der suspendierte Justizsektionschef Christian Pilnacek
ORF.at/Lukas Krummholz
Neue Verdachtsmomente

Weitere heikle Funde auf Pilnaceks Handy

Auf dem sichergestellten Handy des mittlerweile suspendierten Justizsektionschefs Christian Pilnacek sind neben der bereits bekannten Nachricht an den Kabinettschef von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) noch mehr heikle Daten aufgetaucht. So fanden sich darauf auch Fotos eines Informationsberichts über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Blümel und weitere Dokumente, die neue Verdachtsmomente nähren.

Diese Ermittlungsergebnisse liegen dem Rechercheverbund aus „profil“, „Der Standard“ und ORF wie auch dem parlamentarischen „Ibiza“-Untersuchungsausschuss vor. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt wegen des Verdachts des Amtsgeheimnisverrats und fragte bei Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an, ob der Informationsbericht der WKStA über die Hausdurchsuchung bei Blümel Verschlusssache sei. Sie unterliege der Verschlusssachenverordnung und hätte nicht an Pilnacek weitergegeben werden dürfen, weil Pilnacek seit Monaten nicht mehr für die Fachaufsicht der Staatsanwaltschaften zuständig sei, war die Antwort.

Was Pilnacek mit dem Dokument gemacht hat, ist nicht bekannt. Auch wie und wann das Dokument bei ihm gelandet sei, ist fraglich. Allerdings offenbarten sich aus dem E-Mail-Verkehr der ermittelnden Staatsanwaltschaften weitere Verdachtsmomente.

Pilnacek weist Vorwürfe zurück

Christian Pilnacek, Strafrechtssektionsleiter im Justizministerium, soll die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als „Putsch“ gesehen und ÖVP-Politiker beraten haben.

„Verdachtsmomente für einen Geheimnisverrat“

So schrieb am 9. März der Oberstaatsanwalt der WKStA seinem Kollegen: „Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass ich erst im Jänner 2021 in einem Nachhangstück (…) auf weitere Verdachtsmomente für einen Geheimnisverrat in Bezug auf Verfahrensschritte gegen Löger hingewiesen und dies der StA Wien übermittelt habe. Auch auf den möglichen Verrat der Durchsuchung bei Mag. Neumann ist hinzuweisen.“ Der ehemalige ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger wie auch Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann werden in der Casinos-Causa als Beschuldigte geführt.

In den Mails der Ermittler wird dann auf einen hellbraunen Tisch verwiesen, der bei den fotografierten Dokumenten mehrmals zu sehen ist. Und dieser taucht auf älteren Fotos auf Pilnaceks Handy auf. Auf einem davon ist laut Staatsanwälten bei einem ausgedruckten E-Mail ersichtlich, „dass sie von dem User mit der Justizkennung ,fuchsjo‘ ausgedruckt wurden“.

Vorwürfe zurückgewiesen

Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, gegen den die Staatsanwaltschaft Innsbruck ebenfalls wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt, hatte bei seiner Befragung im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss nicht ausschließen können, Aktenteile an Pilnacek übermittelt zu haben. Auch gegen Fuchs, für den ebenfalls die Unschuldsvermutung gilt, hat das Justizministerium disziplinarrechtliche Schritte gesetzt.

Auf Anfrage des Rechercheverbunds hieß es von Fuchs: „Ich ersuche um Respekt und Verständnis dafür, dass ich mich aktuell zu den von Ihnen aufgeworfenen Themen im Bedarfsfall im dafür vorgesehenen rechtsstaatlichen Verfahren äußere. Jedenfalls darf ich Ihnen versichern, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe.“ Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender antwortete auf Anfrage mit denselben Sätze wie am Vortag: „Wir ersuchen um Verständnis, dass SC Mag. Christian Pilnacek unter den derzeitigen Bedingungen gegenüber Medien keine Stellungnahme abgibt; jedoch den in den Raum gestellten Vorwurf von Pflichtwidrigkeiten zurückweist.“

Noch mehr Nachrichten an Niedrist

Am Donnerstag war bereits ein Chat zwischen Pilnacek und Blümels Kabinettschef Clemens-Wolfgang Niedrist im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Finanzminister bekanntgeworden. Dabei schrieb Pilnacek als Reaktion auf die Sicherstellungsanordnung, mit der die Ermittler Ende Februar das Finanzministerium besucht hatten: „Das ist ein Putsch!!“. Zudem regte der Spitzenjurist eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung an und fragte, wer Blümel denn auf die Einvernahme vorbereite.

Doch der Chat ging weiter, wie Recherchen von „profil“, „Standard“ und ORF ergaben: So schrieb Pilnacek wenige Minuten nach der ersten Nachricht: „Was da ausgeführt wird, ist ein schlichter Skandal, Rate dringend zu Dienstaufsichtsbeschwerde an VK (Vizekanzler Werner, Anm.) Kogler“. Wiederum kurz danach gab er eine Einschätzung zu den Verdachtsmomenten gegen Blümel ab: „Alles betreffend Vorteilszuwendung/Amtsgeschäft ist spekulativ.“

Die WKStA würde „unfair spielen“ und: „nur eine Beschwerde hilft“. Und eine Stunde nach der ersten Nachricht schickte Pilnacek an Niedrist auch noch Folgendes: „Meine Empfehlung wäre: BMF sucht aufgrund der Ao (Anordnung, Anm.) das dazu passende heraus. Wenn das der StA nicht genügt, muss sie sehen, wie sie zu mehr kommt… Zusammengefasst: In Wahrheit ist man auf die Kooperation mit dem BMF angewiesen; mit Zwangsgewalt werden die angestrebten Beweismittel von Externen kaum zu finden sein…“

Niedrist als Beschuldigter geführt

Laut „Kurier“ soll Niedrist mittlerweile als Beschuldigter geführt werden. Es stehe ebenfalls der Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses im Raum. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck gab dazu am Freitag auf APA-Anfrage keine Auskunft. Es gilt wie bei Pilnacek die Unschuldsvermutung.

Gleichzeitig mit Niedrist kommunizierte Pilnacek an diesem Abend auch mit der Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, Eva Marek. Auch ihr gegenüber schrieb er von einem „Putsch“. „Aber gegen wen mittlerweile?“, fragte Marek nach. Pilnacek: „Gegen Kurz & Co…“ Marek antworte: „Dachte du meinst intern“. Auf Anfrage sagte sie: „Ich hatte ehrlich keine Ahnung, was damit gemeint war.“

Reger Kontakt mit Sobotka

Pilnacek nutzte für seine Kommunikation den Messengerdienst Signal, der auch die Funktion hat, Nachrichten, nachdem sie gelesen wurden, automatisch zu löschen. Einige Inhalte waren damit für die Ermittler nicht mehr ersichtlich – so etwa mehrere Chats in den besagten Februar-Tagen mit dem Ersten Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Auch zwölf Telefonate zwischen den beiden wurden verzeichnet.

Aus dem Büro Sobotkas hieß es dazu: „Präsident Sobotka tauscht sich in seiner Funktion als Nationalratspräsident in regelmäßigen Abständen mit verschiedensten Spitzenrepräsentanten und Beamten der österreichischen Justiz aus. Diese Gespräche, die in der Regel immer unter vier Augen geführt werden, sind vertraulich und werden daher auch so behandelt. Christian Pilnacek ist seit langer Zeit ein persönlicher Freund des Präsidenten und bleibt das auch.“

Dokument für ÖVP-Anfrage gefunden

Auf dem Telefon gefunden wurde zudem eine Art Fragenkatalog, erstellt von einem Mitarbeiter des ÖVP-Klubs. Und diese Fragen fanden sich dann in einer parlamentarische Anfrage der ÖVP „betreffend der Vorgehensweise“ der WKStA gegen Finanzminister Blümel an Justizministerin Alma Zadic (Grüne) bzw. ihren damaligen Vertreter Kogler wieder.

Aus dem Justizministerium hieß es am Freitag, dass die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde, der die Suspendierung Pilnaceks aufhob, noch laufe. Das weitere Vorgehen wird bis nächste Woche vom Justizministerium geprüft.

Opposition fordert Konsequenzen

Für NEOS ist „Feuer am Dach“, wenn sowohl der Finanzminister als auch dessen Kabinettschef als Beschuldigte geführt werden. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) müsse Blümel aus der Regierung entlassen, so Stephanie Krisper, NEOS-Fraktionsführerin im „Ibiza“-U-Ausschuss: „Was muss denn noch passieren, damit der Kanzler Leadership zeigt und klare Worte findet?“

Opposition fordert Pilnaceks Rückzug

Die an die Öffentlichkeit gespielte Handykommunikation von Christian Pilnacek, Strafrechtssektionsleiter im Justizministerium, hat Rücktrittsaufforderungen der Opposition zur Folge. Pilnacek soll die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als „Putsch“ gesehen und ÖVP-Politiker beraten haben.

Der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker sagte gegenüber der ZIB1, dass es wohl nicht Aufgabe des höchsten Beamten in der Justiz sei, andere Leute für Befragungen durch die Justiz zu coachen. Es sei auch „nicht eine Aufgabe, sich irgendwelche Unterlagen per Handy schicken zu lassen“. Alles das sei Hafenecker zufolge „sehr eigenartig“.

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim hält die Aufrechterhaltung der Suspendierung Pilnaceks für „unumgänglich“. Zudem müsse jede Verbindung zwischen den Ermittlungsbehörden und Pilnacek gekappt werden, „zum Schutz einer unabhängigen Justiz“, so Yildirim. Die Chats mit Niedrist seien nicht das erste Mal, „dass Pilnacek mit einem Spezialservice für ÖVP-Größen in Erscheinung tritt“, so Yildirim, die auf Treffen mit Josef Pröll und Walter Rothensteiner als prominente Beschuldigte des CASAG-Verfahrens verwies, als Pilnacek noch Fachaufsicht für die Staatsanwaltschaften war.