Schülerinnen beim Betreten des Schulgebäudes
APA/Helmut Fohringer
Gurgelstudie

Selbsttests senken Dunkelziffer an Schule

Seit einigen Wochen finden sich in vielen Bundesländern unter Kindern und Jugendlichen prozentuell die meisten nachgewiesenen CoV-Infektionen. Der Anstieg kann aber auch ein Zeichen dafür sein, dass inzwischen mehr Infektionen bei dieser Altersgruppe erkannt werden. Darauf könnte die jüngste Runde der österreichweiten Gurgelstudie schließen lassen. Sie lieferte die bisher niedrigste Dunkelziffer seit Beginn der Studie.

In der dritten Untersuchungsrunde der Schulgurgelstudie, die vom 1. bis 18. März stattfand, wurden unter den Schülerinnen und Schülern und dem Lehrpersonal 16 von 7.523 Personen positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Das bedeutet eine Prävalenz von 0,21 Prozent. Da die betroffenen Personen nicht auf anderem Weg von ihrer Infektion wussten, lässt sich auch von einer Dunkelziffer sprechen. Bei der ersten Erhebung (von Ende September bis Ende Oktober 2020) waren 0,39 Prozent unerkannt positiv, im November waren es mit 1,5 Prozent deutlich mehr.

Der im Vergleich dazu niedrige Prävalenzwert von 0,21 bedeute nicht, dass Kinder keine Rolle im Pandemiegeschehen spielen, so Studieninitiator Michael Wagner. Aber: „Sie werden nun nur vermehrt gefunden.“ Dass zuletzt nur so wenige Infizierte unerkannt in der Schule gesessen sind, hat laut Wagner (Uni Wien) auch mit den als „Nasenbohrertests“ bekannten anterionasalen Antigen-Tests zu tun, die Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht in der Schule sind.

„Viele extrem Ansteckende“ gefunden

Antigen-Tests gelten als weniger genau als PCR-Tests. Die Forschergruppe rund um Wagner hat im Abstract zum jüngsten Studiendurchgang auch versucht nachzuzeichnen, wie viele Infektionen nicht durch Antigen-Tests erkannt werden. Dafür mussten die Forscherinnen und Forscher zuerst einmal aus den Zahlen zu den positiven Antigen-Tests an den Schulen die falsch-positiven Ergebnisse herausfiltern. Da dazu aber keine österreichweiten Daten vorliegen, gingen sie davon aus, dass 70 Prozent der positiven Antigenselbsttests durch einen PCR-Test bestätigt würden – es sich bei einem knappen Drittel also um falsch-positive Ergebnisse handle.

Gardarobe einer Volksschule
APA/Herbert Neubauer
Ein dichtes Testnetz senkt die Dunkelziffer – das scheint für die Schulen die jüngste Runde der Gurgelstudie zu bestätigen

Unter dieser Annahme kam das Team laut Abstract der Studie zu folgendem Ergebnis: Die „Nasenbohrertests“ hätten unter den Schülerinnen und Schülern in der Volksschule 19 Prozent und in der Mittelschule bzw. der AHS-Unterstufe 23 Prozent der Fälle entdeckt, die durch PCR-Tests identifiziert werden könnten. Unter den Lehrern wären es 54 Prozent, so das Forschungsteam von der Uni Wien, der Uni Linz und den Medizin-Unis Graz und Innsbruck. „Das klingt vielleicht zunächst schlecht, ist aber viel mehr als ohne Test“, so Molekularbiologe Wagner. „Viele, die extrem ansteckend gewesen wären, findet er.“

Ähnlich formulierte das am Donnerstag auch ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann bei einer Pressekonferenz. „Natürlich gehen uns nicht alle Fische in das Netz, aber die besonders infektiösen sehr wohl.“ Die Ergebnisse, vor allem die gesunkene Dunkelziffer gegenüber den ersten beiden Durchgängen „beruhigen mich“: „Wir kontrollieren das System Schule besser als zuvor.“ Das Ministerium gab inzwischen zwei weitere Runden des Monitorings in Auftrag.

Ausblick auf Schule nach Ostern

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und Virologin Monika Redlberger-Fritz berichten über die bisherige Testbilanz in den Schulen und geben einen Ausblick auf den Schulbetrieb nach Ostern.

Noch Luft nach oben bei Trefferquote

Für Wagner ist die höhere Trefferquote bei den Lehrern außerdem ein Indiz, dass noch mehr auf eine korrekte Durchführung der „Nasenbohrer“-Tests geachtet werden sollte. Dazu gehört vorheriges Schnäuzen, eine Wartezeit von 15 Minuten zwischen Testabnahme und dem Ablesen des Ergebnisses, die Kontrolle durch das Lehrpersonal sowie auch das Beachten nur leichter Positiv-Linien auf dem Teststreifen. Würde das beachtet, könnte auch die Trefferquote bei den Schülerinnen und Schülern noch steigen, so Wagner. Er rät aber weiterhin dazu, mittel- bis langfristig auf aussagekräftigere Tests umzusteigen.

Faßmann will mehr PCR-Tests in Schulen

Die Schüler in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wechseln nach den Osterferien wieder zum Homeschooling. Um eine schnelle Rückkehr zum Unterricht im Schulgebäude zu ermöglichen, sollen mehr CoV-Tests und zudem auch häufiger PCR-Tests zum Einsatz kommen.

Dazu kündigte der Bildungsminister am Donnerstag an, dass für Kinder ab der fünften Schulstufe demnächst neue Selbsttests eingesetzt werden sollen. Diese hätten eine höhere Sensitivität, erforderten aber ein Pipettieren, kündigte der Minister an. Beim Pipettieren werden Flüssigkeiten mit einem Glasröhrchen – also einer Pipette – aufgesaugt und wieder abgegeben. An den Volksschulen bleibt es laut Minister bei den bisherigen Tests, auch die Testfrequenz (dreimal in der Woche an Volksschulen, zwei-, dreimal an den anderen) ändert sich nicht.

Bereits am Mittwoch hatten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und die Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland angekündigt, dass nach Osterferien und einer Woche Distance-Learning, der Start des Präsenzbetriebs von PCR-Tests begleitet werden solle. Von Faßmann hieß es dazu am Donnerstag: Ein PCR-Test aller Schülerinnen und Schüler und des Lehrpersonals wäre „wünschenswert, aber logistisch ausgesprochen schwierig“.

Vorsichtigere Eltern

Neben den Schultests führt Wagner die diesmal sehr geringe Dunkelziffer auch darauf zurück, dass Eltern mehr auf etwaige Symptome achten und – anders als im Herbst – aus Angst vor einer Quarantäne die Kinder gegebenenfalls daheim lassen. „Da gibt es also vermutlich eine Dunkelziffer zu Hause, die wir nicht sehen.“ Eine Hypothese sei außerdem, dass die zuerst in Großbritannien aufgetauchte B.1.1.7.-Variante bei Kindern und Jugendlichen eher symptomatisch verläuft und Infektionen damit eher erkannt werden.

Insgesamt wird wohl etwa ein Drittel der Infektionen unter Schülern bei den Antigen-Tests entdeckt, der Rest außerhalb, vermutet Wagner. Hier helfe, dass es mittlerweile in den meisten Bundesländern ein größeres Bewusstsein gebe, dass auch Kinder die Infektion weitergeben und diese nun auch außerhalb der Schulen schneller getestet werden. Jene Bundesländer, in denen das noch nicht üblich sei, sollten hier nachschärfen, empfiehlt er.

Schulen als „Riesengelegenheit“

„Das Virus entwickelt sich weiter, also müssen wir uns auch weiterentwickeln“, so Wagner. So sollten in Klassen mit einem positiven Fall alle Schüler zweimal per Gurgel-PCR-Test getestet werden. Wenn man insgesamt auf diese sensitivere Methode umstelle, wäre das auch ein möglicher Weg, die Schulen trotz hoher Inzidenz offen zu lassen. Ein Hinweis in diese Richtung: Im September und Oktober war das bei der Gurgelstudie entdeckte Infektionsgeschehen den generellen Zahlen in einem Bezirk ähnlicher, während diesmal die Zahlen an den Schulen geringer sind.

Dazu komme ein weiterer Faktor: Durch die Testungen in den Schulen erreiche man beim Aufdecken von Infektionen über das Contact-Tracing auch jene Teile der Bevölkerung, die sonst nicht so gesundheitsaffin ist. „Die Schulen sind eine Riesengelegenheit, um durch regelmäßiges und möglichst hochqualitatives Testen die Pandemie zu bremsen.“