Frau schlichtet Schachteln mit Biontech-Pfizer-Impfungen
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Keine Einigung in EU

Anhaltender Poker um Impfstoffverteilung

Im Streit über die Verteilung von Impfstoff in der EU zeichnet sich noch keine Lösung ab. Beratungen der EU-Botschafter am Mittwochvormittag über einen Kompromissvorschlag der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft hätten Diplomatenangaben zufolge noch kein Ergebnis gebracht. Ob Österreich zusätzliche Dosen des Biontech-Pfizer-Impfstoffs erhält, bleibt somit offen.

In dem Streit geht es um die Verteilung von zehn Millionen Impfdosen von Biontech und Pfizer, deren Lieferung auf das zweite Quartal vorgezogen werden kann. Österreich und weitere Länder hatten gefordert, dass sie einen größeren Anteil an dieser Lieferung erhalten, weil sie sich in der bisherigen Impfstoffverteilung benachteiligt sehen.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte den Streit vergangene Woche auch zum Thema auf dem Videogipfel der Staats- und Regierungschefs gemacht. Er stellte sich damit an die Spitze einer Gruppe von sechs Ländern vor allem aus Osteuropa. Deutschland und andere Regierungen sind bereit, Ländern mit Problemen bei der Impfstoffversorgung entgegenzukommen. Sie verweisen aber darauf, dass Österreich im Vergleich zu den anderen EU-Ländern bei der Impfstoffzuteilung relativ gut dasteht.

Kompromissvorschlag von EU-Ratsvorsitz Portugal

Bei der Verhandlungsrunde am Vormittag lag ein vom portugiesischen EU-Ratsvorsitz ausgearbeiteter Kompromissvorschlag auf dem Tisch. Dieser sah vor, dass insgesamt drei Millionen der zehn Millionen vorgezogenen Biontech-Pfizer-Dosen für einen Solidaritätsausgleich zugunsten der bei der Impfstoffverteilung zurückgefallenen EU-Staaten verwendet werden.

Nach dem Vorschlag würden Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland, die Slowakei und Tschechien von diesem Solidaritätskontingent profitieren. Österreich würden insgesamt 139.170 Impfdosen zugeteilt, was dem Anteil nach Bevölkerungsschlüssel des verbleibenden Kontingents von sieben Millionen Dosen entspricht. Also keine zusätzlichen Dosen. Österreichs Anteil läge somit deutlich unter den von Kurz erhofften bis zu 400.000 Dosen für Österreich.

Streit um Zahl der „Solidaritätsdosen“

Komme es zu keiner Einigung, würden alle zehn Millionen Dosen nach Bevölkerungsschlüssel verteilt, sagten laut Agenturberichten mit der Sache vertraute Personen. Die Agentur AFP berichtete von anhaltend schwierigen Verhandlungen. Einige Länder verlangten den Angaben zufolge, dass mehr als die rund drei Millionen Dosen in den Solidaritätsmechanismus einbezogen werden. Andere Staaten wollten dagegen nur zwei Millionen Dosen anders als nach der Bevölkerungszahl verteilen.

Aus dem Bundeskanzleramt hieß es dazu: „Es ist gut, dass mit dem Solidaritätsmechanismus die Ungleichheit bei der Verteilung von Impfstoff gelöst werden soll. Heute gab es einen ersten Austausch dazu. Einige Länder fordern mehr Solidarität. Morgen werden die Gespräche unter den EU-Botschaftern fortgesetzt.“

Bericht zurückgewiesen

Das Bundeskanzleramt hatte am Dienstag einen Bericht des Onlineportals Politico zurückgewiesen, wonach Österreich den Kauf von 100 Millionen zusätzlichen Impfdosen von Biontech und Pfizer zu blockieren drohe, wenn es nicht einen größeren Teil der Lieferung des Vakzines bekommt. Die auf das zweite Quartal vorgezogenen zehn Millionen Impfdosen sind Teil des Vertrags über die 100 Millionen Dosen.

Laut Diplomaten hat auch eine hochrangige Vertreterin der EU-Kommission in dem für den Bestellvorgang zuständigen Lenkungsausschuss bestätigt, dass die Bestelloption der EU für die 100 Millionen Biontech-Pfizer-Dosen „aktiviert“ sei. Niemand habe diese Option blockiert, sagte die EU-Kommissionsvertreterin dem Vernehmen nach. Daher habe die EU-Kommission auch gegenüber Pfizer die Aktivierung mitgeteilt.

Ohne Einigung Bestellung nach Bevölkerungsschlüssel

Der Bestellvorgang könne allerdings erst abgeschlossen werden, wenn sich die EU-Staaten über die Verteilung der vom vierten auf das zweite Quartal vorgezogenen zehn Millionen Impfdosen einigen, hieß es in Ratskreisen weiter. Dem Vernehmen nach würde im Fall einer Nichteinigung unter den EU-Botschaftern das Dossier wieder an den Impfstofflenkungsausschuss verwiesen werden und dann die 100 Millionen Dosen ohne Solidaritätsmechanismus nach dem Bevölkerungsschlüssel der EU-Staaten verteilt.

Schaidreiter (ORF) zur EU-Impfdosenverteilung

Raffaela Schaidreiter kommentiert die Chancen auf zusätzliche Impfdosen für Österreich.

„Intensive“ Debatte auf EU-Gipfel

Österreich und fünf östliche EU-Staaten (Tschechien, Slowenien, Bulgarien, Kroatien und Lettland) hatten im Vorfeld des Gipfels der EU-Staats- und -Regierungschefs in der Vorwoche eine ungleiche Verteilung der Impfstoffe in der EU beklagt und sich für einen „Korrekturmechanismus“ bei der Impfstoffverteilung ausgesprochen. Der Hintergrund: Nicht alle EU-Staaten hatten die ihnen nach Bevölkerungszahl zustehenden Mengen gekauft.

Zwei Millionen Dosen an Österreich ausgeliefert

Am Mittwoch ist in Österreich unterdessen die Marke von zwei Millionen an Österreich gelieferten Coronavirus-Impfdosen übersprungen worden. Exakt 2.030.745 Dosen wies der Onlinetracker der EU-Gesundheitsbehörde ECDC am Nachmittag aus. Davon entfielen 1.226.745 auf das Vakzin von Biontech und Pfizer, 607.200 auf AstraZeneca und 196.800 auf das Serum des Herstellers Moderna.