen mit 0,7 Prozent bei der Ursprungsform.

Keine Schulschließungen

Von Schulschließungen war vorerst aber nicht die Rede. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will diese auch möglichst verhindern und versicherte, beim in den kommenden Tagen stattfindenden Gipfel mit dem Gesundheitsministerium auf die gelindesten Mittel zu setzen. Allerdings kann er sich noch rigidere Maßnahmen vorstellen, wenn ein Fall in einer Klasse auftritt.

Analyse von Hans Bürger (Innenpolitik) und Günther Mayr (Wissenschaft)

Im Vorfeld war schon von der Notbremse die Rede, Experten und Expertinnen forderte strengere Maßnahmen – das alles kommt jetzt doch nicht. Wie überraschend ist das? Hans Bürger und Günther Mayr analysieren.

Ländervertreter zufrieden

Mehrere Bundesländervertreter zeigten sich über die Ergebnisse beim Gipfel zufrieden. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) freute sich nach der Sitzung vor allem über das angekündigte Anlegen neuer Maßstäbe bei den Entscheidungsgrundlagen. Nicht nur die Inzidenz alleine sei nunmehr maßgeblich. „Man muss das Gesamtpaket betrachten“, betonte auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP).

Die Landeshauptleute bestätigten, dass bei den Coronavirus-Maßnahmen bis nach Ostern der Status quo vorerst beibehalten werde. „Direkte Maßnahmen hat es nicht gegeben“, so Kaiser. Auch die zuvor diskutierte Verlängerung der Osterferien sei damit vom Tisch.

Freude über „erweiterte Perspektive“

Freude bei Kaiser herrschte über die in Aussicht gestellte „erweiterte Perspektive“ weg von der „reinen Zahlenfixiertheit“. Dazu zähle auch die Belegung der Intensivbetten, zu der es eine eigene Arbeitsgruppe geben werde. „Ich habe vor Langem eingebracht, dass wir mehrere Aspekte berücksichtigen müssen“, sagte Wallner, der sich auch bestätigt sah. Es greife viel zu kurz, lediglich die jeweilige Inzidenz zu betrachten. Wallner hofft nun, gänzlich ohne weiteren Lockdown durchzukommen.

Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP) zeigte sich in einer Stellungnahme ebenfalls zufrieden. „Auch wenn manche Experten für weitere Verschärfungen sind, so müssen wir aufpassen, dass wir vor lauter Verschärfen die Leute nicht auf halber Strecke verlieren.“ Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zeigte sich zufrieden mit den neuen Maßstäben: „Ich empfinde die Vorgangsweise, dass künftig nicht mehr nur die Neuinfektionen zur Bewertung der Lage herangezogen werden, als sehr sinnvoll.“ In den vergangenen Wochen und Monaten habe sich durch das Voranschreiten der Impfstrategie die Situation maßgeblich geändert. „Entscheidend ist, dass die Intensivstationen und Krankenhäuser nicht an ihre Belastungsgrenzen kommen“, sagte Platter.

Rendi-Wagner: „Spärliches Ergebnis“

Enttäuscht reagierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf den nicht allzu konkreten Ausgang des Bund-Länder-Gipfels zur Coronavirus-Pandemie. Wörtlich sprach sie von einem „spärlichen Ergebnis“. Die Lage sei ernst, es brauche eine Trendumkehr des gefährlichen Anstiegs bei den Intensivpatienten.

Reaktionen auf die neuen Coronavirus-Beschlüsse

Die Opposition übte Kritik an den getroffenen Entscheidungen

Die Opposition war wie üblich an Entscheidungsmontagen zu einem Gespräch mit Regierung und Experten ins Kanzleramt gebeten worden. Erfahren hatte sie dabei zu Mittag wenig, was angesichts des Ergebnisses im Nachhinein wenig überraschend war. Rendi-Wagner hatte danach gewarnt, dass bei einem weiteren Anstieg der Infektionen die Intensivstationen in zwei bis drei Wochen ihre Kapazitätsgrenzen erreichen würden. Das hätten heute in der Videokonferenz auch alle Experten bestätigt, hieß es danach in einem schriftlichen Statement.

Hofer für „Impf-Turbo“, NEOS ratlos

FPÖ-Obmann Norbert Hofer sprach sich einmal mehr gegen eine „direkte“ Testpflicht aus. Stattdessen verlangte er die Anerkennung von Heimtests und einen „Turbo“ beim Impfen mit klaren Priorisierungsregeln. Absagen bekam der FPÖ-Chef für seine Forderungen nach erleichterter Einreise – ohne Quarantäne – aus Ländern mit geringerer Fallzahl oder nach Luftreinigungsgeräten für Schulklassen.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah im Ausbau der Testungen einen wichtigen Schlüssel zur Bekämpfung der Pandemie – und forderte, wie schon am Vormittag in einer Pressekonferenz, die Möglichkeit, die Schulen offen zu halten.

Gesundheitssprecher Gerald Loacker zeigte sich in einer Aussendung „ratlos“. Die Regierung kündige Entscheidungen an und treffe sie dann nicht: „Das ist das schlechteste Ergebnis, das erzielt werden kann.“ So werde das Vertrauen der Bürger in das Krisenmanagement der Regierung weiter sinken.

Gastronomie fordert Perspektive

Für die Gastronomie, die bald den fünften Monat geschlossen hat, ist die erneute Verlängerung sehr unbefriedigend. „Wir brauchen eine Perspektive mit einem Öffnungsdatum“ sagte Gastroobmann Mario Pulker. Wenigstens ein „Worst Case“-Szenario, also das späteste Öffnungsdatum im schlimmsten Fall, sollte feststehen. „Das kann man schon von der Regierung verlangen“, so Pulker. Abgesehen davon bereite der Branche Sorge, dass das Arbeitsmarktservice zunehmend Mitarbeiter auf andere Berufe umschule.

WKÖ-Präsident Harald Mahrer und WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf forderten erneut eine Perspektive für die geschlossenen Betriebe. Das Beispiel Vorarlberg zeige, dass „eine schrittweise Rückkehr zur Normalität bei sorgfältiger und konsequenter Nutzung der vorhandenen Werkzeuge wie regelmäßigen Testens, FFP2-Masken und der Sicherheitskonzepte der Betriebe möglich“ sei, sagte Mahrer.

Die Händler sind mit dem Ausgang des Bund/Länder-Gipfels zufrieden. „Der Handel ist erleichtert, dass es zu keinen Verschärfungen kommt“, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik. Damit sei „das für den Handel so wichtige Ostergeschäft“ gerettet.