Schiffe im Sueskanal
Reuters/Sophie A. Pinkham
Sueskanal

Schiffsrückstau hat sich aufgelöst

Nach der Bergung des im Sueskanal havarierten Containerriesen „Ever Given“ der Reederei Evergreen hat sich der Rückstau an einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt komplett aufgelöst. Das teilte die ägyptische Kanalbehörde (SCA) am Samstag mit.

„Alle seit der Strandung des Containerschiffs ‚Ever Given‘ wartenden Schiffe haben den Kanal durchquert“, hieß es in einer Erklärung. Durch den im Sueskanal auf Grund gelaufenen Containerriesen hingen dort vorher mehr als 400 Schiffe fest.

Die „Ever Given“ war am Dienstag vergangener Woche während eines Sandsturms auf Grund gelaufen. Das 400 Meter lange und mehr als 220.000 Tonnen schwere Schiff steckte danach quer in dem engen Kanal fest und blockierte den Wasserweg zwischen Rotem Meer und Mittelmeer.

Containerschiff MV „Ever Given“ im Sueskanal
Reuters/Mohamed Abd el Ghany
Erst nach fast einer Woche konnte das Containerschiff freigelegt werden

Erst am Montag dieser Woche war es den an der Rettungsaktion beteiligten Schleppern gelungen, den Frachter freizulegen. Stunden später wurde auch der Kanal wieder für den Schiffsverkehr freigegeben. Vor dem Wasserweg stauten sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits mehr als 400 Schiffe. Am Freitag durchfuhr auch der US-Flugzeugträger „USS Eisenhower“ den Kanal in Richtung Rotes Meer

Kanalbehörde fordert Schadenersatz

Wegen der Auseinandersetzung um Schadenersatz könnte sich die Weiterfahrt der „Ever Given“ indes noch längere Zeit hinziehen. Die Kanalbehörde fordert wegen der tagelangen Blockade Schadenersatz in Höhe von einer Milliarde Dollar (850 Mio. Euro) und will die Weiterfahrt erst bei einer Einigung erlauben.

Derzeit liegt die „Ever Given“ im Großen Bittersee zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Sueskanals. Bei ihrer Forderung bezieht sich die Behörde unter anderem auf Verluste in Höhe von 14 bis 15 Mio. Dollar pro Tag sowie die tagelangen Arbeiten mit Baggern und Schleppern zur Freilegung des 400 Meter langen Schiffs. Mehrere Ermittlungen sollen klären, wie es zu dem Unfall kam.

USS Dwight D. Eisenhower im Sueskanal
Reuters/U.S. Navy/Cameron Pinske
Am Freitag durchfuhr der US-Flugzeugträger „USS Eisenhower“ den Kanal

Normalisierung dauert

Der Chef der deutschen Reederei Hapag Lloyd befürchtet noch wochenlanges Chaos im internationalen Schiffsverkehr. „Es wird bestimmt acht bis zehn Wochen dauern, ehe sich das Geschäft normalisiert“, sagte Rolf Habben Jansen dem Magazin „Der Spiegel“.

Bei bestimmten Produkten müssten sich Konsumentinnen und Konsumenten auf Lieferverzögerungen einstellen. „Der Sueskanal ist der ungünstigste Ort der Welt für ein solches Unglück“, sagte Habben Jansen. Zu rechnen sei mit weiteren Verstopfungen in europäischen Häfen, wenn dort viele Frachter gleichzeitig einträfen, fügte der Reedereichef hinzu.

Schaden dürfte in die Milliarden gehen

Der wirtschaftliche Gesamtschaden dürfte in die Milliarden gehen, wobei die Schätzungen stark variieren. Laut Allianz Versicherung bedeutete die Blockade des Sueskanals Einbußen von sechs bis zehn Milliarden Dollar pro Woche. Der Logistikexperte der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, Sebastian Kummer, rechnete mit einem Schaden von 1,5 Mrd. bis zwei Mrd. Euro. Fachleuten zufolge könnten die Auswirkungen noch länger spürbar sein.

Der größte Schaden sei bei den weltweiten Lieferketten entstanden, so Kummer, dieser werde jedoch gemindert, wenn die Behebung der Krise rasch erreicht werde. Er rechnete damit, dass nun versucht werde, verlorene Zeit aufzuholen, auch beim Umschlagen in den Häfen. Kummer plädierte dafür, die Abhängigkeit von globalen Zulieferungen zu reduzieren und auf regionale Lieferketten umzusteigen. Zudem sollten große Containerschiffe bei Sturm mit Schleppern durch den Kanal gezogen werden.

Sorgen bereiten Kummer mögliche Reaktionen des Versicherungssektors: „Im schlimmsten Fall könnte es passieren, dass die Versicherungen sagen: Bei den großen Containerschiffen ist uns das Risiko einer großen Störung zu hoch, und wir übernehmen für den Sueskanal keine Deckung“, so Kummer. Das würde für Ägypten den Verlust von Einnahmen in Millionenhöhe bedeuten.

Wichtige Schiffsroute

Der Sueskanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet dadurch den kürzesten Schifffahrtsweg zwischen Asien und Europa. 2020 durchfuhren fast 19.000 Schiffe den Kanal, im Schnitt gut 50 pro Tag. Der Allianz Versicherung zufolge wurden im Jahr 2019 etwa 13 Prozent des gesamten Welthandelsvolumens durch den Kanal befördert.

Mit mehreren Erweiterungen sollte der Kanal für immer größer werdende Frachter und Containerriesen attraktiv bleiben. 2015 hatte der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi den erneut erweiterten Kanal eröffnet – in der Hoffnung auf wachsende Einnahmen und internationales Prestige.

Es ist möglich, statt der Route durch den Kanal einen Umweg um das Kap der Guten Hoffnung zu fahren. Der Umweg nimmt etwa eine Woche in Anspruch und verursacht Reedereien erhebliche Mehrkosten. Zudem gelten die Gewässer vor der Küste Westafrikas, insbesondere im Golf von Guinea, als besonders gefährlich wegen möglicher Überfälle von Piraten.