SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
APA/Helmut Fohringer
CoV-Maßnahmen

Breite Kritik an fehlenden Entscheidungen

Nach dem CoV-Gipfel am Montag hat die Opposition am Dienstag kein gutes Haar an der Regierung gelassen. Vor allem die fehlenden Entscheidungen wurden kritisiert. „Im Krisenmanagement ist keine Entscheidung noch schlimmer als eine falsche Entscheidung“, so etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. FPÖ und NEOS schlugen in dieselbe Kerbe. Doch Kritik kommt nicht nur von den politischen Mitbewerbern, sondern auch aus dem Rechnungshof.

Bund und Länder hatten sich Montagnachmittag auf keine konkreten Maßnahmen geeinigt. Stattdessen findet nun am Dienstagabend ein weiterer Gipfel mit den Vertretern der Ostregion statt. Neben Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) werden daran die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) teilnehmen.

Rendi-Wagner hält angesichts der steigenden Infektionszahlen und der „besorgniserregenden Lage“ auf den Intensivstationen eine „Trendumkehr“ für dringend notwendig. Die Regierung habe am Montag de facto keine Entscheidung getroffen. Im Krisenmanagement sei aber keine Entscheidung noch schlimmer als eine falsche. Für die SPÖ-Vorsitzende ist die Nichtentscheidung „Ausdruck von Plan- und Hilflosigkeit“ sowie ein Zeichen des „Autoritätsverlustes“ der Regierung. „Das Virus ist keine heiße Kartoffel, die man am Verhandlungstisch hin und her schieben kann.“

Gipfel der Ostregion soll Entscheidung bringen

Auf einem Gipfel am Dienstagabend soll über weitere Entscheidungen in Sachen CoV-Maßnahmen in der Ostregion verhandelt werden. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grünen) will für die besonders betroffenen Bundesländer härtere Maßnahmen durchsetzen.

„Regierung hat keinen Plan und kein Ziel“

Die Regierung habe das Ruder aus der Hand gegeben und hoffe, „den Eisberg nicht zu rammen“. Die Politik könne gemeinsam mit der Bevölkerung den Kampf gegen das Virus führen. Dazu brauche es aber Entschlossenheit, Mut und Ehrlichkeit, forderte Rendi-Wagner von der Regierung. Man dürfe sich nicht wundern, dass die Bevölkerung nicht mehr mitgehe, weil sie wisse nicht, wohin. Die Regierung habe keinen Plan und kein Ziel. Zentrale Aussage des Gipfels am Montag war für Rendi-Wagner jene des Intensivmediziners Klaus Markstaller, wonach in zwei bis drei Wochen der kritische Punkt erreicht sei und eine Minderversorgung für alle Patienten drohe, wenn man nicht „jetzt“ Maßnahmen setze. Eine vorausschauende Planung sei notwendig, weil es 14 Tage dauere, bis die Maßnahmen wirken.

Die Empfehlung der Medizinerin Rendi-Wagner wäre es, eine Rücknahme der Öffnungsschritte vom Februar zu überlegen. Auf die Frage, ob das nur in der derzeit besonders betroffenen Ostregion geschehen solle, sagte sie, regionale Maßnahmen seien wichtig, effektiver wäre aber ein bundesweites Vorgehen. Zusätzlich hält die SPÖ-Vorsitzende noch mehr testen, mehr Tempo beim Impfen und ein verbessertes Contact-Tracing für nötig. Zum Einwand, dass mehrere SPÖ-Politiker vor allem in den Ländern im Gegensatz zu ihr Öffnungsschritte befürworten, sagte Rendi-Wagner, dass „die Bundesregierung die zentrale Verantwortung hat“. Eine Öffnung etwa der Schanigärten sei keine Frage des Wollens, sondern eine Frage, was notwendig sei.

Doskozil hofft hingegen auf dem neuen Gipfel auf einen Kompromiss, übte gleichzeitig aber Kritik am Ablauf der Beratungen am Montag – mehr dazu in burgenland.ORF.at. Ludwig geht indes von Verschärfungen aus. „Wir werden in der Ostregion mit Sicherheit verschärfende Maßnahmen setzen und keine Öffnungsschritte“, so Ludwig zu Mittag – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kickl: Völlige Plan- und Konzeptlosigkeit

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ortete in dem CoV-Gipfel am Montag „einmal mehr einen Beweis dafür, dass die Bundesregierung unter völliger Plan- und Konzeptlosigkeit leidet“. Seit Wochen seien „entsprechende Lockerungsschritte angeteasert worden“, passiert sei nichts. Übrig bleibe, ein „unglaublicher regionaler Corona-Kuddelmuddel“, so Kickl. „Das, was nächste Woche gilt, kann übernächste Woche schon wieder nicht mehr gelten.“ Mit effektivem CoV-Management habe das jedenfalls „nichts zu tun“.

Am Montag habe man einen „innerösterreichischen Basar“ erlebt, bei dem sich die Regierung gegenüber den Ländern nicht durchgesetzt habe, so Kickl. Das sei nicht der „Befreiungsschlag“ gewesen, „den wir dringend brauchten“, sondern nichts anderes als die Fortsetzung der „Hinhaltetaktik“. Und wenn die Bundesregierung die Zahl der Intensivbetten als „entscheidende Steuerungsgröße“ bezeichne, handle es sich dabei um eine „einzige Selbstanklage der Bundesregierung“, so der freiheitliche Klubobmann. Die FPÖ habe bereits im Spätsommer den dringenden Appell gerichtet, die Kapazität der Intensivbetten zu erhöhen und eine „gesundheitspolitische Mobilmachung“ gefordert. Passiert sei aber nichts. Wäre die Bundesregierung nicht so „sturköpfig“ gewesen, hätten wir jetzt zusätzliche Kapazitäten – und das wäre günstiger als die wiederholten Lockdowns.

Opposition kritisiert Gipfelergebnis

Die SPÖ betont die steigenden Infektionszahlen und die besorgniserregenden Situation auf den Intensivstationen und fordert Entscheidungen. Die FPÖ will am Mittwoch im Parlament mit einer „Antragsflut“ kontern. NEOS sieht eine „Wiederauferstehung“ – und zwar der Macht der alten Landesfürsten.

NEOS: Wiederauferstehung der Landesfürsten

NEOS kritisierte ebenfalls die Tatenlosigkeit der Regierung nach dem Gipfel am Montag. Der „Wiederauferstehung der alten Landesfürsten“ seien Kanzler und Gesundheitsminister „relativ machtlos“ gegenüber gestanden, so Gesundheitssprecher Gerald Loacker in einer Pressekonferenz. Loacker tritt indes gegen mehr Verschärfungen ein und will stattdessen mehr Eintrittstests.

Dass am Dienstagabend beim nächsten Gipfel, diesmal zwischen Gesundheitsministerium und Ostregion mehr herauskommt als am Vortag, glaubt Loacker nicht. Er wüsste nicht, wieso die Landeshauptleute ihre Position ändern sollten. Loacker sieht Anschober bereits blamiert, habe der Minister es doch trotz Weisungsrecht nicht geschafft, seine Pläne durchzusetzen.

Hans Bürger zur Kritik der Opposition

ZIB-Innenpolitik-Chef Hans Bürger mit einer Analyse der Pressekonferenzen von NEOS, SPÖ und FPÖ, deren Kritik und der aktuellen CoV-Situation.

Kommunikation auf Augenhöhe gefordert

Der NEOS-Gesundheitssprecher forderte die Regierung auf, mit der Bevölkerung auf Augenhöhe zu kommunizieren. Von Babyelefanten spreche man mit Dreijährigen. Es gehöre einfach auf „erwachsene Art“ erklärt, dass Maßnahmen wie Abstandhalten und Testen Infektionen verhinderten. Um die Bevölkerung zu motivieren, sollten die Testungen verstärkt als Eintrittskarten verwendet werden. Die Gültigkeit sollte den Testtag selbst und den darauffolgenden umfassen.

Damit könnte man dann beispielsweise an Uniterminen oder Sportveranstaltungen teilnehmen. Ihm sei es lieber, wenn Menschen getestet mit Maske im Kino sitzen, als ungetestet ohne Maske daheim Filmabende veranstalten.

RH-Präsidentin vermisst klare Linie

Auch die Präsidentin des Rechnungshofs (RH), Margit Kraker, übte nach dem CoV-Gipfel vom Montag Kritik an der Vertagung „dringend notwendiger Entscheidungen“. „Die Einbindung und Abstimmung des Bundes mit den Ländern sind sehr wichtig, dennoch dürfen sie nicht zur gegenseitigen Blockade verkommen“, sagte Kraker am Dienstag zur APA. Derzeit tue man sich offensichtlich leichter, nicht zu entscheiden, als eine klare Linie vorzugeben.

Kraker erinnerte daran, dass der Rechnungshof bereits oft komplexe Entscheidungsstrukturen kritisiert habe. Für das Funktionieren des Staates sei das Zusammenwirken innerhalb der Regierung und zwischen Bund und Ländern ganz offensichtlich entscheidend. „Doch in der Krise stoßen wir mit den bestehenden Entscheidungs- und Handlungsstrukturen mitunter an die Grenzen der Handlungsfähigkeit.“ Gegenwärtig steuere man im Hinblick auf die nur langsamen Impffortschritte und die steigende Auslastung der Intensivbetten auf eine schwierige Situation zu.

Warnung vor wachsender Unsicherheit

„Bei den laufenden Gesprächen zwischen Bund und Ländern ist festzustellen, dass sich unser System sehr viel leichter damit tut, nicht zu entscheiden, als in Zeiten der Pandemie eine klare und nachvollziehbare Linie vorzugeben, die von der Bevölkerung auch angenommen werden kann“, konstatierte Kraker. Die gesundheitspolitische Verantwortung trage der Gesundheitsminister, so die RH-Präsidentin. „Die Länder sind dazu aufgerufen, seine als notwendig erkannten Forderungen und Maßnahmen umzusetzen und nicht zu relativieren.“

Die Menschen im Land würden klare Entscheidungsparameter und Sicherheit verlangen, so Kraker. „Ein politisches System, das im Krisenfall nicht in der Lage ist, sich rasch zu klaren Entscheidungen durchzuringen, lässt die Dinge treiben. Damit breitet sich die ohnehin schon vorhandene Unsicherheit noch weiter aus.“ Nach der CoV-Krise werde daher darüber zu reden sein, welche Lehren man daraus für die Zusammenarbeit im Staat ziehen müsse: „Ohne Tabus.“