Laborantinnen bei der Entwicklung von Impfstoffen, durch ein Fenster fotografiert
Reuters/Thomas Peter
Vorbild Grippeimpfung

Vakzine mit Updates fit gegen Mutanten

Südafrikanisch, britisch, brasilianisch – langsam gehen Überblick und Namen für die Virusmutationen zur Neige. SARS-CoV-2 verändert sich überall auf der Welt, eine Entwicklung, die die nächste große Herausforderung darstellt. Die Impfstoffhersteller müssen die Vakzine anpassen, so wie bei Influenza auch. Wie lange das dauert, erklärt die Virologin Christina Nicolodi.

Das Coronavirus steht unter stärkster Beobachtung: Wie es sich verändert, um ansteckender zu werden, wird auf der ganzen Welt genau verfolgt. So ist es auch beim Influenzavirus, dessen Überwachung seit vielen Jahren ein eingespieltes globales System ist. „Da weiß man seit Langem, dass das Grippevirus oft mutiert und dass in einer Saison vier Subtypen zirkulieren. Und jede mutiert dann nochmal“, so Nicolodi, Virologin und Beraterin gegenüber ORF.at.

„Daher gibt es bei der WHO (Weltgesundheitsorganisation, Anm.) das Influenza-Surveillance-System, wo das Virus stichprobenartig ständig angeschaut und analysiert wird.“ Jeden Jänner spricht dann die WHO Impfempfehlungen aus, und so wissen die Hersteller, „welche Viren dieses Jahr in den Impfstoff hineingepackt werden müssen, damit sie für das jeweilige Jahr wirken“, so Nicolodi. Ein ähnliches System werde es wohl auch für das Coronavirus geben.

Wirksamkeit gegen B.1.1.7

In der EU sind zur Stunde vier CoV-Vakzine zugelassen: die Vektorimpfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson und die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Pfizer sowie von Moderna. Der Unterschied liegt nur in der Art, wie sie den Körper dazu bringen, eine Immunantwort zu entwickeln. Diese Impfstoffe sind hochwirksam gegen SARS-CoV-2 in der ursprünglichen Variante, dem Wildtyp. Inzwischen gibt es aber mehrere Abwandlungen des Virus, für die die Schutzwirkung der Impfung teilweise weniger zu greifen scheint. Die Mutationen sind also die nächste Hiobsbotschaft, kaum sind die Impfungen in einigen Ländern flächendeckend ausgerollt.

Die Mutanten sind gefährlicher als das Stammvirus: Die zuerst in Großbritannien entdeckte Version B.1.1.7 dürfte etwa zu 64 Prozent tödlicher sein, so eine Studie der Universität Exeter. Sie ist in Österreich mittlerweile dominant, wer sich derzeit infiziert, hat es in den meisten Fällen mit B.1.1.7 zu tun. Die gute Nachricht ist, dass die bisher zugelassenen Impfstoffe gut gegen die Variante wirken.

Warten auf Studien zu anderen Mutanten

Moderna sowie Biontech und Pfizer sind zuversichtlich, dass ihre Impfstoffe auch gegen die zuerst in Südafrika aufgetretenen Variante B.1.351 wirkt, auch wenn hier Geimpfte möglicherweise eine schwächere Immunantwort aufbauen können. Die Variante ist in Österreich laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wenig verbreitet, etwa zu 0,3 Prozent. Ob das AstraZeneca-Vakzin gegen B.1.351 schützt, kann noch nicht beantwortet werden. Südafrika selbst setzt derzeit auf das Präparat von Johnson & Johnson, dessen Wirksamkeit gegen die vorherrschende Variante belegt sei, hieß es dort.

Wissenschaftliche Publikationen lassen aber noch auf sich warten. „Bei den mRNA-Impfstoffen ist bei dieser Variante die neutralisierende Wirkung zwischen einem und zwei Dritteln reduziert, der Vektorimpfstoff liegt bei rund zehn Prozent Wirksamkeit“, so Nicolodi. Eine Infektion werde so wohl nicht verhindert, die Krankheitsverläufe aber abgemildert.

Varianten als Langzeitbegleiter

Die nun in Tirol aufgetretene Variante E484K ist eine Spezialvariante des Erregers B.1.1.7. Am Sonntag warnte der Virologe Andreas Bergthaler ausdrücklich vor dieser Mutante, es gebe Hinweise, dass die Impfungen nicht so gut schützen könnten. Die Virologin Dorothee von Laer warnte am Sonntag in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ gar vor eine starken Herbstwelle, verursacht durch die Mutationen. Bei E484K handle es sich um eine „immunologische Fluchtmutante“, so von Laer: „Dieses Virus wird von den Antikörpern, die wir nach der Impfung bilden, nicht mehr so gut erkannt.“

Die Lösung ist die Anpassung der Impfstoffe wie bei der Influenza. Auch die Veränderungen des Coronavirus werden streng überwacht, schon im vergangenen Sommer habe man bereits rund 15.000 Mutationen beobachtet, sagt Nicolodi. „Das sind dann in der Sequenz einzelne Buchstaben, die sich ändern, das wird laufend analysiert. Es gibt vom Virus beabsichtigte und unbeabsichtigte Mutationen. Dann erstellt man Stammbäume.“ Die derzeit beobachteten Mutanten des Coronavirus seien beabsichtigt, sie kommen durch Selektionsdruck zustande. CoV sei stabiler als das Influenzavirus. „Noch wissen wir nicht, wie oft man in der Zukunft impfen wird müssen“, so die Expertin.

Erleichterte Anpassung

Die Anpassung der Impfstoffe an den Kampf gegen jeweils aktuelle Mutanten gehe „recht zügig“, sagt Nicolodi, die in einem Gastbeitrag auch Details über diese Arbeit der Pharmafirmen veröffentlicht hat – mehr dazu in science.ORF.at. „Es muss keine neue Zulassung beantragt werden, sondern nur die bestehende wird abgeändert.“ Beim jährlichen Influenza-Update dauere dieser Vorgang alles in allem etwa fünf bis sechs Monate von der Empfehlung bis zur Auslieferung. In der EU wurde der Weg, um Impfstoffe auf Virusvarianten anzupassen, auch erleichtert, die Kommission verlangt weniger Daten für die angepasste Zulassung. Wenn das Update eines Vakzins einmal zugelassen ist, dürfen die Hersteller die alte Version nicht mehr produzieren.

Wie viele CoV-Varianten in welchem Zeitraum auftreten werden, sei nicht abschätzbar. „Das wird stark von der Durchimpfungsrate abhängen“, so Nicolodi. Solange das Coronavirus Zeit und Raum hat, sich zu verbreiten, werde es sich verändern. „Daher ist es so unglaublich wichtig, schnell zu einer hohen Durchimpfungsrate zu kommen.“ Davon hänge auch ab, ob es zu einer starken Welle im Herbst mit weiteren Mutanten komme. „Die Frage ist, ob wir es bis dorthin schaffen, 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung zu impfen.“

Hohe Durchimpfung global wichtig

Eine hohe Impfzahl sei global wichtig, nicht nur im eigenen Land. Wenn in ärmeren Ländern nicht geimpft werden könne, könnten sich dort erneut Varianten entwickeln, die wieder den Impfschutz beeinträchtigen könnten. Auf diese Gefahr machte auch die WHO erst vergangene Woche aufmerksam. Während weltweit bisher mehr als 430 Millionen Impfdosen verabreicht wurden, warten manche Länder immer noch auf ihre erste Lieferung. Die Kluft wachse „jeden Tag und werde jeden Tag grotesker“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Das sei nicht nur moralisch ein „Skandal“, sondern epidemiologisch gefährlich.