Screenshot zeigt Bilder der Queen auf dem Instagram-Account theroyalfamily
Screenshot instagram.com/theroyalfamily
Inszenierungen

Instagram als Royals-Fantasiewelt

Wie inszenieren sich die Royals? Diese Frage stellt sich nicht zuletzt nach dem Auftritt von Prinz Harry und Meghan Markle in der Talkshow von Oprah Winfrey. Trotz Rassismusvorwürfen zeigt sich die Queen seither mit „stiff upper lip“. Die Royals vermitteln das Bild einer „Fantasieversion der britischen Vergangenheit“, wird kritisiert – von den Anfängen der Fotografie bis zum Instagram-Auftritt.

Einer der prononciertesten Kritiker des Königshauses ist der britische Historiker, Schriftsteller, Rundfunksprecher, Moderator und Filmemacher David Olusoga. In einem viel beachteten Kommentar im „Guardian“ schrieb er letzte Woche, die Heirat von Prinz Harry und Markle sei eine Jahrhundertchance gewesen für das Königshaus – und gleich auch für die Yellow Press –, in der Gegenwart anzukommen und für jüngere Menschen greifbarer und verständlich zu werden. Beide Institutionen hätten das gründlich vergeigt („both institutions completely blew it“).

Olusaga spricht von „einer Fantasieversion der britischen Vergangenheit“. Man sei beim Bild der weißen Traumfamilie des 19. Jahrhunderts geblieben, einem Bild, das die 96-jährige Queen seit Beginn ihrer Rekordregentschaft geflissentlich pflegt. Die renommierte italienische Adelsexpertin Paola Calvetti schreibt in ihrer eben erschienenen Biografie „Die Queen“, dass das Leben von Elizabeth II. untrennbar mit sorgsam ausgewählten Fotografien verbunden sei.

Die Selbstinszenierung der Royals

Von Beginn der Fotografie an bis hin zu den drei Instagram-Accounts mit mehr als 30 Millionen Followern inszenieren sich die Royals als „eine Fantasieversion der britischen Vergangenheit“.

Inszenierung für 30 Millionen Follower

Calvetti durfte zahlreiche Interviews mit Angehörigen des Königshauses führen. Doch die „Message-Control“ verhinderte einen echten Einblick in Privates. Wirklich näher kam Calvetti der distanzierten Monarchin durch Gespräche nicht. Einblick ins Private bekomme man nur durch Fotos, sagt sie im Interview, doch die Fotos seien niemals mehr als das Ergebnis royaler Marketingstrategien, von Babyfotos der jungen Queen bis hin zu den drei Instagram-Accounts mit über 30 Millionen Followern, „@kensingtonroyal“, „@theroyalfamily“ und „@sussexroyal“, der Account von Prinz Harry und Markle, der seit letztem Jahr inaktiv ist.

Dort sah man die schwangere Markle, Charity-Auftritte, Markle mit Harry ein Pferd streichelnd, dazu Popsongs, etwa von Coldplay und Ed Sheeran. Revolutionär oder avantgardistisch waren auch diese Fotos nicht. Aber die Gesamtinszenierung spiegelte zumindest so etwas wie Gegenwärtigkeit wieder: Menschen mit unterschiedlichen Herkunftsgeschichten, die sich kulturell im Hier und Jetzt verorten.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Prinzessin Elizabeth
Camera Press/Yousuf Karsh
London, Buckingham Palace, 1943. Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Elizabeth.
Queen Elizabeth mit ihrem Vater.
Camera Press/Lisa Sheridan
Windsor Castle, 1942. Prinzessin Elizabeth mit ihrem Vater, König George VI. Links Prinzessin Margret.
Bild zeigt Elizabeth II.
Getty Images/Patrick Lichfield
Elizabeth II. an Bord der Jacht Britannia im März 1972
Queen Elizabeth
Camera Press/Brian Aris
Queen Elizabeth, Februar 1996
Bild von Prinz George Alecander Louis zusammen mit Prinz William, Queen Elizabeth und Prinz Charles.
Camera Press/Jason Bell
Clarence House, London, 23. Oktober. Das offizielle Taufbild von Prinz George Alexander Louis von Cambridge im Morning Room.
Biographie „Die Queen“
ORF
Biografie „Die Queen“ von Paola Calvetti

Kolonialherren alter Schule

Solche Momente sind auf dem Familienaccount „@theroyalfamily“ rar gesät. Je weniger man dort steif wirken will, desto steifer kommt die Inszenierung daher. Wenn etwa Prinz William im Schulhof in Bodennähe auf Augenhöhe mit einem Schüler sitzt, um zu signalisieren, dass er am Schicksal von Kindern in Coronavirus-Zeiten Anteil nimmt, wirkt das in etwa so anheimelnd wie das breite Grinsen der Queen auf dem Profilfoto des Accounts.

Volksnähe auf dem Niveau von kolonialem Aus-der-Limousine-Winken vermitteln vor allem auch die zahreichen historischen Fotografien: Man sieht weiße Herrscher, in deren Reich die Sonne niemals untergeht, wie sie sich von Untergebenen – 2,4 Milliarden multiethnische Menschen in Ländern des Commonwealth – in Versatzstücke traditioneller Gewänder hüllen lassen.

Einzelne Versuche, dem Bild der Kolonialherren alter Tage zu entkommen, machen die Inszenierung der Royals auf Instagram nur noch schlimmer. Da sieht man, völlig unvermittelt, Priya Ahluwalia, die kürzlich den Queen Elizabeth II Award for British Design gewonnen hat, und Bilder von Kindern in Afrika, die als völlig passive, aber glückliche Empfänger royaler Charity abgelichtet werden. In seiner Gesamtheit entsteht dadurch jenes katastrophale Bild, das Olusoga in seinem „Guardian“-Kommentar nachzeichnet: die Royals in ihren Traumschlössern, wie sie gnadenhalber Brosamen mit dem multiethnischen Rest der Welt teilen.

„Wissen genau, was sie lancieren“

Dass irgendetwas davon Zufall ist, glaubt Queen-Biografin Calvetti nicht. Die Queen wisse genau, was sie tue: „Sie bewundert die Fotografie und lehnt Filmaufnahmen ab. Sie hat immer schon die berühmtesten Fotografen um sich versammelt, sie fühlt sich aufgehoben in ihrer Gesellschaft.“ Dass sich das in Instagram-Zeiten nicht geändert hat, konstatiert auch Adelsexpertin Lisbeth Bischoff: „Die Royals sind auf allen Kanälen – aber nicht, weil sie so nett sind. Social Media ist für sie ein Kontrollorgan. Wenn sie etwas lancieren, dann wissen sie genau, was sie lancieren.“

Literaturhinweis

Paola Calvetti: Die Queen. Piper, 336 Seiten, 22,90 Euro.

Das sieht auch Calvetti so: „Die Technik hat sich geändert, aber die Intention ist dieselbe geblieben. Sie wollen nicht, dass sie die Kontrolle verlieren. Aber nach wie vor kommuniziert die Queen am liebsten über die Fotografie.“ Was man wiederum an den vielen alten Fotos auf dem Instagram-Account sieht. Eine Lücke bleibt jedoch die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, etwa die Mitschuld am Sklavenhandel betreffend, schreibt Royals-Kritiker Olusoga. Für ihn sind die Royals gefangen in ihrer Version einer „make-believe past“.