Sputnik
APA/AFP/Andreas Solaro
„Sputnik V“

Verhandlungen über eine Million Dosen

Wann die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) erfolgt, ist derzeit noch nicht absehbar – der russische Coronavirus-Impfstoff „Sputnik V“ wird aber offenbar für Österreich immer mehr zu einer realen Option. Darauf verweisen Berichte über laufende Verhandlungen. APA-Angaben zufolge geht es um bereits bis Juni im Raum stehende Lieferungen von einer Million Dosen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte dazu am Dienstag, dass man „aktuell alle Möglichkeiten“ prüfe, um möglichst rasch weiteren Zugang zu noch mehr geprüften Impfstoffen für die breite Bevölkerung zu ermöglichen. „Klar ist: jeder in Österreich eingesetzte Impfstoffe muss wirksam und sicher sein“, so Anschober.

Ab wann „Sputnik V“ in der EU zugelassen werden könnte, ist bisher offen. Die EMA gab Anfang März aber den Auftakt für ein rollierendes Verfahren zur Zulassung bekannt. Dabei können während eines Gesundheitsnotstands die notwendigen Daten bei Verfügbarkeit sukzessive eingereicht und geprüft werden. Das Verfahren kann so beschleunigt werden.

Verhandlungen über „Sputnik V“-Impfstoff

Russland bietet Österreich eine Million Impfdosen von „Sputnik V“ an. Dieser Impfstoff ist in der Europäischen Union derzeit aber noch gar nicht zugelassen.

Zulassung erst nach Juni?

Der für den „Sputnik V“-Vertrieb zuständige russische Direktinvestmentfonds RDIF rechnet dennoch mit keiner allzu raschen EMA-Zulassung. RDIF-Chef Kirill Dmitriew sprach zuletzt von einer Zulassung „voraussichtlich nach Juni“. Dann könne man aber „innerhalb von drei, vier Monaten etwa 100 Millionen Dosen für 50 Millionen Menschen in der EU liefern“.

Unklar ist, ob Österreich ähnlich wie Ungarn einen Alleingang bei der Zulassung überlegt. Eine Option seien aber auch – sollte mit Ruslland ein Vertrag zustande kommen – etwaige vorgezogene Lieferungen und die Einlagerung des Impfstoffs bis zur EMA-Zulassung.

Noch keine Kaufentscheidung

Das Bundeskanzleramt verweist laut APA auf eine bereits unterschriebene Vertraulichkeitsvereinbarung mit Russland zum Austausch von Dokumenten. Die österreichischen Gesundheitsbehörden würden auch Zugang zu den Dokumenten erhalten. Verhandelt werde den Angaben zufolge über die Lieferung von 300.000 Dosen im April, 500.000 Dosen im Mai und 200.000 Dosen Anfang Juni. Eine Kaufentscheidung sei aber noch nicht getroffen worden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe nach Angaben des Bundeskanzleramtes am 26. Februar mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert und über mögliche Lieferungen des russischen Impfstoffs „Sputnik V“ nach Österreich gesprochen. Noch am selben Tag sei eine Kontaktaufnahme mit dem RDIF erfolgt.

Am 5. März habe Kurz dann mit RDIF-Chef Dmitriew gesprochen. Seitdem habe es bereits mehrere Videokonferenzen und Telefonate mit dem RDIF sowie dem russischen Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski, unter Einbindung des Gesundheitsministeriums und der Finanzprokuratur gegeben.

„Keine geopolitischen Scheuklappen“

Kurz hatte bis jetzt immer erklärt, dass die Voraussetzung für eine Lieferung nach Österreich eine EU-Zulassung des russischen Impfstoffes sei. In einer Stellungnahme am Dienstag sagte der Bundeskanzler, dass es beim Impfstoff „keine geopolitischen Scheuklappen geben“ dürfe. „Das Einzige, was zählen darf, ist, ob der Impfstoff wirksam und sicher ist, nicht, woher er kommt.“

Seit Februar sei man in einem guten Austausch mit der russischen Seite, wofür er sehr dankbar sei, so Kurz, der hier noch anfügte: „Wenn Österreich eine Million Impfdosen zusätzlich bekommt, wäre eine frühere Rückkehr zur Normalität möglich und wir können viele Menschenleben sowie Arbeitsplätze retten.“

Die Leiterin des Nationalen Impfgremiums, Ursula Wiedermann-Schmidt, äußerte sich am Dienstagabend in der ZIB2 eher skeptisch zu einer rein nationalen Zulassung, auch wenn die Expertin diese prinzipiell nicht ausschloss. Das Problem auch auf europäischer Ebene sei aber aktuell, dass die Hersteller offenbar nicht ausreichend Daten vorgelegt hätten. Da sei dann die Frage, ob man national schneller als die EMA an diese Informationen herankäme, die belegten, ob „Sputnik V“ sicher und entsprechend wirksam sei.

Kritik der Opposition, Zustimmung der Ärztekammer

Kritik an der Vorgangsweise kam von der Opposition. FPÖ-Chef Norbert Hofer sagte, dass er bereits Anfang Februar den Kauf des russischen Impfstoffs gefordert habe. Das Beispiel „Sputnik V“ zeigt laut Hofer, dass es die Regierung wieder einmal verschlafen habe, die richtigen Schritte zu gehen.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker forderte indes, dass „Sputnik V“ in Östereich ohne positiv abgeschlossenes Zulassungsverfahren nicht verimpft wird. „Das würde das Vertrauen der Bevölkerung in die Impfung aushöhlen und den Impffortschritt in Österreich nachhaltig gefährden“, so Loacker: „Hätte die Regierung im Herbst nicht auf 1,5 Millionen Dosen Johnson & Johnson verzichtet, müsste die Regierung über solche Aktionen erst gar nicht nachdenken.“

„Es ist sehr erfreulich, dass die zahlreichen Appelle der Österreichischen Ärztekammer, zusätzlichen Covid-Impfstoff zu besorgen, auf fruchtbaren Boden gefallen sind“, sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Internationale Erfahrungen hätten gezeigt, dass „Sputnik V“ sicher und wirksam sei.

Ärztekammer-Präsident Szekeres zum Thema Impfen

Die ersten Lieferungen des Impfstoffs „Sputnik V“ könnten bereits im April eintreffen.

Lob von IV und WKÖ

„Beim Rollout der österreichischen Impfstrategie zählt jeder Tag. Es ist daher richtig und wichtig, sämtliche Möglichkeiten zu prüfen und zu nutzen, die zu einer Beschleunigung der heimischen Impfkampagne führen“, sagte dazu Christoph Neumayer, Generalsekretär Industriellenvereinigung (IV), in einer Aussendung. Und das gelte auch für „Sputnik V“, das „selbstverständlich nach sorgfältiger und zeitnaher Prüfung und Zulassung einen wichtigen Beitrag leisten könnte“.

Auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) begrüßte per Aussendung „die Initiative, ‚Sputnik V‘ für Österreich zu bekommen“. Geht es nach WKÖ-Präsident Harald Mahrer und -Generalsekretär Karlheinz Kopf würden „jeder Test und jede Impfung helfen, Arbeitsplätze zu erhalten und Leben zu retten“.

Nicht im ausgehandelten EU-Portfolio

Die EU-Kommission äußerte sich zu den Verhandlungen zwischen Wien und Moskau bezüglich „Sputnik V“ zurückhaltend. Der Impfstoff gehöre nicht zu dem von der EU-Kommission ausverhandelten Portfolio, sagte eine Sprecherin am Dienstag in Brüssel. Die EU-Behörde hat bisher Verträge mit den Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer, AstraZeneca, Moderna sowie Johnson&Johnson abgeschlossen.

„Für die EU ist es entscheidend, dass die Impfstoffe auf ihre Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit geprüft werden“, sagte die Sprecherin mit Blick auf das EMA-Zulassungsverfahren. Sie verwies außerdem darauf, dass im Falle einer Notfallzulassung „Konsequenzen“ zu tragen seien. So würde die Haftung nicht mehr bei den Herstellern, sondern bei den Mitgliedsstaaten liegen. Die EU-Kommission verhandle jedenfalls nicht zu „Sputnik V“. Man sei „zuversichtlich“, mit der derzeitigen Impfstrategie das Ziel zu erreichen, 70 Prozent der Erwachsenen in der EU bis zum Sommer geimpft zu haben.

Das russische Außenministerium teilte in Moskau mit, die österreichischen Pläne zeigten, dass es nicht gelinge, Russland international zu isolieren. „Zusammenarbeit auf Grundlage gegenseitigen Nutzens und gegenseitiger Achtung – das ist die Devise russischer Politik in Aktion“, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa.

In Ungarn bereits zugelassen

Russland hat „Sputnik V“ im Sommer des Vorjahres noch vor Abschluss der klinischen Studien zugelassen. Russischen Angaben zufolge ist der Impfstoff mittlerweile in rund 50 Ländern zugelassen – darunter auch im EU-Mitgliedsland Ungarn. Für Debatten sorgte „Sputnik V“ zuletzt auch in Deutschland. Konkret wurde aus den deutschen Bundesländern Forderungen laut, im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie auch in Deutschland auf „Sputnik V“ zu setzen.

Laut Regierungssprecher Steffen Seibert ist die Haltung der Bundesregierung zu „Sputnik V“ unverändert. Man habe sich zuletzt bei der EU-Kommission zwar für eine gemeinsame europäische Bestellung von „Sputnik V“ eingesetzt. Voraussetzung dafür sei aber die noch ausstehende EMA-Zulassung. Dann sei, wie ein Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums dazu sagte, „Sputnik V“ so wie jeder andere Impfstoff auch in Deutschland willkommen.

Für Frankreich „Propagandamittel“

Frankreich beschuldigte Russland indes zuletzt, seinen Impfstoff als „Propagandamittel“ einzusetzen. Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte dem Radiosender France Info, es handle sich „eher um ein Mittel der Propaganda und der aggressiven Diplomatie als um eines der Solidarität und der Gesundheitshilfe“. Neben Russland nutze auch China seinen Impfstoff von Sinopharm, um „politischen Einfluss“ auszuüben.

Le Drian kritisierte weiter, Moskau und Peking böten ihre Vakzine offensiv im Ausland an, etwa in afrikanischen Staaten wie Tunesien und dem Senegal. „China und Russland betreiben eine Politik der Beeinflussung über ihre Vakzine, bevor sie ihre eigene Bevölkerung geimpft haben“, bemängelte der französische Außenminister. Zuvor hatte auch EU-Ratspräsident Charles Michel Moskau und Peking vorgeworfen, ihre Coronavirus-Impfstoffe „für Propagandazwecke“ einzusetzen.

Moskau sei „absolut nicht einverstanden“, wenn behauptet werde, dass Russland und China die Coronavirus-Pandemie sowie die „Impfstoffproblematik“ als Mittel der Einflussnahme nutzten, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und ergänzte, Russland und China suchten nicht nach „irgendeiner Art von Krieg“.