An Blümels erstem Auftritt im Juni des vergangenen Jahres wurde seitens der Opposition herbe Kritik geübt, zumal er sich über 80-mal an erfragte Umstände nicht erinnern konnte. Doch wird auf Blümel diesmal wohl eine Flut neuer – und wohl auch detailreicherer – Fragen zukommen, schließlich gibt es mit den kürzlich publik gewordenen Chatverläufen mit dem Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, Thomas Schmid, neues Material.
Die Chatverläufe illustrieren, dass Schmid – langjähriger Finanz-Kabinettschef und Finanz-Generalsekretär – bereits beim Anlaufen der Reform der heimischen Staatsholding (aus ÖBIB wurde ÖBAG) großes Interesse an dem Vorstandsposten hegte. Die ausgewerteten Chats zeigen, wie Schmid etwa auf die Ausschreibung für den Chefsessel Einfluss nahm und dann an der Auswahl jener Aufsichtsräte beteiligt war, die ihn dann letztlich zum ÖBAG-Chef machen sollten.
„SchmidAG fertig!“
Und in die entsprechende Chatkommunikation zu diesem Prozess war neben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auch der damalige Kanzleramtsminister Blümel eingebunden. Letzterer schrieb etwa nach dem ÖBAG-Beschluss im Nationalrat im Dezember 2018 von der „Schmid AG“ („SchmidAG fertig!“) und dass Schmid „Familie“ sei („Du bist Familie“). Ein halbes Jahr davor schrieb Blümel Schmid noch von einer Rettung in dessen Sinne: „Hab dir heute deine ÖBIB gerettet!“ Schmid und die Umstände seiner Bestellung waren nach Bekanntwerden der Chats stark kritisiert worden. Am Dienstag gab der ÖBAG-Aufsichtsrat nach einer Sondersitzung schließlich bekannt, dass Schmid seinen bis März 2022 geltenden Vertrag auslaufen lassen werde.

Mit dem Bekanntwerden dieser und vieler weiterer Chats sahen die Oppositionsparteien ihre Vorwürfe von Postenschacher und Freunderlwirtschaft in der ÖVP bestätigt – strafrechtlich relevant sind die bisher bekannten Chats nicht. Ermittler prüfen derzeit aber, ob die Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo in den Casinos-Vorstand im März 2019 und die Bestellung von Schmid kurz darauf miteinander „verzahnt“ waren, woraus sich Relevanz ableiten ließe – dafür gibt es derzeit aber keine Beweise. Hierbei ist Schmid Beschuldigter, es gilt die Unschuldsvermutung.
Blümel Beschuldigter in Casinos-Affäre
Bei Blümels Befragung auch Thema wird wohl der Komplex rund um ein von Ermittlern auf dem Handy von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann entdecktes SMS sein. Dabei geht es um eine Nachricht, die Neumann an Blümel geschickt hatte. Neumann bat Blümel um einen Termin beim damaligen Außenminister Kurz wegen „erstens Spende zweitens eines Problemes das wir in Italien haben“. Die Novomatic kämpfte damals gegen eine Steuerforderung der italienischen Behörden.
Blümel leitete den Gesprächswunsch an Schmid weiter, der damals Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium war. Die Ermittler vermuten, dass Blümel seinen Vertrauten Kurz von der SMS in Kenntnis setzte. Die WKStA machte wegen dieses SMS-Funds Blümel zum Beschuldigten in der Casinos-Affäre – es gilt die Unschuldsvermutung. Am 11. Februar kam es zur ersten Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Finanzminister. In den Wochen danach wurden Dokumente im Finanzministerium sichergestellt.
Nach Aufkommen der Vorwürfe hatte Blümel eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, wonach es von der Novomatic weder Spenden an die Wiener ÖVP noch an vier mit ihm in Verbindung gebrachte Vereine gegeben habe. „Ich kann ausschließen, dass irgendwo Geld als Gegenleistung für meine politischen Handlungen geflossen ist, wo ich involviert gewesen bin oder davon gewusst habe. Das kann ich beschwören, weil das mache ich nicht“, gab Blümel in einem „Presse“-Interview Ende Februar an.
Pilnacek-Niedrist-Chat könnte Thema werden
Angesprochen wird Blümel wohl auch auf einen Chat zwischen dem derzeit vorläufig suspendierten Justizministerium-Sektionschef Christian Pilnacek und Blümels Kabinettschef Clemens-Wolfgang Niedrist im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Finanzminister. Dabei schrieb Pilnacek als Reaktion auf die Sicherstellungsanordnung, mit der die Ermittler Ende Februar das Finanzministerium besucht hatten, von einem „Putsch“ („Das ist ein Putsch!!“). Zudem regte Pilnacek eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung an und fragte, wer Blümel denn auf die Einvernahme bei der WKStA vorbereite.
Laptop als Dauerbrenner
Bei der Hausdurchsuchung nahmen die Ermittler nicht nur Blümels Mobiltelefon, sondern auch einen Laptop mit, den er mit seiner Frau gemeinsam nütze, wie Blümel erklärte. In diesem Zusammenhang wird der Finanzminister wohl gefragt werden, wieso seine Lebensgefährtin den Laptop auf einen Spaziergang mitnahm, den sie während der Razzia unternahm. Nach Blümels erster „Ibiza“-Befragung im Vorjahr reagierten die Mandatarinnen und Mandatare äußerst erstaunt, weil er zu Protokoll gab, dass er seine Geschäfte als Kanzleramtsminister und ÖVP-FPÖ-Regierungskoordinator ohne Laptop geführt habe.
Nach Blümel kommt ÖBAG-Mitarbeiterin
Nach Blümel sind am Dienstag die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der ÖBAG sowie Blümels ehemaliger Kabinettschef geladen. Letzterer leitet mittlerweile den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. Von der ÖBAG-Mitarbeiterin, die damals unter Minister Hartwig Löger (ÖVP) im Finanzministerium tätig war und rund um die Bestellung Schmids auch in Chatverläufen eine Rolle spielt, erwarten sich die Fraktionen Einblick in die Vorgänge rund um die Ausschreibung des ÖBAG-Chefpostens Ende 2018, von der dritten Auskunftsperson in die internen Abläufe der ÖVP-FPÖ-Regierung.

Die Befragungen von Blümel und der ÖBAG-Mitarbeiterin werden thematisch auch eine Sondersitzung im Plenum des Nationalrats am Freitag einläuten, die dann im Unterschied zum „Ibiza“-U-Ausschuss gänzlich öffentlich (und nicht nur medienöffentlich) stattfindet. Einberufen wurde die Sitzung von der Opposition mit Verweis auf die Chats rund um die Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Alleinvorstand.
Auch Julian H. tritt auf
Doch noch davor muss am Donnerstag Julian H. im „Ibiza“-Ausschuss Rede und Antwort stehen. Der mutmaßliche Hauptorganisator des auf Ibiza aufgenommenen Videos, das die ÖVP-FPÖ-Koalition platzen ließ, war Anfang März nach Österreich ausgeliefert worden und befindet sich seitdem wegen des Vorwurfs der Erpressung und mutmaßlicher Drogendelikte in U-Haft. Der Privatdetektiv, für den die Unschuldsvermutung gilt, hatte bereits im deutschen U-Ausschuss zum Wirecard-Skandal ausgesagt und dabei in einer geheimen Sitzung Verstrickungen des Wirecard-Managements mit FPÖ und ÖVP angedeutet.
Die Fraktionen werden Julian H. aber vermutlich hauptsächlich zur Genese des „Ibiza-Videos“ und zu möglichen Hintermännern befragen – Entschlagungen sind jedenfalls in größerer Anzahl zu erwarten. Nach H. wird am Donnerstag auch der Direktor der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Thomas Steiner, Auskunft erteilen. Steiner kam als damaliger Chef der Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) 2019 unter ÖVP-FPÖ in die OeNB und soll vordringlich zum Beweisthema „Reform der Finanzmarktaufsicht (FMA)“ befragt werden.