Bagger beim Versuch das Containerschiff zu befreien
AP/Suez Canal Authority
Wochen- oder nur tagelang?

Sueskanal-Blockade wächst sich aus

Die Blockade des Sueskanals durch ein festgefahrenes Containerschiff wird zunehmend zur Belastungsprobe, die Ungeduld wächst. Wochenlang, so wird geschätzt, könnte der Stau dauern – mit wachsenden Auswirkungen auf den Welthandel und hohen täglichen Ausfallkosten. Die ägyptische Regierung versuchte indes zu beruhigen und sprach von wenigen Tagen bis zum Ende der Blockade.

Die Auswirkungen der Blockade sind jetzt schon enorm: Ägypten erzielte aus den Durchfahrtsrechten durch den Sueskanal im vergangenen Jahr einen Erlös von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. 2020 passierten fast 19.000 Schiffe die Wasserstraße. Durch den Sueskanal werden auf Containerschiffen vor allem Elektronik, Maschinen und dazugehörende Teile sowie Textilien von Asien nach Europa bewegt. Weil die wichtige Handelsroute nicht benutzt werden kann und die alternative Route um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika sehr viel länger ist, stieg bereits der Ölpreis.

Doch nicht nur für Ölpreis und Industrie werden große Folgen befürchtet, auch in der Pharmabranche schrillten die Alarmglocken. „In der Chemieindustrie und bei ihren industriellen Kunden sind momentan die Lieferketten aus Asien unterbrochen“, sagte Henrik Meincke, Chefvolkswirt des deutschen Verbands der Chemischen Industrie (VCI), am Freitag in Frankfurt. Dadurch komme es zu Engpässen bei wichtigen Vorprodukten. Ob das auch Auswirkungen etwa auf Impfstoffe haben könnte, wurde nicht bekannt. Der VCI hoffte jedenfalls auf eine Bergung am Wochenende.

Denn nach Angaben eines Vertreters der ägyptischen Regierung, die anderen Schätzungen widerspricht, wird die Blockade höchstens noch drei Tage dauern. Die Schifffahrt auf dem Kanal zwischen Rotem Meer und Mittelmeer werde „binnen 48 bis 72 Stunden höchstens wieder aufgenommen“ werden, sagte der Berater von Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi für Seehäfen, Mohab Mamisch, am Donnerstagabend der Nachrichtenagentur AFP.

Containerschiff im Sueskanal
AP/Suez Canal Authority
Das Containerschiff „Ever Given“ der Reederrei Evergreen hängt im Sueskanal fest

Als ehemaliger Chef der Behörde für den Sueskanal habe er bereits mehrere Bergungsaktionen miterlebt, führte Mamisch aus. „Ich kenne jeden Zentimeter des Kanals.“ Mamisch ist allerdings mit seiner Ansicht allein auf weiter Flur. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg vom Freitag soll die Bergung etwa eine Woche, möglicherweise auch länger dauern. Die Agentur berief sich auf namentlich nicht genannte Quellen. Mit der Bergung beschäftigte Personen sind indes noch skeptischer – es könne Wochen dauern, hieß es.

Satelitenaufnahme zeigt wartende Schiffe vor dem Sueskanal
Reuters/Planet Labs Inc
In den Gewässern vor dem Kanal müssen immer mehr Containerschiffe warten

Es staut sich auf beiden Seiten

Der Eigentümer, die japanische Leasingfirma Shoei Kisen Kaisha, teilte am Donnerstag mit, es sei „extrem schwierig“, das 400 Meter lange und 59 Meter breite Schiff wieder flottzubekommen. Die Kanalbehörde Suez Canal Authority (SCA) erklärte offiziell, die Durchfahrt sei „temporär ausgesetzt“. An beiden Seiten des Kanals stauten sich Schiffe. Shoei Kisen Kaisha teilte mit, zusammen mit der Firma Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) „versuchen wir, das Schiff wieder flottzubekommen, aber wir stehen vor extremen Schwierigkeiten“. Die japanische Firma entschuldigte sich für den „großen Ärger“, den der Unfall verursacht hat.

Blockade des Sueskanals im Vergleich 24./25. März: Der Stau wächst

Die Kanalverwaltung entsandte mehrere Schlepper zur „Ever Given“, die mit ihrer Ladung auf dem Weg nach Rotterdam war, als sie im Sueskanal festlief und den Kanal in Diagonalstellung vollständig abriegelte. Ein neuer Bagger zur Unterstützung der Arbeiten sei unterwegs, berichtete AFP am Donnerstag.

Ein „gestrandeter Wal“

Auch ein Team der niederländischen Spezialfirma Smit Salvage machte sich auf den Weg, wie der Chef der Mutterfirma Boskalis sagte. „Das ist, könnte man sagen, ein gestrandeter Wal“, beschrieb Peter Berdowski im niederländischen Sender Nieuwsuur die Lage. Die „Ever Given“ wieder flottzubekommen könne „Tage oder Wochen dauern“. Sollte es nicht gelingen, den Containerriesen mit Hilfe von Schleppern flottzumachen, müsse ein Teil der Ladung mit Hilfe von Kränen vom Schiff geholt werden, sagte die Firma Braemar, spezialisiert auf Dienstleistungen für die Schifffahrt. Auch Braemar erklärte, das könne Tage, vielleicht Wochen dauern.

Die 25 Besatzungsmitglieder der „Ever Given“ seien in Sicherheit, erklärte die Firma BSM in Singapur, die für das technische Management des Containerschiffs verantwortlich ist. Es gebe keine Umweltverschmutzung und keinen Schaden an der Fracht.

Wirtschaft warnt vor drastischen Auswirkungen

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hofft auf ein möglichst schnelles Ende der Blockade. „Je länger die Sperrung andauert und je länger die Ungewissheit andauert, desto drastischer werden die Auswirkungen dieser Sperrung sein“, sagte Verbandssprecher Christian Denso der dpa. Das Hauptproblem sei, dass niemand wisse, ob sich ein Umweg über eine längere Route lohne. Schiffen drohen teure und langwierige Umwege, warnte die Allianz.

Um den Sueskanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum – jedenfalls nicht für einen aus Saudi-Arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan Europa oder die USA ansteuert. Den Seeweg von Europa nach Indien verkürzt der Kanal um etwa 7.000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung könnte ein Schiff bei 16 Knoten (etwa 30 km/h) bald drei weitere Wochen kosten. Im eng getakteten Welthandel ist der Sueskanal daher von großer Bedeutung. Von einem „kritischen Engpass“ sprach die US-Energiebehörde in der Vergangenheit auch für den Handel mit Öl, Gas und Erdölprodukten.