Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel
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Deutschland-Dilemma

Zwischen Pandemie und „K-Frage“

In Deutschland ringen Bund und Länder um Maßnahmen angesichts steigender Coronavirus-Infektionszahlen. Doch es geht nicht nur um die Pandemiebekämpfung: Im Herbst wird ein neuer Bundestag gewählt – und noch ist unklar, wer nach der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel die derzeit in Umfragen schwächelnde Union in die Wahl führen wird. CDU-Chef Armin Laschet scheint bei der „K-Frage“ das Nachsehen zu haben, denn CSU-Chef Markus Söder bringt sich immer besser in Stellung.

Eine verordnete Osterruhe, die dann von Merkel mit Entschuldigung wieder zurückgenommen werden muss, eine „Notbremse“, die aber von vielen Bundesländern nicht angezogen wird, und sogar Öffnungen in einigen Ländern: In den vergangenen Tagen hat sich der Streit über die Coronavirus-Maßnahmen deutlich zugespitzt.

Denn es geht nicht nur um die Maßnahmen: Da im September in Deutschland gewählt wird, will es sich niemand mit der Bevölkerung verscherzen. Doch die ist, und das macht es wie in vielen Ländern kompliziert, gespalten: Die einen sind pandemiemüde und haben von allen Maßnahmen genug, die anderen wollen Verschärfungen, um dem Virus Einhalt zu gebieten. Und hier fällt die Positionierung für Politikerinnen und Politiker nicht einfach.

Merkel-Kritik auch an Nachfolger Laschet

Merkel, die als scheidende Kanzlerin zumindest persönlich nicht viel zu verlieren hat, las in der ARD-Diskussionssendung „Anne Will“ den Landesministerpräsidenten die Leviten: „Wir müssen mit einer großen Ernsthaftigkeit jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen. Und einige Bundesländer tun das, andere tun es noch nicht“, sagte sie. Konkret kritisierte sie die Regierungen von Berlin, dem Saarland und – auf Nachfrage – auch von Nordrhein-Westfalen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei Anne Will
ARD
Merkel bei „Anne Will“ – kein häufiges Ereignis

Pikant dabei: Ministerpräsident ist dort Laschet, ihr Nachfolger als CDU-Chef und potenzieller Kanzlerkandidat der Union. „Wenn am Ende doch nicht Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union werden sollte, hat auch Merkel an diesem Abend ein Scherflein dazu beigetragen“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Und sie weist auch darauf hin, dass sich Merkel nur dann zu Anne Will in die Talkshow setzt, „wenn sie in Bedrängnis ist“. Viel erreicht hat sie auf den ersten Blick nicht: Am Montag verteidigten die kritisierten Länder ihre Pläne.

Union sackt auf 29 Prozent ab

Tatsächlich wächst in Deutschland die Unzufriedenheit mit den Maßnahmen: Laut Politbarometer von der Forschungsgruppe Wahlen und ZDF vom Wochenende gaben 55 Prozent der Befragten an, dass Bund und Länder ihre Sache in der Pandemiebekämpfung eher schlecht machen würden – um zwölf Prozentpunkte mehr als vier Wochen zuvor.

Noch viel schwerer wirkt aber das Absacken der CDU in der Sonntagsfrage: Die Union sackte zuletzt um ganze sieben Prozentpunkte auf 29 Prozent ab. Neben der Uneinigkeit bei den Coronavirus-Maßnahmen litt das Image auch durch die Affären rund um Maskenbeschaffungen mit Provisionen für Unionspolitiker. Gleichzeitig legten die Grünen um vier Prozentpunkte auf 23 Prozent zu.

Söder in Umfragen klar vor Laschet

Für die Union könnte es also im September eng werden – und viel wird davon abhängen, mit welchem Kanzlerkandidaten man antritt. Laschet, der sich ja innerhalb der CDU gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen durchgesetzt hatte, steht hier nicht allzu gut da. Bei der Beurteilung nach Sympathie und Leistung („Was halten Sie von …?“) steht er auf einer Skala von plus fünf bis minus fünf bei 0,1 – und damit weit hinter Söder, der mit einem Wert von 1,2 auf Platz zwei hinter Merkel (1,7) liegt. Und bei der Frage, ob er als Kanzler geeignet wäre, gibt es bei Laschet nur 23 Prozent Zustimmung. Söder hat 55 Prozent.

CDU-Chef Armin Laschet
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Gegen Merz und Röttgen hat er sich in der CDU durchgesetzt – doch Kanzlerkandidat ist Laschet nicht automatisch

Dabei ziert sich Söder weiterhin, sich offiziell für die Aufgabe ins Spiel zu bringen – kokettiert aber immer offener damit. So sprach er sich unmittelbar nach Merkels Rundumschlägen in den ARD-„Tagesthemen“ dafür aus, dem Bund im Notfall mehr Kompetenzen bei der Pandemiebekämpfung zu geben – für Beobachter ein deutliches Zeichen, dass er sich hier nicht als Bayerns Ministerpräsident, sondern als Bundespolitiker positionieren wollte.

Erste CDU-Stimmen für Söder

Tatsächlich meldeten sich am Montag erste CDU-Abgeordneten, die sich für Söder aussprachen: Doch bei allen Umfragewerten wäre Söder als Kanzlerkandidat ein Risiko. Bayern gilt in weiten Teilen Deutschlands nicht unbedingt als Lieblingsbundesland, Söder selbst eckte früher oft an, eher er sich einem Imagewandel in Richtung moderner und auch grüner unterwarf. Und nicht vergessen ist es in der Union, dass man mit CSU-Kanzlerkandidaten bisher keinen Erfolg hatte: 1980 scheiterte Franz-Josef Strauß, 2002 Edmund Stoiber. Entschieden soll die Frage zwischen Ostern und Pfingsten werden. Wann genau, ist noch offen.

CSU-Chef Markus Söder
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Einst polternder Landespolitiker, gibt sich Söder nun staatstragend

Wer, wenn nicht die Union?

Es könnte also sein, dass die Konservativen nach der Wahl im September nicht unbedingt den Kanzler stellen. Doch wenn nicht die Union, wer dann? Die SPD liegt mit ihrem Kandidaten, Finanzminister Olaf Scholz, in Umfragen bei 15 Prozent, müsste also eine sehr, sehr ungewöhnliche Aufholjagd hinlegen. Und dann gibt es eben die Grünen, für die es vielleicht auch eine Koalitionsmehrheit abseits der Union geben könnte – mit SPD und der FDP oder gar mit SPD und der Linken.

Dabei haben die Grünen allerdings auch noch keinen Kanzlerkandidaten – oder eigentlich noch keine Kanzlerkandidatin: Ausgegangen wird davon, dass von der Parteidoppelspitze Annalena Baerbock die Funktion übernimmt und Robert Habeck ihr – trotz etwas besserer Umfragewerte – den Vortritt lässt.