Ziele für Güterverlagerung auf Schiene „unrealistisch“

Verkehrsexperte Sebastian Kummer warnt die Politik, dass unter den derzeitigen Voraussetzungen der Schienengüterverkehr die ihm zugedachte wichtigere Rolle nicht übernehmen kann.

Selbst bei optimistischer Annahme seien die Ziele nicht zu halten, daher müsse dringend die Effizienz auf Straße und Schiene erhöht werden – wobei das Potenzial im Straßentransport deutlich höher sei. Gerade in der Coronavirus-Pandemie habe die Schiene im Gütertransport gegenüber der Straße verloren.

„Der steigende Güterverkehr erfordert ein politisches Gesamtkonzept“, so Kummer im Gespräch mit der APA. Die von der Regierung anvisierten 49 Prozent mehr Straßentransport bis 2040 könne die Schiene nicht auffangen. „Der Güterverkehr in und durch Österreich wird Prognosen zufolge bis 2040 um rund 45 Prozent zunehmen. Selbst wenn der von Bahn und Politik angestrebte Anteil von 28 auf 40 Prozent am Modal Split (Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel, Anm.) erreicht wird, würde der Straßengüterverkehr bis 2040 um mehr als ein Fünftel steigen“, rechnet der Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft an der WU Wien vor.

Kapazität der Schiene „stößt an Grenzen“

Auch ein „realistischeres Szenario“ von plus 42 Prozent auf der Schiene und 49 Prozent Zuwachs auf der Straße würde die CO2-Emissionen stark steigen lassen und den EU-Klimazielen „diametral entgegenwirken“.

„Österreich braucht deshalb umgehend ein integriertes, an Klimazielen orientiertes Gesamtkonzept für die Gütermobilität auf Straße und Schiene“, so Kummer, der von einem „Weckruf“ und „akutem Handlungsbedarf“ spricht. Die Kapazität der Schiene werde – nicht zuletzt durch den wachsenden Personenverkehr – selbst bei Realisierung aller geplanten Ausbaumaßnahmen ab 2030 an ihre Grenzen stoßen.

Zudem würden Markttrends wie die wachsenden Onlinebestellungen den Transportbedarf jenseits der Bahn zusätzlich steigen lassen. Die drei milliardenschweren Bahntunnelprojekte Koralm, Semmering und Brenner würden sehr viel Geld binden und dem Inlandsverkehr nur bedingt zugutekommen.

Die größten Engpässe gebe es nämlich auf der Weststrecke. Die Politik habe sich viele Ziele gesteckt, am Handeln hapere es aber. Sinnvoll wäre es, wenn die Politik die Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Wissenschaft suchen würde, so der Institutsvorstand.