Videoaufnahme von George Floyd und einem Polizisten während seiner Verhaftung
Reuters
Fall George Floyd

Videos von Festnahme in Prozess gezeigt

Am dritten Tag des Prozesses gegen den ehemaligen Polizisten Dereck Chauvin, der des Mordes und Totschlags an George Floyd angeklagt ist, wurden die Videoaufnahmen der Bodycams der involvierten Polizisten gezeigt. Augenzeugen der tödlichen Verhaftung, die weltweite Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt auslöste, schilderten die Ereignisse und ihre eigene Hilflosigkeit.

Auf den Videoaufnahmen von Floyds Ringen mit vier Polizisten, die gerufen worden waren, weil Floyd in einem kleinen Shop mit einer gefälschten 20-Dollar-Note gezahlt hatte, ist Floyd unter anderem zu hören, wie er rief „Es tut mir leid, es tut mir leid“ und „Ich bin klaustrophobisch“, als die Polizisten versuchten, Floyd in das Polzeiauto zu drängen.

Einmal drängt Floyd nach vorne und wirft sich mit dem Oberkörper aus dem Auto. Die Polizisten geben schließlich auf, Floyd bedankt sich – dann aber wird er am Boden mit dem Gesicht nach unten fixiert und es werden ihm Handschellen angelegt. Derek Chauvin hat sein Knie auf dem Genick, ein zweiter Polizist hat sein Knie auf Floyds Rücken, ein dritter hält dessen Beine fest, während die Polizisten sich in ruhiger Tonlage darüber unterhalten, ob er Drogen genommen haben könnte.

„Er würde nicht aus dem Auto herauskommen. Er hat einfach die Anweisungen nicht befolgt“, so der Polizist Thomas Lane. Lane fragte auch zweimal, ob sie Floyd auf die Seite rollen sollten und sagt später, er glaube, dass Floyd ohnmächtig werde. Ein anderer Beamter prüfte den Puls und sagte, er könne keinen fühlen.

Eine Gerichtszeichnung zeigt George Floyd während seiner Verhaftung und zwei auf ihn gerichtete Waffen
Reuters/Jane Rosenberg
Die Gerichtszeichnung zeigt einen Vorgesetzten des Angeklagten bei der Aussage

„Werde alles tun, was Sie mir sagen“

Auf dem Video von Lanes Bodycam bittet Floyd die Polizisten zuerst: „Bitte erschießt mich nicht … Ich habe gerade meine Mama verloren.“ Außerdem betont Floyd: „Ich werde alles tun, was Sie mir sagen.“ Von Chauvins Bodycam gibt es keine Aufzeichnung, da ihm während der tödlichen Festnahme die Kamera auf den Boden fiel.

Die Aufnahmen der Bodycams, die die Geschehnisse aus dem Blickwinkel der Polizisten zeigen, seien „besonders verstörend“, resümierte die „New York Times“. Von Anfang an erscheine Floyd nie als Bedrohung, „sondern als jemand, der Angst hat und hilflos ist“. Die Videos der Polizisten sind Teil eines ganzen Berges an Belastungsmaterial und weiteren Zeugenaussagen.

Augenzeugen fühlten sich hilflos

Augenzeugen sind zu hören, wie sie die Polizisten anschreien und fordern, Floyds Puls zu messen und ihn nicht mit den Knien festzuhalten. Die Zeugen der Anklage schilderten am dritten Prozesstag ihre Wahrnehmungen und wie sie sich dabei vor allem auch hilflos und teils bis heute schuldig fühlen. In den USA führt es praktisch immer zu einem strafrechtlichen Verfahren, wenn man sich als Bürger in eine Festnahme durch Polizisten einmischt.

Der 61-jährige Charles McMillian war laut Überwachungskamera einer der ersten Augenzeugen von Floyds Verhaftung. Er schilderte, dass er mit Floyd gesprochen und ihn aufgefordert habe, sich in das Polizeiauto zu setzen.

Er habe sich im weiteren Verlauf „hilflos“ gefühlt. Auf einem der Videos ist McMillian mit den Worten „Sie knien auf seinem Nacken, das dürfen Sie nicht“ zu hören. Nachdem Floyd, dessen Tod später im Spital festgestellt wurde, von einem Rettungsauto abtransportiert worden war, verteidigte sich Chauvin gegenüber McMillians Kritik: „Das ist die Meinung von einem Einzelnen. Wir müssen den Typen kontrollieren, weil er ein großer Typ ist“, so Chauvin wörtlich. Als die Szenen der Verhaftung gezeigt wurden, begann McMillian zu weinen, und der Richter unterbrach die Sitzung.

Videoaufnahme von George Floyd während seiner Verhaftung
AP/Court TV
Die Bodycam zeigt, wie Floyd von Polizisten aus seinem Auto geholt wird

„Hätte alles vermieden werden können“

Der 19-jährige Christopher Martin, der als Kassier im Geschäft arbeitete, schilderte, was vor der Festnahme im Geschäft passierte. Floyd ging, das zeigen auch Aufnahmen der Überwachungskamera, zuerst herum und plauderte mit anderen Kunden, bevor er Zigaretten kaufte. Martin sagte, er habe sofort erkannt, dass der 20-Dollar-Schein wohl gefälscht ist, aber er habe nicht den Eindruck gehabt, dass Floyd das bewusst war. Nach Rückfrage bei seinem Vorgesetzten ging Martin Floyd nach und forderte ihn auf, zu zahlen oder mit ihm zu kommen.

Floyd weigerte sich, worauf Martins Vorgesetzter die Polizei anrief. Als er Chauvin dann auf Floyd knien sah, habe er das nicht glauben können und sich schuldig gefühlt. Er habe zuerst überlegt, nichts zu sagen und sich die 20 Dollar vom Gehalt abziehen zu lassen, sich dann aber anders entschieden. Hätte er den Schein von Floyd gleich gar nicht angenommen, „hätte das alles vermieden werden können“.

18-jährige Handyfilmerin brach in Tränen aus

Am Vortag hatten jene Jugendliche, die im vergangenen Mai den gewaltsamen Polizeieinsatz gegen Floyd mit ihrem Handy filmte, eine Feuerwehrfrau, die Erste Hilfe leisten wollte und ein ausgebildeter Kampfsportler, der den Polizeinotruf wählte, ausgesagt. Die Zeugen berichteten, wie sie den neunminütigen Todeskampf Floyds miterlebten, während Chauvin auf seinem Nacken kniete. Unter Tränen erzählte die heute 18-jährige Darnella Frazier, wie sie den Polizeieinsatz gefilmt habe, weil ihr sofort klar geworden sei, dass er „falsch“ gewesen sei.

Videoaufnahme von George Floyd vor seiner Verhaftung in einem Geschäft
AP/Court TV
Eine Überwachungskamera hielt die Ereignisse vor der Verhaftung im Geschäft fest

Floyd sei verängstigt gewesen, habe Schmerzen gehabt und um sein Leben gefleht, berichtete sie. „Ich habe einen schwarzen Vater. Ich habe einen schwarzen Bruder. Es hätte einer von ihnen sein können.“ Danach sei sie „nächtelang wach geblieben“ und habe George Floyd in Gedanken um Verzeihung gebeten, dass sie nicht mehr getan habe, um sein Leben zu retten, sagte Frazier weiter. Fraziers Video gilt als wichtiges Beweisstück.

Die weiße Feuerwehrfrau und Rettungssanitäterin Genevieve Hansen berichtete, wie sie Chauvin und die anderen am Einsatz beteiligten Polizisten vergeblich darum gebeten habe, Wiederbelebungsversuche unternehmen zu können. „Ich wollte unbedingt helfen, aber sie ließen mich nicht“, sagte die 27-Jährige sichtlich aufgewühlt. Jemanden beim Sterben zuzusehen, sei „verstörend“.

Zeuge: Chauvin setzte „Würgetechnik“ ein

Auch Donald Williams wusste nach eigener Aussage sofort, dass etwas bei dem Einsatz furchtbar falsch lief: Jeder habe sehen können, wie Floyd versucht habe, Luft zu bekommen und wie sich dann langsam seine Augen verdreht hätten. Als Kenner von Kampfsportarten habe er zudem sofort gesehen, dass Chauvin eine besonders gefährliche „Würgetechnik“ eingesetzt habe, obwohl Floyd wehrlos in Handschellen am Boden gelegen sei.

Chauvin drohen 40 Jahre Haft

Chauvin ist wegen Mordes und Totschlags angeklagt, ihm drohen bis zu 40 Jahre Haft. Er weist alle Vorwürfe von sich. Da die Öffentlichkeit aufgrund der CoV-Pandemie nicht an der Verhandlung teilnehmen kann, wird diese im Internet übertragen. Es wird erwartet, dass der Prozess etwa einen Monat lang dauert. Drei weitere ehemalige Polizeibeamte sollen zu einem späteren Zeitpunkt einzeln vor Gericht gestellt werden.