Blick auf eine leere Fußgängerzone in Wiener Neustadt.
APA/Robert Jaeger
„Angespannte Situation“

Gipfel soll Maßnahmen für Ostregion klären

Nach dem CoV-Gipfel von Bund und Ländern am Montag sollen am Dienstag zwischen Gesundheitsministerium und Ländern der Ostregion in einem weiteren Gipfel „Maßnahmen“ diskutiert werden. Regionale Maßnahmen scheinen möglich. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gibt es ein Problem mit der Ausbreitung der Variante B.1.1.7 und damit eine „angespannte Situation“ auf Intensivstationen, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) es am Montag ausdrückte.

Der Gipfel findet laut Aussendung Dienstagabend im Gesundheitsministerium statt. Neben Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) werden daran die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) teilnehmen.

Der Handel wird in der Ostregion wohl nicht zusperren müssen. Im Handel gebe es Sicherheitsmaßnahmen und man sehe dort keine großen Ansteckungen, sagte Ludwig. Auch Kurz sagte, der Handel sei „definitiv nicht ein Bereich, wo wir ein Problem haben“. Welche weiteren – etwa drastischeren – Maßnahmen im Raum stehen, davon wurde am Montag nichts bekannt. In der ZIB2 Montagabend deutete Anschober allerdings eine mögliche Richtung an.

Anschober zu neuen Coronavirus-Beschlüssen

Der Coronavirus-Gipfel von Bund und Ländern hat weder Lockerungen noch Verschärfungen gebracht. Weitere Maßnahmen werden diskutiert. In der ZIB2 war dazu Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zu Gast.

„Kurier“: Große Sperrzone in NÖ möglich

Laut Anschober ist es das Ziel, den Zufluss auf die Intensivstationen, vor allem in Wien, zu drosseln, wie er in der ZIB2 sagte. Es dürfe in Österreich nicht zu Triagen kommen, also Entscheidungen, wer behandelt wird und wer nicht. So meinte er, dass es in Sozialräumen von Arbeitsplätzen oft zu Ansteckungen komme. Er deutete an, dass die FFP2-Maskenpflicht vor allem in Innenräumen und ein Ausbau des Testens geplant seien. Auch ein vorübergehender Übergang ins Distance-Learning sei für ihn noch nicht vom Tisch. Wenn Kinder und Jugendliche in der Schule seien, könne man sie aber regelmäßig testen, gab der Minister zugleich zu bedenken.

Laut „Kurier“ könnte es in Niederösterreich zu einer recht großen Sperrzone kommen. Nach der 50.000-Einwohner-Stadt Wiener Neustadt lägen die beiden Nachbarbezirke Wiener Neustadt-Land und Neunkirchen seit Tagen über der 400er-Inzidenz, schreibt der „Kurier“. In einem Gebiet, das fast sechsmal so groß sei wie Wien, flächendeckend Ausreisetests zu verlangen sei unmöglich, hieß es von der Polizei gegenüber der Zeitung.

Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) hält nichts von schärferen Einschnitten: „Die beste Maßnahme hilft nichts, wenn wir sie nur am Papier stehen haben“, sagte sie im Ö1-Morgenjournal. So setzt man jetzt auf Reden und Zureden: Ein bereits etabliertes „Vorwarnsystem“ (ab 7-Tage-Inzidenz von 300) sehe vor, dass Bezirkshauptmannschaften intensiv mit Bürgermeistern in Austausch gehen und dass die Bürger verstärkt informiert und zum Testen angehalten werden. Und man werde, so Königsberger-Ludwig, positiv Getestete verstärkt bitten, ihre Kontakte bekanntzugeben.

Anschober: „Allein auf weiter Flur“

Die Regierung hatte bei einer Pressekonferenz am Montagnachmittag verkündet, dass die Gastronomieöffnung auf Eis gelegt werde, alles andere aber zunächst bleibe, wie es ist. Allerdings soll die Infektionszahl an sich nicht mehr das alleinige Entscheidungskriterium für künftige Öffnungsschritte sein. So müssten auch die Lage auf den Intensivstationen und die Impfrate einbezogen werden, sagte Kurz.

Anschober deutete am Montagabend in der ZIB2 an, mit Plänen für schärfere Maßnahmen nicht durchgedrungen zu sein: Als Gesundheitsminister stehe man manchmal „allein auf weiter Flur“, sagte er. Er kämpfe um die „bestmöglichen und effizienten“ Maßnahmen, sagte Anschober später in der ZIB2: „Ich dränge, ich drücke, ich fordere.“ Er brauche aber auch Entscheidungen, die breit getragen würden – und die auch von der Regierung und den Bundesländern getragen würden. Damit deutete er an, dass es auch dort Widerstände gegen verschärfte Maßnahmen gibt.

Keine Ausnahmen für Ostern

Für die Osterferien ist übrigens im Gegensatz zu ursprünglichen Überlegungen keine Sonderregel wie zu Weihnachten angedacht, hatte Anschober bereits bei der Pressekonferenz gesagt. Das heißt, die Kontaktbeschränkungen bleiben im derzeitigen Ausmaß bestehen.

Anschober begründete die angespannte Situation mit der Ausbreitung der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Variante B.1.1.7. 74 Prozent aller Infektionen seien mittlerweile auf die Mutation zurückzuführen. Bei ihr liege auch die Reproduktionszahl weit höher als bei der ursprünglichen Virusversion, sie liege bei 1,18. 100 Infizierte stecken derzeit also 118 Menschen an. Und mit dieser Variante steige auch das Risiko, auf einer Intensivstation behandelt werden zu müssen. Das liege bei 1,3 Prozent, verglichen mit 0,7 Prozent bei der Ursprungsform.

Sofortmaßnahmen in Regionen mit Inzidenz über 400

Kurz begründete das Ausbleiben von Öffnungen etwa der Gastgärten damit, dass die Experten entsprechende Einschätzungen abgegeben hätten. Nur in Vorarlberg wird man den Pilotversuch fortführen. Wo nach Ostern die Lage auf den Intensivstationen stabil ist, wird es ebenfalls zu Lockerungen kommen. Auf ein genaues Datum wollte sich Kurz auf Nachfrage nicht festlegen.

Auf der anderen Seite müssen in Regionen, wo die Fallzahlen über 400 pro 100.000 Einwohner liegen, Sofortmaßnahmen gesetzt werden. Diese würden auf die jeweilige Region „maßgeschneidert“, so Kurz. Ausgebaut werden die Tests, und zwar derart, dass nun in den Teststraßen auch Eigentests unter Aufsicht durchgeführt werden, womit die Kapazitäten weiter erhöht werden sollen.

Wie es mit dem Impfen weitergehen soll

Insbesondere aufgrund des Testens sei es möglich gewesen, dass die Ansteckungszahlen in einer abgeschwächten und linearen Form wachsen seien – und nicht in explosionsartigem Ausmaß. Der Kanzler betonte einmal mehr, dass in Österreich mit FFP2-Masken zum Selbstkostenpreis und Gratistests ein Angebot bestehe, wie es das in kaum einem anderen Land gebe.

Regierung setzt auf regionale Maßnahmen

Vier Stunden verhandelten Bund und Länder am Montagnachmittag über Lockerungen und Verschärfungen. Ergebnis: Es bleibt vor allem bei regionalen Maßnahmen. Bei künftigen Entscheidungen wird neben den Infektionszahlen auch auf den Impffortschritt und die Situation in den Spitälern geschaut.

In Sachen Impfen versicherte Kurz, dass vor dem Sommer jeder willige Österreicher zumindest eine erste Teilimpfung erhalten wird. Im April wird der Fokus auf den über 65-Jährigen liegen, im Mai auf den über 50-Jährigen, ab Juni kommen dann die Jüngeren an die Reihe.

Keine Schulschließungen

Von Schulschließungen war vorerst aber nicht die Rede. Wiens Bürgermeister Ludwig will diese auch möglichst verhindern und versicherte, beim Gipfel mit dem Gesundheitsministerium auf die gelindesten Mittel zu setzen. Allerdings kann er sich noch rigidere Maßnahmen vorstellen, wenn ein Fall in einer Klasse auftritt.

Analyse von Hans Bürger (Innenpolitik) und Günther Mayr (Wissenschaft)

Im Vorfeld war schon von der Notbremse die Rede, Experten und Expertinnen forderte strengere Maßnahmen – das alles kommt jetzt doch nicht. Wie überraschend ist das? Hans Bürger und Günther Mayr analysieren.

Mehrere Bundesländervertreter zeigten sich über die Ergebnisse beim Gipfel zufrieden. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) freute sich nach der Sitzung vor allem über das angekündigte Anlegen neuer Maßstäbe bei den Entscheidungsgrundlagen. Nicht nur die Inzidenz alleine sei nunmehr maßgeblich. „Man muss das Gesamtpaket betrachten“, betonte auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP).

Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP) sagte: „Auch wenn manche Experten für weitere Verschärfungen sind, so müssen wir aufpassen, dass wir vor lauter Verschärfen die Leute nicht auf halber Strecke verlieren.“ Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zeigte sich zufrieden mit den neuen Maßstäben: „Ich empfinde die Vorgangsweise, dass künftig nicht mehr nur die Neuinfektionen zur Bewertung der Lage herangezogen werden, als sehr sinnvoll.“

Rendi-Wagner: „Spärliches Ergebnis“

Unzufrieden mit dem Dargebotenen ist die Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die entgegen der Position der sozialdemokratischen Landeshauptleute strikte Maßnahmen befürwortet, sprach von einem „spärlichen Ergebnis“.

Auch NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker gab sich eher konsterniert. Die Regierung kündige Entscheidungen an, treffe sie aber nicht: „Das ist das schlechteste Ergebnis, das erzielt werden kann.“ FPÖ-Obmann Norbert Hofer kritisierte, dass der Versuch einer Lösungsfindung in einer so wichtigen Phase schon nach wenigen Stunden aufgegeben wurde. „Dadurch verschenkt die Regierung wertvolle Zeit in der Pandemiebekämpfung.“

Reaktionen auf die neuen Coronavirus-Beschlüsse

Die Opposition übte Kritik an den getroffenen Entscheidungen

Gastronomie fordert Perspektive

Für die Gastronomie, die bald den fünften Monat geschlossen hat, ist die erneute Verlängerung sehr unbefriedigend. „Wir brauchen eine Perspektive mit einem Öffnungsdatum“ sagte Gastroobmann Mario Pulker. Wenigstens ein „Worst Case“-Szenario, also das späteste Öffnungsdatum im schlimmsten Fall, sollte feststehen. „Das kann man schon von der Regierung verlangen“, so Pulker. Abgesehen davon bereite der Branche Sorge, dass das Arbeitsmarktservice zunehmend Mitarbeiter auf andere Berufe umschule.

WKÖ-Präsident Harald Mahrer und WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf forderten erneut eine Perspektive für die geschlossenen Betriebe. Das Beispiel Vorarlberg zeige, dass „eine schrittweise Rückkehr zur Normalität bei sorgfältiger und konsequenter Nutzung der vorhandenen Werkzeuge wie regelmäßigen Testens, FFP2-Masken und der Sicherheitskonzepte der Betriebe möglich“ sei, sagte Mahrer.

Die Händler sind mit dem Ausgang des Bund-Länder-Gipfels zufrieden. „Der Handel ist erleichtert, dass es zu keinen Verschärfungen kommt“, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik. Damit sei „das für den Handel so wichtige Ostergeschäft“ gerettet.