Quer stehendes Containerschiff im Sueskanal
Reuters/CNES/AIRBUS DS
Sueskanal blockiert

Angst vor Piraten steigt

Die Blockade des Sueskanals durch das querliegende Riesencontainerschiff „Ever Given“ wird immer mehr zu einem Problem für die „Just in Time“-Weltwirtschaft. Schiffsunternehmen müssen wohl Schiffe über das Horn von Afrika und das Kap der Guten Hoffnung umlenken – dabei geht die Angst vor Piraten um. Mehrere Unternehmen kontaktierten bereits die US-Marine aus Sorge um Schiffe, Personal und Ladung.

Das berichtete die „Financial Times“ („FT“, Onlineausgabe) am Freitag angesichts der Tatsache, dass die Blockade wohl Wochen andauern dürfte. Asiatische Reedereien hätten diese Sorgen bestätigt. Die US-Marine bestätigte ihrerseits die Anfragen der Reeder, hat nach eigenen Angaben bisher aber die eigenen Planungen nicht geändert. Sie müssen derzeit entscheiden, ob sie Schiffe, die mit Waren im Wert von Milliarden Euro beladen sind, vor dem Sueskanal weiter vor Anker lassen oder ob sie die Schiffe über möglicherweise gefährliche Routen rund um Afrika umleiten. Zhao Qing-feng vom Verband chinesischer Reeder habe betont, dass mit der Umleitung Sicherheitsüberlegungen verbunden seien.

„In Afrika besteht das Risiko von Piraten, besonderes in Ostafrika“, wurde er von der „FT“ zitiert. Die Reedereien müssten daher möglicherweise zusätzliches Sicherheitspersonal anheuern. Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen betonte wiederum, bezüglich der im Stau stehenden Ladungen „können wir nichts tun“. Man konzentriere sich darauf, die Schiffe so bald wie möglich an ihre Zielhäfen zu bekommen.

Blockade des Sueskanals im Vergleich 24./25. März: Der Stau wächst

Ladung per Flugzeug weitertransportieren?

Peter Sand vom Reedereiverband BIMCO glaubt, dass einige Schiffe zu einem nahegelegenen Hafen, etwa Dschibuti, fahren könnten, um ihre Ladung von dort per Flugzeug an den Zielort zu bringen und so die Auswirkungen auf gewisse Lieferketten zu minimieren. Auch die Impfstoffproduktion könnte durch die Blockade betroffen sein, wurde bereits spekuliert.

Ostafrika ist seit Langem bekannt für Piraterie, das Kapern von Schiffen hat aber in den letzten Monaten vor allem vor der westafrikanischen Küste stark zugenommen.

Laut Jansen hat Hapag-Lloyd mittlerweile begonnen, Schiffe umzuleiten. Die „Ever Greet“, Schwesterschiff der im Sueskanal feststeckenden „Ever Given“, änderte ebenfalls ihren Kurs. Vor allem Öltanker dürften in den nächsten Tagen ebenfalls umgeleitet werden. Die Fahrt rund ums Kap der Guten Hoffnung verursache je Schiff umgerechnet rund 340.000 Euro Mehrkosten, so die Schiffsmaklerfirma Braemar ACM, und dauert etwa eine Woche länger. Neben Öl- und Gaslieferungen sind auch Autoproduzenten besonders betroffen.

Sueskanal wohl noch länger blockiert

Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen, dass die Arbeiten im Sueskanal etwa eine Woche, möglicherweise auch länger dauern könnten.

Sand wird abgesaugt

Die „Ever Given“ rührt sich jedenfalls noch immer nicht. Trotz tagelanger Arbeit ist es Schleppern bisher nicht gelungen, den festsitzenden Frachter im Sueskanal freizulegen. Ein Baggerschiff hat inzwischen 17.000 Kubikmeter Sand um den Bug der „Ever Given“ weggesaugt, wie die Sueskanal-Behörde am Freitag mitteilte. Am Dienstag war der 400 Meter lange Frachter, der unter der Flagge Panamas fährt, in einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt auf Grund gelaufen.

Mehrere Länder hatten Ägypten Unterstützung angeboten. Unter anderem hilft ein Unternehmen aus den Niederlanden bei der Bergung. Neben den Baggerarbeiten soll auch das Gewicht des Schiffes verringert werden, wie ein Sprecher des Unternehmens Boskalis der niederländischen Agentur ANP sagte. Einen Erfolg in kurzer Zeit hält die Firma nicht für möglich.

Rund 200 Schiffe stauen sich mittlerweile nördlich und südlich des Kanals. Nach Angaben des Seefahrts- und Logistikunternehmens GAC sind wegen des Staus bereits die Ankerplätze um die Stadt Sues überfüllt.

Satelitenaufnahme zeigt wartende Schiffe vor dem Sueskanal
Reuters/Planet Labs Inc
In den Gewässern vor dem Kanal müssen immer mehr Containerschiffe warten

Milliardenverluste für Welthandel

Der Stau auf dem Sueskanal verschärft nach Einschätzung der Allianz das Problem der Lieferverspätungen und -unterbrechungen im Welthandel. Eine Analyse von Volkswirten des Versicherers kommt zu dem Ergebnis, dass die Blockade pro Woche zu Einbußen von sechs bis zehn Milliarden Dollar für den Welthandel führt. Durch den Kanal seien 2019 13 Prozent des gesamten Welthandelsvolumens befördert worden.

USA wollen helfen

Die US-Regierung möchte sich unterdessen an der Rettung der „Ever Given“ beteiligen. „Wir haben Ausrüstung und Kapazitäten, die die meisten Länder nicht haben. Wir werden schauen, wie wir hier behilflich sein können“, sagte US-Präsident Joe Biden vor Reportern am Freitag (Ortszeit) in Delaware. Ein mit der Sache vertrauter Mitarbeiter der Regierung erklärte, dass die Marine bereit sei, ein Team von Baggerexperten zum Kanal zu schicken. Man warte aber auf die Genehmigung der lokalen Behörden.

Die Suez Canal Authority (SCA), die Eigentümer und Betreiber des Kanals ist, begrüßte das Hilfsangebot der USA und erklärte, die Türkei wolle ebenfalls Hilfe schicken. „Die Schleppoperationen erfordern die Verfügbarkeit einer Reihe von unterstützenden Faktoren, einschließlich Windrichtung und Gezeiten, was sie zu einem komplexen technischen Prozess macht“, sagte die Behörde. Die für das technische Management des Schiffes verantwortliche Gesellschaft Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) bestätigte, dass bis Sonntag zwei zusätzliche Schlepper eintreffen würden, um bei der Bergung zu helfen.