Szene aus „Bad Luck Banging“
Silviu Ghetie
Serien und CoV

Maske, Klappe und Action

Wie gehen aktuelle Serienproduktionen und Filme nach einem Jahr mit der Pandemie um? „Nicht einmal ignorieren“, lautet die Devise bei den meisten. Schließlich soll wenigstens bei der Unterhaltung die Maskenpflicht pausieren. Einzelne Produktionen nutzen die Hygieneregeln, um Aktualität zu signalisieren. Nicht selten fügt das eine absurde Ebene hinzu.

„Hände desinfizieren, Abstand halten!“ Als Kriminalkomissar Erichsen (Armin Rohde) in der ZDF-Krimiserie „Nachtschicht“ nach längerer Abwesenheit ins Büro zurückkehrt, ist einiges ungewohnt: eine neue Kollegin dank der Frauenquote, Umbau im Büro, und dann auch noch Coronavirus-Regeln. Bei der einen Kollegin baumelt der Mund-Nasen-Schutz am Ohr, die andere begrüßt per Ellbogenstupser, alles so schön regelkonform hier.

Die neue „Nachtschicht“-Folge „Blut & Eisen“, die von einem rechtsradikalen Koch und seinen Attentatsplänen handelt, ist damit eine Ausnahme in der deutschsprachigen Fernsehserienlandschaft. Wer mitten in einer Pandemie steckt, will sie nicht auch noch nach Feierabend im Fernsehen sehen, so der Konsens.

Um die Pandemie herumschreiben

Die meisten Serien bemühen sich, um die Pandemie herumzuschreiben, einerseits um dem Publikum Eskapismus zu erlauben, andererseits um keine deutliche Datierbarkeit der Handlung zuzulassen. Dass „Blut & Eisen“ im Juni 2020 gedreht wurde, ist der Folge durch das Eingehen auf die Hygienemaßnahmen natürlich anzusehen.

„Nachtschicht“-Regisseur Lars Becker ist allerdings ohnehin einer, der sich nicht scheut, gesellschaftlich Aktuelles in seine Drehbücher einzubauen, auch politisch sind seine Krimis immer am Puls der Zeit. Die Pandemie ganz auszulassen wäre insofern seltsam gewesen. Trotzdem, im Unterhaltungsfernsehen sind das Coronavirus und seine Begleiter selten. Einen Dortmunder CoV-„Tatort“ gab es Februar erstmals zu sehen, Webserien wie etwa Claudia Kottals „Die Maßnahme“ spielen mit dem allgegenwärtigen Alltagsformat der Videokonferenz.

„Es wird nicht so bleiben“

Würde die ewige deutsche Seifenoper „Die Lindenstraße“ noch existieren, die nach fast 35 Jahren Laufzeit vor genau einem Jahr endete, wären Maske und Distanz dort bestimmt ein Thema – doch eine vergleichbare lang laufende Serie, die auch aktuelle Bezüge einbaut, gibt es im deutschen Sprachraum nicht mehr.

Regisseurin Eva Spreitzhofer hat im Herbst vier Folgen „Soko Donau“ gedreht. Gegenüber ORF.at sagte sie: „Hinter der Kamera haben wir alle ausgeschaut wie kurz vor der Operation.“ Am Set herschte wie überall Maskenpflicht. In der Serie selbst ist die Pandemie jedoch kein Thema, „weil man da ein Fass aufmachen würde. Wir erzählen auch nicht chronologisch, sondern drehen jeweils eine Folge, die irgendwann spielen kann.“

Es gilt zu vermeiden, dass die Produktionszeit zu spüren ist. „Wir gehen ja nicht davon aus, dass es so bleibt wie jetzt. Es wird eine Zeit nach Covid geben, und dann wäre es schade drum, wenn man ganz normale Folgen damit punziert hat.“

CoV als erzählerische Fundgrube

In anderen Genres ist das Virus eine erzählerische Fundgrube: In der 17. Staffel der Krankenhausserie „Grey’s Anatomy“, die ab 21. April auf Deutsch veröffentlicht wird, sind Quarantäne und Covid-19-Erkrankungen bei Patientinnen und Patienten ebenso wie beim Personal ständiges Thema, auch Meredith Grey (Ellen Pompeo) selbst hat sich infiziert und leidet lange an den Folgen – die Pandemie entwickelt hier enormes dramatisches Potenzial.

Filmset von „Grey’s Anatomy“
ABC Ali Goldstein
Masken vor und hinter der Kamera: In „Grey’s Anatomy“ müssen auch die Serienheldinnen und -helden auf Abstand gehen

Auch die Satireshow „South Park“ hat das Coronavirus eingebaut, in ein Pandemie-Special, in dem die wichtigsten Protagonisten der Serie nach dem Lockdown in die Schule zurückkehren, wo allerdings nichts ist wie zuvor. Ermahnungen lauten jetzt beispielsweise: „Maske über die Nase, als Kinnwindel hilft sie nichts.“ Die Liste amerikanischer Serien, die angekündigt haben, die Krise einzubauen, ist lang und bunt: das Drama „Shameless“, die Krimiserie „NCIS: New Orleans“, „Black-ish“ und viele mehr.

Ein Fall fürs Horrorfach?

Spielfilme rund um die CoV-Krise gibt es dafür fast seit Beginn der Pandemie. Schon im April 2020 wurde die billige amerikanische Horrorkomödie „Corona Zombies“ veröffentlicht, über eine Frau, die von, nun ja, Coronavirus-Zombies verfolgt wird. Das Horrorgenre könnte sich hier zu Hause fühlen, wirklich Gelungenes ist dabei allerdings noch nicht entstanden.

Szene aus „Songbird“
STXfilms
In „Songbird“ wird die Pandemie zum Anlass für Horrorgrusel

Hochbudgetierter Tiefpunkt: Der klaustrophobische Thriller „Songbird“ über eine Zukunft im Dauer-Lockdown aufgrund einer hochansteckenden Virusmutation macht enttäuschend wenig aus seiner Prämisse, Pandemiegeprüfte auf der ganzen Welt wissen es längst besser.

CoV als Begleitmusik

Besser funktionieren Filme und Serien, in denen CoV lediglich Begleiterscheinung ist. In Radu Judes Gesellschaftssatire „Bad Luck Banging or Loony Porn“ etwa, erst kürzlich bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, tragen alle auch vor der Kamera Mund-Nasen-Schutz, was vielen Szenen eine zusätzliche humoristische Ebene verleiht.

TV-Hinweis

Die neue 17. Staffel von „Grey’s Anatomy“ ist ab Montag, 26. April, als deutschsprachige Free-TV-Premiere in ORF1 zu sehen.

Dass der Film im sozial distanzierten Bukarest des Sommers 2020 gedreht wurde, ist dadurch natürlich zu sehen, aber „das stört mich nicht“, so Jude gegenüber ORF.at, „im Gegenteil. Und das Beste: Es hat sich dadurch auch niemand vom Team infiziert.“ Der Filmmoment, in dem eine Frau im Supermarkt zum Schimpfen die Maske runterzieht, um besser verstanden zu werden, wird irgendwann in gesunder Zukunft hoffentlich nur noch lustig sein und nicht mehr zugleich zum Fürchten.