Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Hans Punz
Trotz hoher Infektionszahlen

Kurz stellt Öffnungen für Mai in Aussicht

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stellt in einer Videobotschaft am Karsamstag Öffnungsschritte für Sport, Kultur, Gastronomie und Tourismus im Mai in Aussicht. Schärfere Schutzmaßnahmen für den Westen Österreichs hält er derzeit nicht für geboten. Und Kurz bleibt beim Versprechen, dass „in den nächsten 100 Tagen jedem, der sich impfen lassen möchte, zumindest die erste Impfung“ angeboten werde.

In seiner Videobotschaft via Facebook, die den Titel „Corona wird vorbei gehen“ trägt, sagt Kurz, „dass wir im Sommer wieder alle zur Normalität zurückkehren können“. Die Zeit bis dahin sei allerdings fordernd und schwer vorhersehbar. Man müsse „die Dinge hinnehmen, die wir nicht ändern können“, nämlich Virusmutationen und „Impfstoffe, die nicht geliefert werden“, so Kurz. Er appellierte an alle, das Testangebot zu nützen und sich impfen zu lassen.

In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, die bis 11. April im Lockdown sind, sei die Situation auf den Intensivstationen angespannt, dort brauche es einschneidende Maßnahmen. Im Rest Österreichs sei die Lage aber eine deutliche bessere, „wir werden versuchen, weiterhin mit den bestehenden Maßnahmen auszukommen“, so Kurz. Als „gute Nachricht“ vermittelte Kurz, dass – auch wenn manche Pharmakonzerne 50 Prozent weniger als vereinbart liefern – alle Impfwilligen den Erststich binnen 100 Tagen bekommen, oder noch schneller, wenn der russische Impfstoff „Sputnik V“ dazukommt.

Juni: Impfung für alle Altersgruppen

Im April sei das Ziel, alle über 65-Jährigen zu impfen, im Mai die über 50-Jährigen, und im Juni solle die Impfung für alle Altersgruppen geöffnet werden. Mit der Durchimpfung der älteren Menschen im Mai werde sich die Situation in den Spitälern entspannen – und dann werde man die Öffnungsschritte setzen können, die alle „sehnsüchtig erwarten“, nämlich „endlich wieder Sport, Kultur, Gastronomie und Tourismus erleben und genießen zu können“.

Für Wien hat Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) vor Kurzem das Impfziel revidiert: Weil es nicht genug Impfstoff gebe, sei das Vorhaben, bis Ende Juni 70 Prozent der impfbaren Bevölkerung geschützt zu haben, nicht einzuhalten, sagte er am Mittwoch.

Anschober: Öffnungen im Mai möglich

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hielt am Samstag Öffnungen im Mai für möglich, wenn der April „sehr sehr gut“ läuft. Es sei „wichtig, dass eine Perspektive sichtbar ist“, so Anschober im Ö1-Mittagsjournal. Er sehe durchaus „die Chance“ auf Öffnungen im Mai – wenn in den nächsten zehn Tagen die Trendwende geschafft werde und die zuletzt mit 3.200 bis 3.600 „viel zu hohe“ Zahl der Neuinfektionen sinkt.

Dafür müsse die Bevölkerung jetzt aber „solidarisch“ die Schutzmaßnahmen mittragen. Auf eine Ausweitung des Ost-Lockdowns auf den Westen drängte der Gesundheitsminister nicht: „Man muss nicht alles vorschreiben.“ Er erneuerte seinen Appell, „auch im Westen freiwillig die Osterruhe zu realisieren“. Zurückhaltend zeigte sich Anschober zum „Sputnik V“-Vakzin: Sicherheit habe Vorrang, die Qualität müsse sichergestellt sein.

B.1.1.7 treibt Zahlen in die Höhe

Die Infektionszahlen in Österreich sind indes weiterhin hoch. Die 7-Tage-Inzidenz lag am Freitag bei 247,4. Wien liegt dabei an der Spitze mit einer Inzidenz von über 300, das Burgenland und Niederösterreich liegen bei Werten über 250. Am Samstag gab es mehr als 3.200 Neuinfektionen in Österreich, am Freitag waren es noch 3.137. Am Donnerstag ging der Osten Österreichs in eine Osterruhe, das heißt in einen Lockdown über zumindest die Feiertage.

Wien fährt das öffentliche Leben zumindest bis 11. April herunter. Grund ist die in Österreich dominant gewordene Virusvariation B.1.1.7, die zuerst in Großbritannien aufgetreten ist. Sie ist sehr viel ansteckender und bringt auch vermehrt junge Leute in die Intensivstationen. Im Osten Österreichs appellierten zahlreiche Intensivmedizinerinnen und -mediziner deshalb für schärfere Maßnahmen.

Am Samstag machte der Gesundheitsexperte des Instituts für Höhere Studien (IHS), Thomas Czypionka, im „Standard“ darauf aufmerksam, dass sich die Mutante B.1.1.7 auch stark im Freien verbreite. Mit ihr sei das Risiko, sich auch an der frischen Luft anzustecken, gewachsen. Sitze man in einer Gruppe eng beieinander, könnten mikroskopisch kleine Tröpfchen, die man beim Reden ausspuckt, in Gesicht, Augen oder Mund eines anderen Menschen landen. Auch die winzigen Aerosole, die beim Reden oder Rufen wie eine Wolke um eine Person schweben, spielten im Freien eine Rolle, so Czypionka.

Opposition hinterfragt Glaubwürdigkeit

Die Oppositionsparteien reagierten am Samstag verärgert auf die Botschaft von Kanzler Kurz. Dieser lege den Menschen „faule Eier“, ins Nest, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Kurz setze eine Politik der falschen Hoffnungen und leeren Versprechen fort, hieß es in einer Aussendung. "Die Intensivstationen sind voll und der Kanzler ist abgetaucht und war zu feige, Gegenmaßnahmen zu setzen. Jetzt taucht er mit einem Video wieder auf, um Öffnungen anzukündigen. Das ist das Gegenteil von Führung in einer Krise“, so Deutsch.

Einmal mehr gebe der Kanzler Versprechen ab, „die er nicht wird halten können. Niemand glaubt daran, dass das schwarz-grüne Impfchaos jetzt beendet wird und sich tatsächlich in absehbarer Zeit jeder impfen lassen kann, der das will“, so FPÖ-Klubchef Herbert Kickl in einer Aussendung. „Man glaubt Ihnen nicht mehr, Herr Bundeskanzler. Sie haben den Bürgern schon vor dem letzten Osterfest Versprechungen gemacht, die Sie nicht einmal ansatzweise gehalten haben“, hieß es.

In das gleiche Horn blies NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Kurz verunsichere die Bevölkerung mit Ankündigungen, hieß es in einer Aussendung. „Was soll man diesem Bundeskanzler noch glauben? Wie soll man dieser Regierung noch vertrauen?“, so Loacker. Anstatt „Videos zu drehen und Österreich in Europa zur Lachnummer zu machen“, solle sich der Kanzler um „die schnelle Verimpfung kümmern“.