ÖBAG-Chef Thomas Schmid
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„Schmid AG fertig“

Chats zeigen, wie Schmid ÖBAG-Chef wurde

Der „Ibiza“-U-Ausschuss wird sich demnächst mit Chats auseinandersetzen müssen, die belegen, wie es Thomas Schmid im Frühjahr 2019 zum Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) brachte. Die Auswertungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) liegen der „Presse“ und dem „Standard“ vor.

Die von einer Wirtschaftsexpertin der WKStA ausgewerteten Daten stammen zum Großteil aus Schmids Handy, das Ende 2019 beschlagnahmt worden war, und aus seinem Kalender. Chats mit fast 80 Personen finden sich in der 187-seitigen Expertise wieder.

In einem Sideletter zum türkis-blauen Regierungsprogramm wurde 2017 der Plan verankert, die Staatsholding ÖBIB von einer GmbH zu einer Aktiengesellschaft umzustrukturieren. Die Staatsholding hing damals am Finanzministerium – dort bekam Schmid den Auftrag, sich um das Projekt zu kümmern. Schmid war seit 2013 im Finanzministerium, zuerst als Kabinettschef, dann als Generalsekretär. Er gehörte damals zum engeren Umfeld von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Du bist Familie“, schrieb ihm etwa Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einmal.

WKStA-Bericht beschreibt ÖBAG-Vorstandsbestellung

Ein neuer Auswertungsbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beschreibt, wie Thomas Schmid mit eigenem Zutun zum Vorstand der Beteiligungsholding ÖBAG wurde.

„Sebastian will mich nicht gehen lassen“

„Die Beschäftigung mit der Staatsholding macht ihm offenbar Lust, dort zu arbeiten“, schrieb die „Presse“. Bereits im Dezember 2017 äußerte er den Wunsch, dorthin wechseln zu wollen. Aber „Sebastian will mich nicht gehen lassen“. Wie Schmid soll sich auch seine Assistentin Gedanken über eine berufliche Übersiedlung gemacht haben: Sie fragte nach, ob im neuen Büro eine Klimaanlage eingebaut werden könne.

Und auch medial fand ein etwaiger Wechsel von Schmid an die ÖBAG-Spitze Niederschlag – was diesem gar nicht recht war. „Aus den Chats geht hervor, wie seine Vertrauten versuchten, medial falsche Namen zu kolportieren, um von Schmid abzulenken. Schmid sagt seinem Pressesprecher, dass er keine Berichte mehr über ihn und die ÖBAG wünsche. ‚Das schadet mir alles‘“, schrieb die „Presse“.

„Dich zu haben ist so ein Segen“

Der „Standard“ berichtet über ein weiteres Detail: „Als der Kanzler nach Regierungsantritt anbot, mediale Spekulationen, wonach wohl Schmid neuer Öbib-Chef werde, abzufedern, geriet Schmid in Hochstimmung: ‚Dich zu haben ist so ein Segen! Es ist so verdammt cool jetzt im BMF (Finanzministerium; Anm.)!!! Danke Dir total dafür!!‘, ließ er Kurz im Februar 2018 wissen.“

Noch bevor der Posten ausgeschrieben wurde, habe es schon einen Glückwunsch von hoher Stelle aus dem Außenministerium gegeben. Schmid soll geantwortet haben: „… Danke Dir! Werde aber noch eine zeitlang erhalten bleiben. Den ÖBAG Job schreiben wir ja erst im Jänner aus :-))“ Als es Unstimmigkeiten im Finanzministerium gegeben habe, habe Schmid an seine Assistentin geschrieben: „Das ist nicht mehr mein Problem. Deins auch nicht. Müssen jetzt an uns denken, dort Büro aufbauen usw.“

„Schmid AG fertig“

Als dann die gesetzliche Grundlage für den neuen Job in der ÖBAG gegeben war, habe Blümel – damals Kanzleramtsminister – an Schmid geschrieben: „Schmid AG fertig.“ Antwort von Schmid: „Habe noch keinen Aufsichtsrat.“ Im Oktober 2018 wurde bekanntlich vereinbart, dass die FPÖ zwei und die ÖVP vier Aufsichtsräte stellen kann. Dazu traf Schmid auch Kurz, schreibt die „Presse“. Schmid habe danach berichtet, dass der Kanzler noch überlege, „aber er ist schon mühsam“. Und später: „Kurz scheißt sich voll an. Zu viele Leute, ÖBAG zu teuer.“

Gabriele Spiegelfeld im Ibiza-U-Ausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Gabi Spiegelfeld vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss

Bei der Suche nach Aufsichtsräten soll sich Schmid mit der Netzwerkerin Gabi Spiegelfeld beraten haben. Sie ist seine Vertraute und soll für Kurz im Wahlkampf 2017 Großspenden gesammelt haben. Und sie sollte nun helfen, geeignete Frauen für den Aufsichtsrat zu finden – eine offenbar mühselige Aufgabe, die sie so kommentierte: „Mir gehen die Weiber so am Nerv. Scheiß Quote.“ Am Ende finden sich aber doch geeignete Kandidatinnen – Susanne Höllinger etwa. Sie wird als „gute Frau“ bezeichnet, als „steuerbar“. „Raiffeisen. Niederösterreich. Hat Delikates erledigt.“ Sie sitzt heute im Aufsichtsrat.

„Kriegst eh alles, was du willst“

Parallel, schrieb die „Presse“, arbeitete Schmid auch an der Ausschreibung für seinen Traumjob mit. Er bittet seine Sekretärin, „internationale Führungserfahrung“ aus dem Entwurf herauszustreichen, weil er eine solche nicht habe. Andere Mitbewerber haben das aber schon. Der Chef der deutschen Finanzierungsagentur bewarb sich etwa auch auf den Posten – er wurde es nicht.

Kramar-Schmid (ORF) zur ÖBAG-Vorstandsbestellung

Ulla Kramar-Schmid kommentiert die Bestellung Thomas Schmids im Frühjahr 2019 zum Alleinvorstand von Österreichs Staatsholding ÖBAG.

Nach seinem Hearing wusste Schmid zu berichten, dass es dem Aufsichtsrat „getaugt hat“, dass er es „so ernst genommen hat“. Und dass wohl Freitag sein Arbeitsbeginn sein werde. Wie gewünscht, wählt der Aufsichtsrat Schmid in seine Funktion. Kurz vor seiner Bestellung bittet Schmid Kurz, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ zu machen. Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst.“ Schmids Antwort: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler (…).“

Auch Chats mit Katzian aufgetaucht

Die ÖBAG steuert elf staatliche Beteiligungen im Wert von knapp 27 Mrd. Euro. Dazu gehören unter anderem der Verbund, die OMV, die Telekom Austria, die Post und die Casinos Austria. Eigentümervertreter des Staates ist der Finanzminister. Ein Sprecher von Blümel verwies am Sonntag auf die Zuständigkeit des ÖBAG-Aufsichtsrates, dieser treffe die Personalentscheidungen der Staatsholding.

Aufgetaucht sind im Laufe des Sonntags dann auch Chats zwischen Schmid und dem Chef des Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), Wolfgang Katzian, zwischen Sommer 2016 und November 2018. Darin geht es um Arbeitnehmerinteressen wie Mitarbeiterstiftungen und Arbeitnehmervertreter in staatsnahen Aufsichtsräten. Die SPÖ hatte im Dezember 2018 im Parlament die Neugründung der ÖBAG gemeinsam mit den damaligen Regierungparteien ÖVP und FPÖ beschlossen.

Opposition: „Postenschacher in Reinkultur“

Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, forderte sofortige Konsequenzen. „Finanzminister Blümel muss Schmid abberufen und dann selbst zurücktreten.“ Zugleich sieht Krainer Kanzler Kurz „tief verstrickt in die Affäre Schmid“. „Kurz hat im Untersuchungsausschuss offensichtlich falsch ausgesagt. Er war von Anfang an eine treibende Kraft im türkisen Postenschacher zum Schaden der Republik“, so Krainer.

Und auch NEOS meldete sich zu Wort. „Einen eindeutigeren Beleg für das korrupte System Kurz gibt es nicht“, so deren Generalsekretär Nick Donig. Die Bestellung von Schmid „war von Anfang an ausgepackelt“. Und zwar mit der allerhöchsten Ebene, nämlich mit Kanzler und Finanzminister, so Donig am Sonntag. Deren Aussagen stünden im klaren Widerspruch zu ihren Worten unter Wahrheitspflicht im „Ibiza“-U-Ausschuss. „Das ist Postenschacher in Reinkultur.“ Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, sprach von einem „Sittenbild der türkisen Heuchelei“. Zahlreiche Rücktritte wären unumgänglich, angefangen mit Schmid.