Überblick über den legislativen Rat der Regierung in China.
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Neues Gesetz

Peking kontrolliert künftig Hongkong-Wahl

Chinas Führung hat eine radikale Wahlrechtsreform für Hongkong beschlossen. Präsident Xi Jinping habe am Dienstag die Veröffentlichung der Wahlrechtsänderung verfügt, meldete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Durch die Reform erhält Peking die Kontrolle über die Kandidatenauswahl bei Parlamentswahlen in Hongkong und kann bestimmte Kandidaten und Kandidatinnen ausschließen.

Die Änderungen am Wahlsystem der Sonderverwaltungszone seien vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses einhellig bestätigt worden, sagte Tam Yiu-chung, einziger Delegierter aus Hongkong, der Nachrichtenagentur AFP. Chinas Volkskongress hatte die Änderung des Wahlrechts in der Sonderverwaltungszone Mitte März auf den Weg gebracht. Sie soll sicherstellen, dass Hongkong nur von „Patrioten“ geführt werden kann.

Damit will sich Peking die Kontrolle über die Kandidatenauswahl verschaffen. Unter anderem soll die chinesische Führung Vetorechte erhalten, um bestimmte Kandidaten ausschließen zu können. Die Reform sieht auch eine Vergrößerung des Hongkonger Parlaments von 70 auf 90 Sitze vor. Gemäß der Wahlrechtsreform werden künftig nur noch 20 statt 35 Sitze durch direkte Wahl vergeben, wie Tam sagte. Eine Mehrheit von 40 Sitzen wird von einem pekingtreuen Komitee vergeben. Die übrigen 30 Parlamentarier sollen von „Fachwahlkreisen“ ausgewählt werden, die bestimmte Branchen vertreten und traditionell ebenfalls als Peking loyal gegenüber gelten.

Der chinesische Präsident Xi Jinping.
AP/Sam Mcneil
Der chinesische Präsident Xi Jinping hat die Wahlrechtsreform, die Pekings Interessen in Hongkong stärkt, unterzeichnet

EU und USA sehen Autonomierechte verletzt

Kandidaten müssen sich gemäß der Reform einer Untersuchung ihrer politischen Ansichten unterziehen. Laut Tam soll das Komitee, das diese Untersuchung leitet, von den Hongkonger Behörden geschaffen werden. Auch der neue nationale Sicherheitsapparat soll in das Kandidatenzulassungsverfahren einbezogen werden.

An der Wahlrechtsreform hatte es bereits vor ihrer formalen Bestätigung große internationale Kritik und vor allem Streit mit dem Westen gegeben. Nach dem grünen Licht des chinesischen Volkskongresses für die Änderungen beklagten die EU und die USA eine eklatante Verletzung der Autonomierechte Hongkongs. Außenminister Antony Blinken sprach damals von einem „direkten Angriff auf die Autonomie, die den Hongkongern unter der chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung“ von 1997 zugesagt worden sei.

Präsident der Vereinigten Staaten, Joe Biden.
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US-Präsident Joe Biden kritisiert nicht nur die Menschenrechtslage in China

Hartes Vorgehen gegen Demokratieaktivisten

Schon Ende Juni des Vorjahres hatte China das „Sicherheitsgesetz“ eingeführt und damit stark in den Autonomiestatus Hongkongs eingegriffen. Das Gesetz erlaubt den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Das umfasst alle Aktivitäten, die aus Sicht Pekings als subversiv, separatistisch, terroristisch oder als Teil einer Verschwörung mit ausländischen Kräften eingestuft werden.

Verstöße können mit lebenslanger Haft geahndet werden. Das Gesetz wird bereits gegen Demokratieaktivisten eingesetzt. Peking reagierte mit dem „Sicherheitsgesetz“ auf die Massenproteste im Jahr 2019. Der früheren britischen Kronkolonie waren bei ihrer Übergabe an China 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Westliche Staaten sehen auch in dem „Sicherheitsgesetz“ einen eklatanten Verstoß gegen die damaligen Vereinbarungen.

Spannungen auch wegen Unterdrückung der Uiguren

Unterdessen nehmen auch die Spannungen zwischen China und dem Westen im Streit über die Unterdrückung der Uiguren zu. Nach Sanktionen gegen mehrere europäische Politiker und Organisationen verhängte Peking am Wochenende auch gegen Vertreter der USA und Kanadas Strafmaßnahmen, wie das chinesische Außenministerium mitteilte.

Wegen der Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang hatten Großbritannien, die EU, Kanada und die USA Anfang voriger Woche Sanktionen gegen China verhängt. Peking wies die Vorwürfe zurück und belegte seinerseits Politiker und Wissenschaftler sowie Organisationen aus der EU und Großbritannien mit Sanktionen.

China beschuldigte die USA und Kanada, Sanktionen zu verhängen, die „auf Gerüchten und Desinformation beruhen“, und ordnete seinerseits Strafmaßnahmen gegen zwei Mitglieder der US-Kommission für internationale religiöse Freiheit, Gayle Manchin und Tony Perkins, sowie den kanadischen Abgeordneten Michael Chong und den kanadischen Parlamentsausschuss für Menschenrechte an.

Die Betroffenen dürfen nicht mehr nach Festland-China und in die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao einreisen, ihre dortigen Vermögen werden eingefroren. Chinesischen Bürgern und Institutionen wird untersagt, mit ihnen zu kooperieren. Die Sanktionierten „müssen die politische Manipulation in auf Xinjiang bezogenen Fragen stoppen und aufhören, sich in irgendeiner Form in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen“, erklärte das Ministerium: „Andernfalls werden sie sich die Finger verbrennen.“

Blinken und Trudeau verurteilen Vorgehen

Die USA und Kanada verurteilten das Vorgehen der chinesischen Regierung. „Pekings Versuche, diejenigen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, die sich für Menschenrechte und grundlegende Freiheiten starkmachen, tragen nur zu der zunehmenden internationalen Untersuchung des fortgesetzten Genozids und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang bei“, sagte US-Außenminister Blinken am Samstag.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau bezeichnete die Maßnahmen als „einen Angriff auf Transparenz und Meinungsfreiheit“. Der kanadische Abgeordnete Chong sah in den Sanktionen gegen ihn indes ein „Ehrenabzeichen“. „Wir haben die Pflicht, China für sein hartes Durchgreifen in Hongkong und seinen Völkermord an den Uiguren anzuprangern“, schrieb er auf Twitter.

Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Xinjiang mindestens eine Million Uiguren und andere Muslime in Hunderten Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die Extremismus in der Region bekämpfen sollen.

Angespannte Beziehungen Washington – Peking

Die Beziehungen zwischen der aufstrebenden Großmacht China und den USA sind angespannt. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte den Kurs gegenüber der Regierung in Peking verschärft, unter anderem in der Handelspolitik. Sein Nachfolger Joe Biden hat zwar in vielen Bereichen eine Abkehr von Trumps Politik eingeleitet; in der China-Politik will der neue Präsident aber grundsätzlich an einem harten Kurs festhalten.

So sprach sich Biden am Samstag auch für ein Konkurrenzprojekt zur billionenschweren „Neuen Seidenstraße“ Chinas aus. „Ich habe vorgeschlagen, dass wir im Wesentlichen eine ähnliche Initiative haben sollten, die von den demokratischen Staaten ausgeht, um jenen auf der ganzen Welt zu helfen, die in der Tat Hilfe brauchen“, sagte Biden. Pekings Einfluss ist in den vergangenen Jahren in einigen Ländern durch Kredite und Projekte im Rahmen der „Neue Seidenstraße“-Initiative gewachsen. Das Projekt löste bei regionalen Mächten und vor allem bei westlichen Nationen Besorgnis aus. Im Zuge der Initiative half China einer Reihe von Ländern, Straßen, Eisenbahnen, Dämme und Häfen zu bauen oder zu entwickeln.