Menschen auf der Mariahilfer Straße in Wien
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Appell zur Osterruhe

Doch Menschen stürmen Geschäfte

Ungeachtet der eindringlichen Warnungen von Gesundheitsexpertinnen und -experten sind am Freitag und Samstag zahlreiche Menschen in Geschäfte und öffentliche Orte geströmt. Das Wetter und die geplante Osterruhe im Osten des Landes sorgten für volle Plätze und Shops. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) rief zu einer freiwilligen Osterruhe auf.

In Wien gab es bereits am Freitag Medienberichte über zahlreiche Menschen, die den ersten richtigen Frühlingsabend in Gruppen am Donaukanal oder im Prater verbrachten, in Innsbruck veranlassten die Menschenansammlungen auf Marktplatz und Innufer die Stadt bereits dazu, mit Platzsperren zu drohen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Vielerorts strömten die Menschen in ganz Österreich am Samstag dann in die Geschäfte. Die geplante Osterruhe, die zunächst nur für Wien, Niederösterreich und das Burgenland gedacht ist, verlockte viele dazu, sich etwa in Baumärkten noch mit Material einzudecken. Lange Schlangen vor Geschäften in Einkaufsstraßen und Ansammlungen waren die Folge.

Ludwig kündigt schärfere Kontrollen an

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte in Interviews mit mehreren Tageszeitungen verstärkte Kontrollen während des Lockdowns an. „Outdoor-Treffen werden im Rahmen der Osterruhe nicht möglich sein“, sagte er dem „Standard“: „Als Stadt werden wir gemeinsam mit der Polizei und der Gruppe Sofortmaßnahmen sehr deutlich darauf achten. Es wird verstärkte Kontrollen von der Polizei an diesem Wochenende geben und notfalls leider auch sanktioniert werden.“ Am Samstag gab es Kontrollgänge der Polizei am Donaukanal.

CoV-Kontrollen am Donaukanal

In Pandemiezeiten kontrolliert die Polizei die Mindestabstände bei Treffen im Freien. Beamte des Büros für Sofortmaßnahmen kontrollieren, ob sich die Gastronomie an die Lockdown-Regelungen hält.

„Osterruhe schon jetzt“

Anschober rief die Bürgerinnen und Bürger am Samstag dazu auf, schon vor der Osterruhe Kontakte zu vermeiden und zu den Feiertagen auch auf Reisen zu verzichten. Mit Ausbreitung der ansteckenderen und gefährlicheren Virusvariante B.1.1.7 habe sich die Zahl jener CoV-Infizierten, die eine intensivmedizinische Versorgung benötigen, von unter einem auf über zwei Prozent mehr als verdoppelt, so Anschober in einer Aussendung. Mehr als 500 Intensivbetten seien nun mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegt. Zudem verschlechterten sich die Krankheitsverläufe schneller. Hauptbetroffen seien die östlichen Bundesländer.

Anschober appelliert für freiwillige Osterruhe

Gesundheitsminister Anschober (Grüne) fordert angesichts der steigenden CoV-Zahlen die gesamte Bevölkerung zu einer freiwilligen Osterruhe auf.

Alle müssten nun „Teil der Lösung werden“, so Anschober. „Starten wir jetzt mit einer Osterruhe, damit wir eine Trendwende bei den Infektionszahlen schaffen! Nur so können wir die Spitäler entlasten.“ Anschober rief dazu auf, während der Osterfeiertage auf Reisen zu verzichten, Kontakte auf das Notwendigste zu verringern und nur „dringend erforderliche Einkäufe und Besuche“ zu erledigten. Notwendig seien zudem bei Treffen FFP2-Maske, CoV-Test und Mindestabstand. „Ab Gründonnerstag startet in Ostösterreich die verordnete Osterruhe. Warten wir nicht darauf, sondern starten wir die Osterruhe mit unserem Handeln in ganz Österreich schon jetzt“, so Anschober.

Stau vor einem Baumarkt
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Viel Andrang gab es auch in Baumärkten

SPÖ sieht „mutloses Warten“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner übte am Samstag via Twitter Kritik:
„Diese Krise erfordert kein mutloses Warten, sondern Entschlossenheit und Handeln“, hieß es. „Man darf nicht zuwarten, ob es wirklich so schlimm kommt, wie vorhergesagt.“ Es brauche mindestens zweiwöchige bundesweite Maßnahmen, um die Infektionsdynamik zu bremsen, so ihre Sprecherin gegenüber der APA. Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) appellierte am Samstag an die Bevölkerung, über Ostern vorsichtig zu sein. Er sprach sich für sein Bundesland aber gegen einen Lockdown aus. „Wieder alles zuzusperren ist nicht die richtige Ansage“, sagte Platter – mehr dazu in tirol.ORF.at. Allerdings strebe er auch keine Öffnung der Gastronomie an und wolle auf regionale Maßnahmen wie Ausreisetests setzen.

In Vorarlberg dagegen hielt Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) an der geöffneten Gastronomie trotz steigender Inzidenzzahl fest. Vielmehr müsse eine „gesamte Risikoabwägung“ getroffen werden, sagte sie.

In Wien könnte es dagegen auch nach Ostern schärfere Maßnahmen geben. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) schloss eine Verlängerung und Verschärfung nicht aus. Sollten die Maßnahmen nicht ausreichen, „dann wird nicht nur eine Verlängerung notwendig sein, sondern Maßnahmen, die über das Bestehende hinausgehen“, sagt Ludwig gegenüber ATV. Auch eine zweite Woche Fernunterricht hielt er für „nicht unrealistisch“.

Verordnung am Montag

Bund und Länder hatten sich zuletzt auf einen sechstägigen Lockdown in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland geeinigt, ab kommendem Donnerstag. Bisher ist geplant, dass die Ostregion über Ostern in einen strengen Lockdown gehen, Handel und Dienstleister sperren zu. Danach sollen Eintrittstests im Handel verpflichtend sein, ausgenommen sind Geschäfte des täglichen Bedarfs. Diese Regelung könnte allerdings durch die Opposition im Bundesrat noch gekippt bzw. verzögert werden. Ab 1. April gilt zudem eine FFP2-Maskenpflicht in geschlossenen Räumen. Nach den Osterferien sollen alle Schülerinnen und Schüler in Distance-Learning wechseln.

Intensivmediziner Staudinger zur aktuellen CoV-Lage

Professor Thomas Staudinger, Leiter einer der Intensivstationen im Wiener AKH, spricht über die aktuelle Lage auf den Intensivstationen, welche Versorgung ein Intensivpatient braucht und über die Virusvariante B.1.1.7.

Die genauen Regeln für die Osterruhe sind inzwischen noch unklar. Die für den Lockdown im Osten des Landes geltende Verordnung soll voraussichtlich am Montag vorliegen. Es müssten zuvor noch juridische Details geklärt werden, zudem soll es am Montag ein Gespräch mit den Sozialpartnern geben.

Intensivstationen stark belastet

Österreichs Ampelkommission hatte Ende der Woche empfohlen, den Lockdown in der Ostregion auf das ganze Land auszudehnen. In keinem Land außer Vorarlberg liegt die 7-Tage-Inzidenz unter 200. Eine eindringliche Warnung hatte am Freitag auch der Intensivmediziner Thomas Staudinger in der ZIB2 geäußert.

Stau auf dem Inneren Gürtel in Wien
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Auch Wiens Verkehrsadern waren am Samstag zum Teil verstopft

Die Virusvariante B.1.1.7, die sich bereits in ganz Österreich stark ausgebreitet hat, bringe viel mehr Menschen auf die Intensivstation. Sie sei viel ansteckender und betreffe auch stärker jüngere Menschen. Die entsprechende Versorgung könne in den heimischen Spitälern nicht mehr lange gewährleistet werden. Viele Operationen, die eine intensivmedizinische Betreuung nach sich ziehen, könnten schon jetzt nicht durchgeführt werden.

„Was wir sehen, ist, dass diese Patienten einfach viel, viel schneller auf die Intensivstation kommen, das heißt, nicht mehr jeder achte bis zehnte, der ins Krankenhaus aufgenommen werden muss, sondern eigentlich jeder dritte bis vierte. Und das macht die Belastung der Intensivstationen im Moment so prekär“, so Staudinger vom Wiener AKH. Zudem sei man im Gegensatz zum Herbst noch nicht am Gipfel des Anstiegs der Infektionszahlen, sondern erst am Anfang.