Christian Pilnacek
ORF.at/Roland Winkler
Nachricht an Kabinettschef

Pilnacek sah in Blümel-Ermittlungen ‚Putsch‘

Rund um die Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wirft nun eine Nachricht von Justizsektionschef Christian Pilnacek an Blümels Kabinettschef Clemens-Wolfgang Niedrist einige Fragen auf. „Das ist ein Putsch!!“, schrieb Pilnacek als Reaktion auf die Sicherstellungsanordnung, mit der die Ermittler am 24. Februar das Finanzministerium besucht hatten. Pilnacek schlug vor, eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung einzulegen, und fragte, wer Blümel denn auf seine Einvernahme vorbereite.

Das ergab eine gemeinsame Recherche von ORF, „Standard“ und „profil“. Die per Messengerdienst Signal verschickte Nachricht wurde auf Pilnaceks Handy gefunden, das ihm in Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs am 15. März abgenommen wurde und derzeit von der Staatsanwaltschaft Innsbruck ausgewertet wird.

Ermittlungen gegen Blümel seit Februar

Die Ermittlungen gegen Blümel hatten auch mit einer Nachricht ihren Ausgang genommen: Novomatic-Chef Harald Neumann schrieb Blümel im Juli 2017, er hätte gerne einen Termin beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz wegen „erstens Spende, zweitens eines Problemes das wir in Italien haben“. Wenig später bat Blümel den Generalsekretär des ÖVP-geführten Finanzministeriums, Thomas Schmid, um einen Rückruf beim Novomatic-Chef.

Hausdurchsuchung laut Pilnacek „Putsch“

Einer SMS-Nachricht zufolge beschrieb Justizsektionschef Christian Pilnacek die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als „Putsch“. Er riet, Beschwerde gegen die Aktion einzulegen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nahm im Februar deshalb wegen des Verdachts auf Bestechung ihre Ermittlungen auf und durchsuchte am 11. Februar Blümels Wohnung. Auch dabei spielte Niedrist eine Rolle: Er holte Blümels Laptop von dessen Frau, die ob der Hausdurchsuchung mit Baby und Notebook spazieren gegangen war, und brachte ihn in die Wohnung zurück.

„Es muss Beschwerde eingelegt werden“

Rund zwei Wochen später, am 24. Februar, suchten die Ermittler mit einer Sicherstellungsanordnung im Finanzministerium nach Hinweisen. Genau diese Sicherstellungsanordnung, die die Verdachtslage zusammenfasst und die Herausgabe von Beweismitteln verfügt, schickte Niedrist an dem Tag an Pilnacek. Und dieser antwortete am Abend: „Das ist ein Putsch!! Lauter Mutmaßungen, es muss Beschwerde gegen HD eingelegt werden, wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“ Blümel folgte dem Rat allerdings nicht: Er legt weder Einspruch noch Beschwerde ein.

Dass einer der höchsten Justizbeamten des Landes Ratschläge für einen Verdächtigen anbietet, kann als zumindest erstaunlich betrachtet werden. Bis vor einigen Monaten stand Pilnacek als Leiter der mittlerweile aufgeteilten Strafrechtssektion ja auch an der Spitze der staatsanwaltschaftlichen Weisungskette. Niedrist wiederum kennt das Justizministerium gut: Er war Kabinettschef der von der ÖVP gestellten Minister Wolfgang Brandstetter und Josef Moser.

Weiter Ringen um Suspendierung

Nach den Recherchen von ORF, „Standard“ und „profil“ war Pilnaceks Nachricht auch Thema einer Sitzung im Justizministerium vor einigen Tagen. Der Sektionschef war ja im März suspendiert worden. Er steht unter Verdacht, im Juni 2019 über Ex-Justizminister Brandstetter – der diesen Vorwurf zurückwies – eine Hausdurchsuchung beim Investor Michael Tojner verraten zu haben. Die Bundesdisziplinarbehörde hob diese Suspendierung vergangene Woche aber auf. Das Justizministerium kann dagegen wiederum noch Rechtsmittel einlegen – und genau das dürfte angesichts der Nachricht diskutiert werden. Man prüfe das weitere Vorgehen, hieß es gegenüber dem Rechercheverbund.

Finanzministerium: „Volle Kooperation“

Aus dem Finanzministerium hieß es auf Anfrage, die Information über die Sicherstellungsanordnung sei bereits am 23. Februar über den Rechtsvertreter des Ministers an das Ressort herangetragen worden, „mit der Bitte um Nennung von Ansprechpartnern auf Beamtenebene – diese wurden den zuständigen Behörden unmittelbar genannt“. Am nächsten Tag habe es dann „ein Treffen zwischen den Vertretern der Ermittlungsbehörden und der zuständigen Ressorts“ gegeben.

Laut Finanzministerium gab es rechtlichen „Klärungsbedarf hinsichtlich des Lieferumfanges und des Datenschutzes von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“. Fraglich sei auch gewesen, „ob seitens der WKStA nicht das Instrument der Amtshilfe genutzt hätte werden müssen“.

Zudem sei es wichtig gewesen, „rasch Klarheit und Rechtssicherheit über die weitere Vorgehensweise zu bekommen. Das entspricht auch dem zu Beginn der Ermittlungen erteilten Auftrag des Bundesministers an das Ressort, volle Kooperation und einen Beitrag zur raschen Aufklärung zu leisten“, so ein Ministeriumssprecher. Dann wurde Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, um Abstimmung mit der Justiz gebeten. Zwischen Blümel und Pilnacek habe es jedenfalls keine Kommunikation gegeben.

Pilnacek weist Vorwürfe zurück

Von Kabinettschef Niedrist wurde eine Anfrage von „Standard“, „profil“ und ORF nicht beantwortet. Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender bat „um Verständnis, dass Sektionschef Christian Pilnacek unter den derzeitigen Bedingungen gegenüber Medien keine Stellungnahme abgibt“. Er weise jedoch den „in den Raum gestellten Vorwurf von Pflichtwidrigkeiten zurück“. Er verwies auch darauf, „dass eine Veröffentlichung privater Kommunikation schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen“ verletze.

Blümel bei Einvernahme: „Nachricht hat nichts ausgelöst“

Ob und wie Blümel auf seine Einvernahme – wie von Pilnacek angeraten – vorbereitet wurde, ist unklar. Laut Protokoll, das dem Rechercheverbund vorliegt, gab er an, Neumanns Nachricht 2017 nicht viel Wert beigemessen zu haben. „Nachdem die Nachricht bei mir nichts ausgelöst hat und mir klar war, dass wir keine Spenden von Glücksspielunternehmen annehmen, war das für mich auch kein Thema.“

Auf die Frage der WKStA, ob es ihm nicht seltsam vorgekommen sei, dass Neumann in einer Nachricht Spende und Hilfsersuchen zusammen formuliert habe, antwortete Blümel: „Ich kann mich an diese Nachricht nicht mehr erinnern, insofern kann ich auch nicht sagen, was ich mir damals gedacht habe.“

FPÖ sieht „schwarzes Netzwerk“, SPÖ empört

Für den freiheitlichen Fraktionschef im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, offenbart sich einmal mehr ein „schwarzes Netzwerk“, das sich nicht nur auf der politischen Ebene, sondern auch im Beamtenapparat quer durch die Ministerien spanne. Er forderte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf, gegen die Entscheidung des Disziplinarsenats Einspruch zu erheben.

„Empört“ zeigte sich der stv. SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried in einer Aussendung. Er sprach von einem „Skandal“ und forderte Blümel auf, sich zu „erklären und zurückzutreten“. Diese Chats würden „einmal mehr die eiskalte Machtpolitik der Kurz-Truppe offenbaren, die vor nichts zurückschreckt, um gegen Ermittlungen der Justiz vorzugehen. Das ist der neue Stil der ÖVP, das ist das System Kurz in Reinform“, sagte Leichtfried. In der Sondersitzung zur Causa ÖBAG nächsten Freitag werde man auch diese Sache besprechen – und außerdem eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Zadic richten.

„Netzwerke der Kurz-ÖVP“, die „den Finanzminister so gut wie möglich vor strafrechtlichen Ermittlungen zu schützen“, sah die NEOS-Fraktionsführerin im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, Stephanie Krisper. Ein Verbleib Pilnaceks im Amt sei „nun selbst für die gutgläubigsten Entscheidungsträger nicht mehr akzeptabel“. „So jemand darf nicht mehr ins Justizministerium zurückkehren“, sagte Krisper. Auch ein Verbleib von Blümel im Amt sei „schon lange nicht mehr tragbar“.