Arbeiter vor einem geschlossenem Geschäft in einem Einkaufscenter
AP/Ronald Zak
„Elefantenbulle“

WIFO-Szenarien für Lockdown und Öffnung

Seit Beginn der Coronavirus-Krise muss die Politik zwischen Lockdown und Lockerungen entscheiden. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) errechnete nun erstmals, wie sich welches Szenario auf das Wirtschaftswachstum für heuer und kommendes Jahr auswirken wird. Zwischen den Varianten liegt ein „ausgewachsener Elefantenbulle“.

„Die Unsicherheit ist sicher etwas, was uns alle am meisten nervt. Oft ist die Unsicherheit größer als eine klar formulierte Belastung“, sagte WIFO-Chef Christoph Badelt am Freitag im Rahmen der Prognose für das Frühjahr. Aus diesem Grund errechnete das WIFO diesmal auch zwei Prognoseszenarien, die für heuer entweder 2,3 Prozent oder 1,5 Prozent reales Wirtschaftswachstum sehen – je nachdem, ob es im Frühjahr noch zu Öffnungen kommt oder doch zum Beispiel mit April ein vier Wochen langer Lockdown verhängt wird.

In Prozenten erscheint der Unterschied minimal. Allerdings würden die 0,8 Prozent einer BIP-Differenz von drei Milliarden Euro für das Jahr 2021 entsprechen. Das sei „ein ausgewachsener Elefantenbulle“ und „nicht nur ein Babyelefant“, so Badelt. Das Institut für Höhere Studien (IHS) geht zwar von einem Wachstum von 2,6 Prozent aus, schätzt aber, dass ein weiterer Lockdown (vier Wochen) das Wachstum auf zwei Prozent reduzieren würde, sagte der IHS-Prognosezuständige, Michael Reiter.

Vorkrisenniveau Ende 2022 möglich

Klar ist, je größer Lockdown-Maßnahmen mit Einschränkungen ausfallen, desto stärker ist die Einbremsung der Wirtschaft. Jede weitere Woche Lockdown würde sich mit 400 bis 800 Millionen Euro auf das BIP niederschlagen. „Der Elefant wächst jede Woche weiter, je nachdem, wie gut wir ihn füttern“, so Reiter. Der Schlüssel für die Beseitigung der Wirtschaftskrise liege in der weiteren Entwicklung der Pandemie, also auch in den Händen der Gesundheitspolitik, gab Badelt zu verstehen. Testen und Impfen könne „gar nicht so teuer sein, dass es nicht billiger ist als eine Verlängerung der Wirtschaftskrise“.

Grafik zur Konjunkturprognose
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO/IHS

Schon jetzt haben die Coronavirus-Maßnahmen von November und Dezember sowie jene im ersten Quartal die Konsumausgaben der Privathaushalte und den Reiseverkehr deutlich gedämpft, wie das WIFO errechnete. Gemäß dem Öffnungsszenario könnten die Aktivitäten in den Bereichen Handel, Gastronomie, Beherbergung und sonstige Dienstleistungen merklich zunehmen.

Freilich geht die Variante von Voraussetzungen aus, die jetzt schon teils überholt scheinen. Es wird etwa unterstellt, dass es keine Einschränkungen über den Stand von 22. März hinaus gibt – die geplanten Einschränkungen für das Osterwochenende wurden erst danach verkündet.

Die Krise dürfte aber ohnehin länger nachwirken, betonte das WIFO. Denn privater Konsum und Reiseverkehr würden 2022 in beiden Szenarien geringer sein als vor der Krise. Nach einem mäßigen Wachstum 2021 dürfte es 2022 eine kräftige Erholung geben. Die Prognose des IHS besagt wie die optimistische WIFO-Variante, dass die Wirtschaft das Vorkrisenniveau Ende 2022 erreicht haben könnte.

Arbeitsmarkt weiter unter Druck

Auf dem Arbeitsmarkt werden die Folgen der Coronavirus-Krise noch länger sichtbar sein. Die Beschäftigung dürfte zwar steigen, das werde aber nur teils auf die Einstellung arbeitsloser Personen zurückgehen. Mit der Belebung der Wirtschaft könnte die Arbeitslosenquote, die voriges Jahr auf 9,9 Prozent gestiegen war, auf 9,3 Prozent und kommendes Jahr auf 8,5 Prozent zurückgehen, schätzt das IHS. Das WIFO geht im Öffnungsszenario von 9,2 und 8,4 Prozent für die beiden Jahre aus. Im Lockdown-Szenario werden mit 9,3 und 8,5 Prozent etwas höhere Werte erwartet. Alles liegt über dem Vorkrisenniveau.

Die öffentlichen Haushalte kommen durch die Unterstützungen für Firmen und Privatpersonen unter Druck. „Die äußerst umfangreichen fiskalpolitischen Stützungsmaßnahmen sind zwar notwendig, stellen aber eine enorme Belastung für das Budget dar“, so das IHS. Durch die Erholung der Konjunktur wird das Defizit zwar sinken – durch die Investitionsprämie aber deutlich steigen, mahnt das WIFO.

Vorsichtige Prognosen

Auch die Budgets 2021 und 2022 seien durch Maßnahmen gegen die Krisenfolgen geprägt: Während die Zuschüsse für Unternehmen und die Nutzung der Kurzarbeit 2021 geringer ausfallen würden als 2020, werde die starke Inanspruchnahme der Investitionsprämie (6,5 Mrd. Euro) das Defizit heuer und nächstes Jahr „deutlich erhöhen“. Mit der Prognose müsse man aber weiterhin vorsichtig sein, so das IHS, vor allem wegen der Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie.

Anhaltend hohe Infektionszahlen durch eine stockende Abwicklung der Impfungen würden den Erholungsprozess verzögern. Wenn aber die Krise ausläuft, „sollte eine umfassende wirtschaftspolitische Strategie entwickelt werden, um die Budgetpolitik wieder auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen und Wachstumspotenziale zu heben“. Bei einer solchen Strategie seien Strukturreformen und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele notwendig.