Eine Frau in Schutzkleidung versorgt einen Patienten auf einer Intensivstation
APA/AFP/Karoly Arvai
Trotz vieler Impfungen

Höchstwert bei CoV-Toten in Ungarn

In der dritten Welle der Coronavirus-Pandemie wurde in Ungarn ein trauriger Rekord erreicht: Am Mittwoch wurden erstmals mehr als 300 Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Dabei kommt Ungarn mit der Durchimpfung vergleichsweise rasch voran und liegt im EU-Vergleich an zweiter Stelle.

Mittlerweile haben nach Angaben der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC bereits 2,6 Millionen Ungarn und Ungarinnen bzw. 23,7 Prozent der impfbaren Bevölkerung zumindest eine erste Impfung erhalten – innerhalb der EU hat nur Malta eine höhere Quote. Ungarn war das erste Land der Union, das im Alleingang den russischen Vektorimpfstoff „Sputnik V“ kaufte, obwohl dieser in der EU bisher keine Zulassung erhalten hat. Gleiches gilt für den chinesischen Impfstoff Sinopharm – ein Mittel mit inaktivierten Viren.

Weitere 250.000 „Sputnik V“-Dosen sind am Mittwoch eingetroffen, wie Außenminister Peter Szijjarto auf Facebook bekanntgab. Bisher seien 1,1 Millionen der bestellten zwei Millionen Dosen geliefert worden. Ohne diese Lieferungen „hätten wir riesige Probleme“, sagte der Minister und kritisierte erneut Brüssel für die schleppende Impfstoffbeschaffung.

Schon über 20.000 CoV-Tote

Riesige Probleme scheint es aber auch so zur Genüge zu geben in Ungarn: Der Webseite OurWorldInData zufolge ist die wöchentliche Zahl der Todesfälle in Ungarn im siebentägigen Durchschnitt mit 25,6 Toten pro Million Einwohner im EU-Vergleich weiterhin extrem hoch (EU-Durchschnitt 5,6, Österreich 2,9). Zu Beginn der Woche überstieg die Zahl der an den Folgen einer CoV-Erkrankung gestorbenen Menschen die 20.000er-Marke, mit Stand Mittwoch gab es bereits 20.161 Tote, wie der Krisenstab in Budapest mitteilte.

Das zehn Millionen Menschen zählende Land ist auch bei den Neuinfektionen an vorderster Front – am Mittwoch wurden 6.700 Neuinfektionen registriert. In den Spitälern befinden sich 12.346 Covic-19-Patienten und -Patientinnen, 1.492 müssen künstlich beatmet werden.

Versagen an vielen Fronten

Das Portal Valaszonline.hu führte in der Vorwoche mehrere Gründe für die dramatische Lage in Ungarn an: Infektionen würden massenweise unentdeckt bleiben, weil viel zu wenig getestet werde. Zudem seien einschränkende Maßnahmen der Regierung diesmal zu spät verhängt worden. Dazu käme noch ein Mangel an Fachkräften im Gesundheitssystem, bedingt auch durch die Tatsache, dass dessen Weiterentwicklung seit Jahrzehnten für keine Regierung Priorität gehabt hätte.

Medizinisches Personal in Schutzkleidung versorgt einen Patienten auf einer Intensivstation
APA/AFP/Karoly Arvai
Ungarns Gesundheitswesen steht offenbar auf der Kippe – auch wenn das die Regierung nicht einräumen will

Die hohe Zahl an Krankenhauspatienten und -patientinnen bringt das Gesundheitswesen an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Es gebe Hinweise, dass in Intensivstationen mit ursprünglich acht Betten 40 Patienten versorgt werden müssten, sagte diese Woche die Vizevorsitzende der Ärztegewerkschaft, Judit Toth. Außerdem sinke das Durchschnittsalter der schwer Erkrankten wegen neuer, ansteckenderer Virusvarianten beständig. „In einzelnen Krankenhäusern können 65- bis 70-Jährige nicht an Beatmungsgeräte angeschlossen werden, weil die Intensivstationen schon mit Jüngeren vollbelegt sind“, sagte Toth.

Regierung: „Heilen, nicht filmen“

Dabei wird, glaubt man ungarischen Journalisten und Journalistinnen, das gesamte Ausmaß der Pandemie durch Medienauflagen der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban noch verschleiert. In einem am Mittwoch von 28 unabhängigen Medien veröffentlichten Brief hieß es, die Presse werde von Krankenhäusern ausgesperrt und daran gehindert, mit medizinischem Personal zu sprechen.

„Mangel an Informationen hat schwerwiegende Folgen“, hielten die Unterschreiber des Schreibens fest – dadurch würden immer noch sehr viele Menschen in Ungarn die Gefahren der Pandemie unterschätzen und keine Schutzmaßnahmen ergreifen. In Krankenhäusern sollte man „heilen, nicht filmen“, reagierte Regierungssprecher Zoltan Kovacs. Er warf „linken Portalen“ vor, Falschnachrichten zu verbreiten.