Google-Logo auf einem Gebäude
Reuters/Mike Blake
FLoC

Googles Cookie-Ersatz spaltet Datenschützer

Cookies haben Internetnutzerinnen und -nutzer jahrelang quer durch das Internet verfolgt und damit der Werbebranche intime Einblicke in deren Interessen gewährt. Nun verspricht Google mit einem eigenen System mehr Privatsphäre für User und gleichzeitig genug Einblick, um gezielte Werbung zu ermöglichen. Erste Tests für den Cookie-Ersatz FLoC laufen bereits – das System des Werbegiganten Google spaltet Datenschützer aber.

Spätestens seit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist das Bewusstsein für Cookies im Netz gestiegen: Beim Besuch vieler Seiten wird man zuerst gefragt, welche Drittanbieter Cookies setzen dürfen – oft wird die Bestätigung für Dutzende Firmen eingeholt. Wer zu allem Ja sagt, gibt diesen Unternehmen praktisch die Erlaubnis, sie quer durch das Netz zu verfolgen und daraus etwa Hobbys, Einkommen und Vorlieben bei Politik und Sexualität abzuleiten. Mit diesen Details kann dann exakt gezielte Werbung geschaltet werden.

Nicht nur Datenschützerinnen und -schützer fanden diese Entwicklung bedenklich, in den vergangenen Jahren haben sich auch Browser-Entwickler in die Debatte eingeschaltet. Mozillas Firefox und Apples Safari blockieren diese Drittanbietercookies deshalb seit geraumer Zeit standardmäßig.

Auch Google, das mit Chrome den momentan meistgenutzten Webbrowser entwickelt, kündigte eine Umstellung an – aber erst für 2022. In der Zwischenzeit stellte der Konzern, der selbst Spitzenreiter bei der weltweiten Onlinewerbung ist, einen eigenen Cookie-Nachfolger auf die Beine: Federated Learning of Cohorts (FLoC). Seit vergangener Woche läuft das System bereits im Testbetrieb.

Internetuser werden in Kohorten aufgeteilt

Mit „Datenschutz zuerst“ bewirbt Google sein neues System, es soll sowohl User als auch Werbende – nicht zuletzt wohl auch Google selbst – zufriedenstellen. Ziel sei es, gezielte Werbung anbieten zu können, ohne die Identität der Anwender preiszugeben. Statt einzelner Cookies werden Nutzerinnen und Nutzer in Kohorten einsortiert, größere Gruppen, die ähnliche Eigenschaften haben.

Auf der technischen Ebene klingt das Projekt äußert ambitioniert, das Internetportal The Verge titelte etwa, dass Werbung in Chrome nun „verFLoCt kompliziert“ werde. Durch Algorithmen werden die Kohorten erstellt – der Browser selbst übernimmt die Einteilung und analysiert dazu den Browserverlauf der User. Die besuchten Seiten sollen dazu nicht erst an Google geschickt, sondern direkt auf dem eigenen Computer analysiert werden.

Menschen in einer Einkaufsstraße
AP/Ronald Zak
Künftig will Google seine Anwenderinnen und Anwender in Gruppen einteilen – ermittelt nach ihrem Browserverlauf

Wer nun eine Website besucht, der teilt dem Betreiber automatisch die zugehörige Nummer der Kohorte mit, Werbeanbieter können daraufhin passende Werbung schalten. Google hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass Kohorten mindestens „Tausende“ Mitglieder haben müssen, bis die Gruppe den Werbetreibenden mitgeteilt wird. Wer also besonders spezielle Interessen pflegt, wird – so zumindest die Theorie – nicht „geoutet“.

Googles Weg gegen digitale Fingerabdrücke

Googles Angebot soll offenbar ein Mittelweg für Werbetreibende sein: Anstatt nur Drittanbietercookies zu blockieren und keinen Ersatz anzubieten, will man den Agenturen eine Möglichkeit bieten, trotzdem relativ genau gezielte Werbungen auszuspielen. Im Gegenzug besteht offenbar die Hoffnung, das digitale „Fingerprinting“ damit zu unattraktiv zu machen.

Dieser virtuelle Fingerabdruck hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen – nicht zuletzt durch das harte Vorgehen gegen Cookies. Um den Verlust dieser Informationen auszugleichen, setzen manche Websites vermehrt auf andere Merkmale, die sich nicht so leicht deaktivieren lassen: IP-Adresse, Betriebssystem und Bildschirmauflösung lassen oft schon eine ausreichend genaue Identifizierung eines Users zu – und machen Cookies damit überflüssig.

Google sieht es deshalb auch problematisch, dass Hersteller wie Apple und Mozilla hier eine Null-Toleranz-Politik betreiben: Man sei zwar „begeistert“ gewesen, dass diese Entwickler Cookies deaktiviert hatten, heißt es in einem Google-Blogeintrag. Doch das abrupte Deaktivieren ohne Alternative sei „verantwortungslos, sogar schädlich“ gewesen. Für Google steht fest, dass im „freien, offenen Web“ auch zielgerichtete Werbung eine Rolle spielt. Wohl nicht zuletzt, weil der US-Konzern einen Großteil seiner Einkünfte aus ebendieser bezieht.

Datenschützer kritisieren Google-System

Auf dem Papier klingen viele der von Google vorgeschlagenen Neuerungen im Zuge der Umstellung auf FLoC so, als könnten sie die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer tatsächlich besser schützen. Das Verhindern von individuellem „Fingerprinting“ und das endgültige Aus für Drittanbieter-Cookies wurde in der Vergangenheit von Datenschützern vehement gefordert – all das ist jetzt Teil der „Privacy Sandbox“, zu der auch FLoC zählt. Das wird auch von Datenschützern an sich begrüßt.

Doch für die Electronic Frontier Foundation (EFF) ist das allein ein schwacher Trost. In einem Blogeintrag wird darauf hingewiesen, dass Google seinen Usern praktisch die Wahl zwischen dem „alten Tracking“, also mittels Cookies und Fingerprinting, und Googles „neuem Tracking“ lässt. „Doch es geht hier nicht um entweder – oder“, so die EFF, die für ein allgemeines Ende des Trackings plädiert.

Auch Sorge vor Diskriminierung wird geäußert: So könnten die Kohorten dazu führen, dass auch Seiten zu Themen wie „Drogenmissbrauch, finanziellen Schwierigkeiten oder Unterstützung für Trauma-Überlebende“ in die Kategorisierung einfließen. Kritik, die Google ernst nimmt: Derartige Seiten sollen automatisch gefiltert werden, heißt es.

EU bisher ausgenommen

Google testet FLoC zwar bereits, doch EU-Staaten dürfen an dem Testlauf bisher nicht teilnehmen. Das könnte wohl auch mit der DSGVO zusammenhängen – dieses Thema wurde von Google von offizieller Seite bisher nicht erwähnt. Die Frage eines Journalisten der „New York Times“ beantwortete der Projektleiter der „Privacy Sandbox“ auf Twitter damit, dass man auch in Europa bald testen wolle – man bekenne sich zu „100 Prozent“ zu dem Projekt auch in der EU.

Firefox und Safari ziehen nicht mit

Bisher steht Google mit FLoC alleine da – weder Firefox noch Safari werden das System verwenden. Ein Standard für einen „Mittelweg“ zeichnet sich damit nicht ab. Dauerhaft könnte das aber den Marktanteil von Chrome nur noch weiter steigern, schreibt The Verge. Denn Websites würden wohl auch künftig darauf pochen, dass ihre User jenen Browser verwenden, der mittels Werbung am besten zu Geld gemacht werden könne.