Gerald Loacker (NEOS), Jörg Leichtfried (SPÖ) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) im Rahmen einer Pressekonferenz
APA/Roland Schlager
Impfstoffbeschaffung

Weiter Hickhack um Kostendeckel

Die Opposition hat am Donnerstag geschlossen den Rücktritt von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gefordert – schließlich gebe es nun Beweise, dass er einen „Kostendeckel“ bei der Impfstoffbeschaffung verordnet habe. Der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried sprach von einem der „größten Skandale der österreichischen Geschichte“. Das Finanzministerium und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) widersprachen und wiesen die Vorwürfe zurück.

Angestoßen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schwelt seit Wochen eine Debatte, warum Österreich weniger Impfstoff gegen das Coronavirus bestellt hat, als möglich gewesen wäre. Der zuständige Spitzenbeamte des Gesundheitsministeriums, Clemens Martin Auer, musste sich deswegen zurückziehen.

Laut einem Bericht der „Kronen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) lieferte das grün geführte Gesundheitsministerium an den nicht öffentlichen „kleinen Untersuchungsausschuss“ einen Mailverkehr aus dem vergangenen Sommer, aus dem hervorgehen soll, dass das türkis geführte Finanzministerium einen Kostendeckel für die Impfstoffe gewollt habe.

Finanzminister Gernot Blümel
APA/Herbert Neubauer
Die Opposition sieht Blümel „eindeutig rücktrittsreif“ – im Finanzministerium sieht man die Dinge anders

Aus „mehr als“ wurden „bis zu 200 Millionen Euro“

So schlug das Gesundheitsministerium Ende Juli in einer auch der APA vorliegenden E-Mail „spontan“ einen Ministerratsvortrag vor, wonach bei der angestrebten Impfung von acht Millionen Menschen von einem „Gesamtkostenrahmen von mehr als 200 Millionen Euro auszugehen“ sei. Das Finanzministerium änderte die Formulierung auf „bis zu 200 Millionen Euro“.

Die Opposition ist erzürnt: Blümel habe mehrmals behauptet, dass es keinen Ausgabendeckel für den Ankauf der Impfungen gegeben habe, aber „das ist unwahr“, sagte Leichtfried bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FPÖ und NEOS. „Das ist einer der größten Skandale der österreichischen Geschichte“, so Leichtfried. Schließlich gehe es um rund sieben Millionen Dosen, die Österreich mehr hätte bestellen können.

Mit dem Kostendeckel sei es den Beamten aber nicht möglich gewesen, ausreichend Impfstoff zu bestellen. Das habe man auch noch „versucht zu vertuschen“. Blümel sei „eindeutig rücktrittsreif“. Das sah auch FPÖ-Klubobmann-Stellvertreterin Dagmar Belakowitsch so. Sie forderte einen richtigen Untersuchungsausschuss zu der Causa, den man beantragen werde, sobald der laufende „Ibiza“-U-Ausschuss vorbei sei. „Die ÖVP hat uns wieder einmal die Unwahrheit gesagt“, meinte auch NEOS-Vizeklubobmann Gerald Loacker.

Opposition fordert Rücktritt von Blümel

Die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS kritisieren Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), weil er die Kosten für die Coronavirus-Impfstoffbeschaffung auf 200 Millionen Euro gedeckelt haben soll. Damit habe er die Zahl der Impfdosen für Österreich beschränkt. Blümel bestreitet den Vorwurf. Die Opposition fordert den Finanzminister zum Rücktritt auf.

Finanzministerium: „Kein Limit“

Das Finanzministerium wies die Vorwürfe zurück. Gegenüber ORF.at hieß es, es gebe kein Limit, weder bei Impfungen noch wenn es um die Gesundheit der Menschen gehe. „Alles, was gebraucht wird, wird zur Verfügung gestellt“ – wenn mehr Bedarf gemeldet werde, dann werde auch mehr budgetiert. Doch das Gesundheitsressort habe eben keine konkreten Forderungen nach mehr Geld geäußert. Die Opposition verbreite daher bewusst Unwahrheiten und trage so zur Verunsicherung der Bevölkerung bei.

Die Formulierung „‚mehr als‘ ist sicher kein professioneller Zugang“, räumte auch Loacker auf Nachfrage ein, aber das Gesundheitsministerium habe das als Untergrenze angenommen, und das Finanzministerium habe das dann als Obergrenze umgedreht, „und das ist auch kein Zugang“. Dass man das Limit später erhöht habe, ließ Loacker ebenfalls nicht gelten, denn mit der damals festgelegten Summe seien die Beamten „einkaufen gegangen“ – „die Argumentation ist einfach falsch“.

Kurz: Absurd

Auch Kurz konnte der Argumentation der Opposition nichts abgewinnen. Bei der Bekämpfung der Pandemie müsse das Motto „Koste es, was es wolle“ gelten, sagte Kurz vor Beginn des virtuellen EU-Gipfels am Donnerstag. Die Diskussion, dass es in Österreich eine finanzielle Beschränkung von 200 Millionen Euro für die Beschaffung von Impfstoffen gebe, sei daher „absurd“. Bisher habe man 80 Millionen Euro ausgegeben und 30 Millionen Dosen bestellt, das Problem liege in der Verzögerung der Auslieferungen, so Kurz.