Dosen des Pfizer/BioNTech-Impfstoffes
AP/Matthias Schrader
Impfstoffverteilung

198.815 Dosen für Österreich

Im Streit über die Verteilung von zehn Millionen vorgezogenen Impfdosen von Biontech und Pfizer haben die EU-Staaten am Donnerstag keine einheitliche Linie gefunden: Denn nur 24 Mitglieder beteiligen sich an dem Solidaritätsausgleich für die ins Hintertreffen geratenen Staaten.

Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und die Slowakei würden im zweiten Quartal zusammen 2,85 Millionen Dosen mehr erhalten, als ihnen normalerweise zustehen, teilte der portugiesische EU-Vorsitz am Donnerstagabend mit. An der Solidaritätsaktion beteiligten sich 19 andere EU-Staaten. Nicht teilnehmen wollten Österreich, Slowenien und Tschechien, sie erhalten nun ihren Bevölkerungsanteil.

Im Fall von Österreich sind das 198.815 Dosen. Aus dem Bundeskanzleramt wurde das Ergebnis als „solide“ bezeichnet. Hätte man sich an der Solidaritätsaktion beteiligt, würde man im zweiten Quartal 139.170 Dosen erhalten. Nun bekommt Österreich jene 198.815 Dosen, die dem Land nach Bevölkerungsanteil ohnehin zustehen. Noch zu Beginn der Debatte, die von der heimischen Regierung angestoßen wurde, äußerte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Erwartung, „dass wir Hunderttausende Dosen mehr bekommen“ – von an die 400.000 Dosen war die Rede.

Solidaritätsaktion und Verteilungsschlüssel

In dem Streit ging es um die Verteilung von zehn Millionen Impfdosen von Biontech und Pfizer, deren Lieferung auf das zweite Quartal vorgezogen werden kann. Die EU-Länder bekommen Impfdosen normalerweise gemäß ihrer Bevölkerungszahl zugeteilt. Angeführt von Österreich hatte ein halbes Dutzend Länder jedoch gefordert, dass sie einen größeren Anteil bekommen, weil sie sich in der bisherigen Impfstoffverteilung benachteiligt sahen.

Grafik zur Impfstoffverteilung in der EU
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Rat der Europäischen Union

Die EU-Ratspräsidentschaft schlug vor, drei der zehn Millionen Impfdosen für sechs besonders bedürftige Länder zu reservieren: Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland, die Slowakei und Tschechien. Die übrigen sieben Millionen Impfdosen sollten nach Bevölkerungsanteil unter allen 27 Staaten verteilt werden. Damit waren Österreich, Tschechien und Slowenien aber nicht einverstanden – Österreich hätte nach dieser Formel nämlich 139.170 Dosen erhalten.

Da Österreich wie Slowenien und Tschechien nun nicht an der Aktion teilnimmt, wurden dem Land 198.815 Dosen zugeteilt. Die anderen 19 Länder mussten auf rund 30 Prozent ihrer Impfdosen verzichten: Deutschland gab dabei 558.000 Dosen ab, Frankreich 450.000 und Italien 404.000. Bulgarien erhält dafür nun 1,15 Millionen Dosen mehr als nach dem üblichen Verteilungsschlüssel. Bei Kroatien sind es 683.514 Dosen, bei der Slowakei 602.255, bei Lettland 376.456 und bei Estland 41.390.

Tschechien soll bilateral unterstützt werden

„Es ist gut, dass dies in der EU anerkannt wurde und dass mit dem Solidaritätsmechanismus diese Ungleichheit bei der Verteilung von Impfstoff für einige stark betroffene Staaten, wie Kroatien oder Bulgarien, reduziert werden soll“, so das Bundeskanzleramt. „Unverständlich ist jedoch, dass Tschechien, ein Nachbarland Österreichs mit weiterhin hohen Fall- und Todeszahlen, nicht die Impfdosen erhält, die es bräuchte, um das Ungleichgewicht auszugleichen.“

Deshalb hätten Österreich, Slowenien und Tschechien diesen Vorschlag als unsolidarisch abgelehnt. „Österreich wird nun mit anderen Mitgliedsstaaten beraten, wie wir Tschechien im Sinne der europäischen Solidarität bilateral unterstützen können“, hieß es aus dem Bundeskanzleramt weiter.

Babis kritisiert Beschlüsse

Der tschechische Regierungschef Andrej Babis kritisierte die Beschlüsse. Er verstehe nicht, wie der portugiesische EU-Vorsitz einen „Kompromiss“ ankündigen könne, wenn damit Tschechien, Österreich und Slowenien nicht einverstanden seien, sagte Babis gegenüber der Nachrichtenagentur CTK. Bei den Verhandlungen habe sich der Wunsch durchgesetzt, Kanzler Kurz dafür zu bestrafen, dass er gegen die unausgewogene Verteilung von Impfstoffen innerhalb der EU protestiert habe. Die tschechische Opposition attestierte Babis im EU-Impfstoffstreit „völliges Versagen“ und eine „skandalöse Niederlage“: Man habe 140.000 Extradosen eingebüßt, die man nach dem portugiesischen Plan sonst bekommen hätte.

Portugals Regierungschefs Antonio Costa begrüßte die Solidaritätsaktion. Sie mache es möglich, dass in allen Mitgliedsstaaten „mindestens 45 Prozent der Menschen bis Ende Juli geimpft würden“, erklärte er auf Kurznachrichtendienst Twitter. Ein EU-Diplomat äußerte hingegen scharfe Kritik an Bundeskanzler Kurz, wie die Agenturen berichten: „Kurz hat sich unsolidarisch verhalten und Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und die Slowakei im Stich gelassen. Für Österreich ist schwerer europäischer Flurschaden entstanden.“

„Korrekturmechanismus“

Bundeskanzler Kurz hatte zusammen mit fünf osteuropäischen Staaten auf einem „Korrekturmechanismus“ bei der Impfstoffverteilung bestanden. Er traf zuletzt mit seinen Nachforderungen allerdings auf wenig Verständnis bei den EU-Partnern, da Österreich bereits eine relativ hohe Impfquote hat. Allerdings dürfte Österreich bis Ende Juni in Rückstand geraten, weil es sein Kontingent des Impfstoffs von Johnson & Johnson nicht ausgeschöpft hat, das ab Mitte April geliefert werden soll.

Grund für die Ungleichheiten ist der Umstand, dass nicht alle Länder die ihnen angebotenen Impfstoffmengen gekauft haben, zum Teil auch aus Kostengründen. Wer auf den Impfstoff von AstraZeneca gesetzt hat, ist nun besonders von den Lieferschwierigkeiten dieses Herstellers betroffen.

SPÖ und NEOS sehen Österreich im Abseits

Scharfe Kritik kam am Freitag von SPÖ und NEOS. Der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried sah ein „völlig undiplomatischen Vorgehen“. Dessen Ergebnis sei, dass Österreich keine einzige Dose mehr als vorgesehen bekomme. Dass sich Österreich nun auch nicht einmal mehr am Solidaritätsmechanismus beteilige, zeige „wie plan- und ziellos Kurz auch in der EU agiere“, so Leichtfried. „Österreich hat es nicht verdient, einen Kanzler zu haben, der unser Land ins internationale Abseits stellt.“

Nach Einschätzung von SPÖ-Delegationsleiter Andres Schieder „wurde an allen Fronten das Schlechteste erreicht: Österreich bekommt nicht mehr Impfstoff als ohnehin vorgesehen und die EU-PartnerInnen sind brüskiert. Das türkis-grüne Impfchaos setzt sich auf allen Ebenen fort.“

„Wir haben uns vollkommen ins Aus manövriert. Bravo!“, schrieb auch die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon auf Twitter. Sie kritisierte, dass Österreich die bedürftigen Länder nicht mit eigenen Impfdosen unterstützt habe: „Österreich nimmt an dieser solidarischen Verteilung gar nicht teil. Das offizielle Österreich lässt andere EU-Staaten im Stich.“