Auswertung eines Tests in Innsbruck
APA/EXPA/Johann Groder
B.1.1.7-E484K

Sorge über mutierte GB-Variante in Tirol

Erneut ruft das Auftreten einer Virusmutation in Tirol Unruhe hervor. Wie am Sonntag bekanntwurde, gibt es in dem Bundesland eine deutliche Häufung an Fällen der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Variante B.1.1.7, die weitere Mutationsmerkmale aufweisen. Bei dieser „Fluchtmutante“ namens B.1.1.7-E484K wird eine geringere Wirksamkeit der Impfungen befürchtet.

Laut dem Land Tirol gab es mit Stand Sonntag 216 Fälle, in denen positive Proben der britischen Variante das Mutationsmerkmal E484K aufwiesen. Diese Form sei in anderen Teilen Österreichs zwar bereits aufgetreten, allerdings nur vereinzelt. Nun gibt es aber in Tirol eine größere Verbreitung: In Bezirk Schwaz wurden 103 Fälle entdeckt, 54 Fälle gebe es in Kufstein. Als Vorsichtsmaßnahme muss daher ab Mittwoch, 00.00 Uhr, bei der Ausreise aus Nordtirol ein negativer Test vorgewiesen werden. Selbiges gilt innerhalb Tirols für die Ausreise aus dem Bezirk Kufstein.

Denn eine Verbreitung dieser Variante könnte zum Risiko für die Impfkampagne werden, warnen Fachleute. Einiges deute darauf hin, dass die zusätzliche Mutation E484K das Virus unempfindlicher gegen bereits gebildete neutralisierende Antikörper macht. Deswegen wird vermutet, dass die derzeit erhältlichen Impfstoffe gegen diese Variante eine geringere Wirksamkeit haben könnten. Das Virus werde „von den Antikörpern, die wir nach der Impfung bilden, nicht mehr so gut erkannt“, so die Virologin Dorothee von Laer am Sonntag bei „Im Zentrum“.

Weil sich das Virus kontinuierlich verändert, werden durch Selektion Varianten begünstigt, die dem Virus einen Vorteil bei der Verbreitung verschaffen. Dazu gehören auch „Fluchtmutanten“ bzw. „Escape-Mutanten“. An diese Typen können die vom Immunsystem nach einer Impfung gebildeten Antikörper schlechter binden.

Auch bei anderen Varianten aufgetreten

Die Mutation E484K tritt auch in der in Südafrika entdeckten Variante B.1.351 und der speziell in Brasilien grassierenden Variante P.1 auf. Beide Varianten können der Immunantwort ausweichen. Besonders bei der Südafrika-Variante gab es bereits Hiobsbotschaften zur reduzierten Wirksamkeit mehrerer Impfstoffe, zuletzt auch jenem von AstraZeneca – mehr dazu in science.ORF.at.

Bei der „ursprünglichen“ B.1.1.7-Variante konnte hingegen bisher eine gute Wirkung der verfügbaren Schutzimpfung festgestellt werden. Dass nun gerade B.1.1.7 die E484K-Mutation aufweist, könnte sich deswegen und auch aufgrund der schnelleren Ausbreitung der Großbritannien-Variante als problematisch erweisen, warnte am Montag auch der Virologe Andreas Bergthaler.

Erstmals festgestellt wurde die Variation aus B.1.1.7 und E484K laut Bergthaler Ende Jänner in Großbritannien, aber sie entstand unabhängig davon auch im US-Bundesstaat Oregon. Bis Samstag wurden in der internationalen Gendatenbank GISAID 108 solcher Genome verzeichnet, entsprechend Sorge gibt es über die Ausbreitung in Tirol.

Höhere Zahlen, höhere Chance auf Mutation

Bergthaler hält die neuen Ausreisebeschränkungen für Tirol, aber auch weitere Maßnahmen für dringend notwendig. Eine Verbreitung von B.1.1.7-E484K müsse möglichst verhindert werden, sagte er am Montag im Ö1-Mittagsjournal. Denn im restlichen Österreich handle es sich noch um Einzelfälle. Die Mutation führe einem „wieder vor Augen, dass je höhere Infektionszahlen wir haben, umso eher bieten wir dem Virus auch die Chance, sich zu mutieren“. Es sei deswegen ein „sehr, sehr, sehr wichtiges Argument“, Maßnahmen zu ergreifen und die Infektionszahlen zu reduzieren.

Den über Ostern verhängten Lockdown für Wien, Niederösterreich und das Burgenland könne nur ein erster Schritt sein. Es gebe viele gute wissenschaftliche Argumente dafür, die Maßnahmen auch auf andere Bundesländer auszuweiten. Das etwa von Salzburg angeführte Argument gegen neue Maßnahmen – nämlich dass dort die Lage aufgrund weniger belasteten Intensivstationen und einer „Seitwärtsbewegung“ bei den Neuinfektionen – weniger schlecht sei, hält er für nicht ausreichend. Die Berichte von Intensivmedizinern würden zeigen, dass „Feuer am Dach“ sei.

Warten auf Impfungen

Etwa viereinhalb Millionen Impfwillige warten in Österreich noch auf den ersten Stich. Das größte Problem liege derzeit bei den Herstellern selbst, die ihre Liefertermine nicht einhalten können. Mit Beginn des zweiten Quartals soll Tempo in die Sache kommen.

Neue Maßnahmen würden erst in zwei bis drei Wochen greifen, deswegen brauche es jetzt entschlossenes Handeln. Regionale Lösungen seien zwar sinnvoll, aber nur wenn sie bei entsprechend niedrigen Infektionszahlen rechtzeitig in Kraft treten. Es gelte, nun Vorsichtsmaßnahmen für die Sommermonate zu ergreifen – denn das Virus werde auch in diesen nicht verschwinden. Mit höheren Durchimpfungsraten und den geltenden Vorsichtsmaßnahmen auch gegen die neue Variante werde es aber langsam zu einer Entspannung kommen. Zudem arbeiten auch die Pharmafirmen laufend an der Anpassung der Impfstoffe.