Eingang von der Österreichischen Beteiligungs AG
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ÖBAG-Chats

Aufsichtsrat sieht keinen Handlungsbedarf

Nach dem Bekanntwerden der Protokolle zu Chats um die Bestellung von Thomas Schmid zum alleinigen Vorstand der österreichischen Staatsholding ÖBAG gibt es Rücktrittsforderungen aus der Opposition. Vor allem NEOS sieht nun den Aufsichtsrat gefordert. Der ÖBAG-Aufsichtsrat erklärte aber am Montag via Aussendung, dass „kein wie immer gearteter Handlungsbedarf“ bestehe. Schmid werde bleiben.

Die ÖBAG sei nicht Partei oder Beschuldigte des laufenden Ermittlungsverfahrens, hieß es in der Aussendung: „Aufgrund der Tatsache, dass der Vorstand der ÖBAG (Schmid, Anm.) als Beschuldigter geführt wird, evaluiert der Aufsichtsrat der ÖBAG laufend den Fortgang der Ermittlungen unter Einbindung externer Rechtsanwälte.“ Schmid ist Beschuldigter in der Causa Casinos. Ihm wird Beteiligung an Postenschacherei vorgeworfen.

Es gebe aber keine neuen strafrechtlichen Verdachtsmomente bei den aktuellen Auswertungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Schmid, argumentierte der ÖBAG-Aufsichtsrat unter seinem Vorsitzenden Helmut Kern. Da es laut WKStA keine Verquickung zwischen Schmids Bestellung als ÖBAG-Chef und Bestellungen bei der Casinos Austria AG (CASAG) gebe, müsse man derzeit auch nicht handeln.

Thomas Schmid
APA/Hans Punz
Die Chatverläufe von Thomas Schmid zeichnen seinen Weg zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG

NEOS sieht Aufsichtsrat gefordert

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sieht dennoch den Aufsichtsrat am Zug. „Wenn er nicht handelt, werden wir prüfen, ob der Finanzminister (Gernot Blümel, ÖVP, Anm.) nicht den Schritt machen und den Aufsichtsrat absetzen müsste, da er dann offensichtlich nicht im Interesse der Republik handelt.“

Auch Aufsichtsratsexperte Josef Fritz bezeichnete im Ö1-Mittagsjournal den ÖBAG-Aufsichtsrat als weise beraten, sich abzustimmen und eine Sitzung einzuberufen. Eine Abberufung Schmids könne aber nur die Ultima Ratio sein, so Fritz. Denn würde er abgelöst, könne das mit hohen Zahlungen verbunden sein, denn Schmid habe ja einen geltenden Vertrag. Eine Möglichkeit wäre aber, so Fritz, Schmid einen zweiten Vorstand zur Seite zu stellen.

Die Protokolle geben auch Einblick in die Bestellung des Aufsichtsrates. Es geht daraus hervor, dass Schmid auf die Auswahl der Aufsichtsräte Einfluss nehmen wollte. Er soll sich bei der Suche nach Aufsichtsräten mit der Netzwerkerin Gabi Spiegelfeld, die im Wahlkampf 2017 für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Großspenden gesammelt haben soll, beraten haben. Nach längerer Suche habe sich dann laut Chats etwa mit Susanne Höllinger eine „gute Frau“, die „steuerbar“ sei, gefunden. Sie sitzt heute noch im Aufsichtsrat.

„Macht und Günstlingswirtschaft“

Die Chatverläufe von Schmid, zu diesem Zeitpunkt noch Generalsekretär im Finanzministerium, mit Dutzenden Personen, darunter auch mit Kurz und Blümel, zeigen den Weg Schmids bis zum Alleinvorstand der ÖBAG. Dass er zum engen Umfeld von Kurz gehörte, zeigte etwa eine Nachricht von Blümel an Schmid: „Du bist Familie.“

Meinl-Reisinger kritisierte das „Sittenbild eines korrupten Systems von Macht und Günstlingswirtschaft“. Bei der ÖBAG gehe es um die wichtigste Beteiligungsgesellschaft der Republik mit einem Portfolio von 26 Milliarden Euro. Das dürfe „keine private Spielwiese für Parteigänger von Kurz“ sein. Es gehe um die Interessen einiger weniger, die zur „Familie“ gehörten.

Das sei eine „Form von Kleptokratie“, krisierte Meinl-Reisinger. Die Chats hätten bestätigt, was NEOS immer wieder über parlamentarische Anfragen und Aussendungen aufzuzeigen versucht habe. Es sei nun auch klar, warum die ÖVP, aber auch die Grünen den ÖBAG-Teil aus dem U-Ausschuss „raushaben“ wollten. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

Sachverhaltsdarstellung gegen Kurz angekündigt

Für NEOS sei es untragbar, dass Schmid weiter im Amt bleibt. Es gab von den Pinken aber auch Rücktrittsaufforderungen an Kurz und Blümel. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte einen Rücktritt Blümels. SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte wiederum Sexismus in den Chatprotokollen. Dabei bezog sich Heinisch-Hosek vermutlich auch auf eine Aussage Spiegelfelds in den Chats, die Bezug nahm auf die Suche nach geeigneten Frauen für den Aufsichtsrat: „Mir gehen die Weiber so am Nerv. Scheiß Quote.“

Anzeige gegen Kanzler Kurz (ÖVP)

Chats, die zeigen, wie Thomas Schmid zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG wurde, sorgen für innenpolitische Aufregung. NEOS bringt eine Anzeige gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein.

Gegen den Kanzler will NEOS eine Sachverhaltsdarstellung wegen mutmaßlicher Falschaussage vor dem U-Ausschuss einbringen. Sowohl Blümel als auch Kurz hätten im U-Ausschuss gelogen, argumentierte NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Sie hätten gesagt, dass sie bei der Bestellung von Schmid keinen Einfluss genommen hätten, das sei über den Aufsichtsrat gelaufen. Dieser sei aber zuvor von Kurz und Blümel ausgesucht worden, kritisierte Krisper.

„Wäre ich er, würde ich gehen“

Ähnlich argumentierte SPÖ-Fraktionsvorsitzender Kai Jan Krainer im Ö1-Mittagsjournal. Kurz und Blümel hätten im Ausschuss ein Bild gezeichnet, dass sie über die Bestellung Schmids nur am Rande informiert gewesen seien. Krainer: „Die Chatprotokolle zeigen nun das Gegenteil. Sie sind von Anfang an informiert gewesen und trafen die wesentlichen Entscheidungen.“

Die Grünen-Fraktionsführerin im U-Ausschuss, Nina Tomaselli, reagierte Montagnachmittag via Twitter und meinte, dass sich Schmid „weder mit dem ‚Bewerbungsverfahren‘ noch mit den Spielchen um Personal und Struktur in der ÖBAG um den Vorstandsjob verdient gemacht“ habe. „Wäre ich er, würde ich gehen“, so Tomaselli.

Kontakte zu SPÖ

„Kaum an Heuchelei zu überbieten“ sei die SPÖ-Kritik an der Postenbesetzung, meinte ein ÖVP-Mitglied im U-Ausschuss, Klaus Fürlinger. Das ÖBAG-Gesetz sei nämlich nicht nur von den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ beschlossen worden, sondern auch mit roten Stimmen. Verhandelt hätten damals auch der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern und ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Und: „Die Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der ÖBAG erfolgte einstimmig, also auch mit den Stimmen der SPÖ-Mitglieder im Aufsichtsrat.“

Einige Chatprotokolle sollen auch Schmids Kontakte zur SPÖ zeigen. Gegenstand dieser Chats war vor allem die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat. Katzian war SPÖ-Chefverhandler für die Reform der Staatsholding. Eine der Bedingungen der SPÖ für die Zustimmung zur Reform im Nationalrat war die Entsendung von Betriebsräten in den Aufsichtsrat. Gegen Schmids Beförderung zum ÖBAG-Chef hatte Katzian damals offenbar nichts einzuwenden: „Jetzt next Step – deine Bestellung“, schrieb er nach dem Beschluss an Schmid.

Suche nach weiteren Jobs

Eine Ö1-Recherche zeigt, dass die Auswertungen der WKStA über die ÖBAG-Bestellungen hinausgingen. Wie die Chatprotokolle zeigen, dürfte Schmid als Generalsekretär im Finanzministerium immer wieder für Interventionen und Postenbesetzungswünsche kontaktiert worden sein. Besonders häufig sei es dabei um die ehemalige ÖVP-Abgeordnete Gabriele Tamandl gegangen. Sie hatte 2017 ihr Abgeordnetenmandat verloren und ihren Job gekündigt.

„Wir brauchen einen Job für Gabi Tamandl. Fällt dir etwas ein?“, schrieb der damalige ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling an seinen Generalsekretär Schmid. Das sei aber so gemeint gewesen, dass Tamandl einen Job suche und nicht einen Job im Finanzministerium, sagte Schelling nun gegenüber Ö1. Laut den Chats dürften sich aber mehrere ÖVP-Vertreter um einen Job für Tamandl bemüht haben.